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Zur Vergabe von Netzkonzessionen Strom/Gas
Am 03.02.2017 ist die Reform der §§ 46 bis 47 EnWG in Kraft getreten, durch die das Verfahren zur Vergabe von Wegerechten für den Betrieb von Strom- und Gasnetzen in einigen Aspekten neu geregelt wurde. Stadtwerke, die sich auf Strom- und Gasnetzkonzessionen bewerben, müssen die Neuregelungen im Blick behalten, um ihre Verfahrensrechte zu wahren. Die Praxis zeigt jedoch, vielfach werden die neuen gesetzlichen Regelungen nicht ausreichend gewürdigt.
In einem Fachbeitrag verweist Rechtsanwalt Dr. Max Peiffer, Experte im Energierecht von der Kanzlei Assmann & Peiffer aus München auf notwendige Vorsichtsmaßnahmen gegen Verfahrensfehler beim „Streit um das Netz“.
Foto: Erik Mosoni
Anlass für die Reform des Konzessionsvergabeverfahrens
Die Vergabe von Wegerechten für den Betrieb von Strom- und Gasnetzen hat sich in den letzten Jahren regelmäßig als außerordentlich streitanfälliges Unterfangen erwiesen. Die Gemeinden sind zur Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Vergabeverfahrens verpflichtet. Kommt es hierbei zu formellen oder materiellen Verfahrensfehlern, drohen langwierige und teure Gerichtsverfahren.
Oftmals muss der bezuschlagte Bieter gegen den Altkonzessionär klagen, weil dieser die Herausgabe des Netzes mit der Begründung verweigert, die Vergabe sei verfahrensfehlerhaft durchgeführt worden. In diesem Rechtsstreit „um das Netz“ verteidigt die Gemeinde ihre Auswahlentscheidung in der Regel als Streithelferin.
Derartigen Zuständen soll durch die Neufassung der §§ 46 ff. EnWG entgegengewirkt werden. So ist ein Kernanliegen der Reform die Steigerung der Rechtssicherheit des Konzessionsverfahrens durch zwei Regelungen: Zum einen wurden in § 46 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 EnWG die Vorgaben für die Gestaltung des sog. Kriterienkataloges konkretisiert. Zum anderen wurde in § 47 EnWG eine strikte Präklusionsregelung eingeführt.
Gestaltung des Kriterienkatalogs gem. § 46 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 EnWG
Im sog. Kriterienkatalog legt die Gemeinde zu Beginn des Konzessionierungsverfahrens die Kriterien und deren Gewichtung für die Auswahl zwischen den Bietern fest. Das Ergebnis des Auswahlprozesses hängt zentral vom Kriterienkatalog ab, dieser gilt als „Herzstück“ des Konzessionsvergabeverfahrens. Die Wahl unzulässiger Kriterien oder deren nicht sachgerechte Gewichtung macht das Verfahren rechtswidrig. Im Interesse der Gemeinde hat der Gesetzgeber in § 46 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 EnWG nunmehr konkretisierende Vorgaben an die Ausgestaltung des Katalogs eingeführt.
Wie schon bisher verlangt § 46 Abs. 4 Satz 1 EnWG, ist den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG Rechnung zu tragen. Demnach hat die Gemeinde Kriterien zu bilden, die eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche Versorgung mit Energie gewährleisten. Neu ist § 46 Abs. 4 Satz 2 EnWG, wonach bei der Auswahlentscheidung auch die Belange der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden können. Wodurch klargestellt wird, dass die Gemeinde, neben den originär energiepolitischen Anliegen, auch Anliegen der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigen darf. So kann in die Auswahlentscheidung beispielsweise miteinfließen, in welchem Umfang der Bieter bereit ist, der Gemeinde ein Mitspracherecht bei der Planung und Verlegung von Leitungen einzuräumen. Auch die Erreichbarkeit des Bieters für die Bürger im Gemeindegebiet wäre ein rechtlich zulässiger Gesichtspunkt.
Rügeobliegenheiten und formelle Präklusion, § 47 EnWG
Ein zweiter wichtiger Baustein der Reform von 2017 ist die Einführung von strengen Rügeobliegenheiten und Präklusionsregelungen in § 47 EnWG. Dieser Regelungsmechanismus basiert auf dem Grundgedanken, dass formelle oder materielle Verfahrensfehler unmittelbar im Verfahren selbst geltend gemacht werden sollen, damit die Gemeinde die Möglichkeit hat, den Fehler zu korrigieren und das Verfahren mit Aussicht auf eine bestandskräftige Auswahlentscheidung weiterzuführen.
Bislang musste das Konzessionsverfahren bis zum Schluss durchgeführt werden. Erst nach Abschluss konnte der unterlegene Bieter eine gerichtliche Überprüfung herbeiführen. Dies führte oft dazu, dass sich ein bereits vollständig durchgeführtes Verfahren nachträglich als fehlerhaft erwies, so dass der gesamte Aufwand umsonst war.
Um eine solche starre ex-post-Kontrolle einzudämmen, trifft den Bieter nun die Obliegenheit, innerhalb enger Fristen bereits während der einzelnen Verfahrensschritte Fehler zu rügen und ggf. auch gerichtlich geltend zu machen. Hat der Bieter die rechtzeitige Erhebung der Rüge versäumt, kann er seinen Einwand auch in einem möglichen Gerichtsverfahren nach Abschluss des Konzessionsverfahrens nicht mehr geltendmachen. Es greift vielmehr eine Präklusion gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 EnWG.
Im Einzelnen sind drei Rügefristen eingeführt worden:
• Die erste Rügefrist wird durch die Bekanntmachung der geplanten Konzessionsvergabe ausgelöst. Durch die Bekanntmachung werden Interessenten aufgerufen, gegenüber der Gemeinde ihr Interesse an einer Verfahrensteilnahme zu bekunden. Die Interessenbekundungsfrist beträgt mindestens drei Monate. Ebenfalls innerhalb dieser Frist müssen gem. § 47 Abs. 1 EnWG mögliche Fehler der Bekanntmachung gerügt werden.
• Die zweite Rügefrist beträgt 15 Tage und wird durch den Zugang des ersten Verfahrensbriefes ausgelöst, in dem die Gemeinde den Bietern die Kriterien und deren Gewichtung mitteilt. Mängel des Kriterienkatalogs hat der Bieter gem. § 47 Abs. 2 Satz 2 EnWG spätestens 15 Tage nach Erhalt des ersten Verfahrensbriefes zur rügen.
• Die dritte Rügefrist wird durch das Informationsschreiben der Gemeinde an Bieter, denen die Gemeinde keinen Zuschlag erteilen will, ausgelöst. Sie beträgt gem. § 47 Abs. 2 Satz 3 EnWG 30 Tage. Innerhalb dieser Frist hat der Bieter die Mängel der Auswahlentscheidung zu rügen. Zur Vorbereitung der Rüge kann er innerhalb von einer Woche nach Das deutsche Strom-Verteilernetz ist rund 1,7 Millionen Kilometer lang Niederspannungsnetz: ca. 1.100.000 Kilometer Verteilernetz Übertragungsnetz Mittelspannungsnetz: ca. 510.000 Kilometer Hochspannungsnetz: ca. 95.000 Kilometer Höchstspannungsnetz: ca. 35.000 Kilometer Erhalt der Bieterbekanntmachung Akteneinsicht beantragen, § 47 Abs. 3 Satz 2 EnWG.
Hat der Bieter in einem der drei Fälle eine Rüge erhoben, muss die Gemeinde entscheiden, ob sie dem gerügten Verfahrensfehler abhilft. Wird nicht abgeholfen, hat der Bieter gem. § 47 Abs. 5 den Fehler unmittelbar durch einstweiligen Rechtsschutz beim Landgericht geltend zu machen. Das Gericht kann ggf. gegenüber der Gemeinde die Anordnung treffen, den gerügten Fehler zu korrigieren.
Fazit: Vor allem aufgrund der strengen Rügeobliegenheiten müssen Bieter bereits im Konzessionsverfahren „wachsam“ sein und bei möglichen Verfahrensfehlern rechtzeitig reagieren.
www.assmann-peiffer.de
Konzessionsverfahren
Eine Konzession bezeichnet im Bereich der leitungsgebundenen Energieversorgung (Gas und Strom) ein sogenanntes „Wegenutzungsrecht“ für die Nutzung öffentlicher Straßen, Wege und Plätze. Dieses Recht wird von Städten und Gemeinden per Vertrag an Energieversorgungsunternehmen vergeben, wofür diese in der Regel eine Konzessionsabgabe zu zahlen haben. Konzessionsverträge können für die Dauer von maximal 20 Jahren abgeschlossen werden.