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< Die deutsche Energiewende - La Transition Energétique in Frankreich
10.03.2014 13:57 Alter: 11 yrs

Zukunft Wirtschaftsstandort Deutschland

Bei der Umsetzung der energie- und umweltpolitischen Ziele der Bundesregierung müssen Effizienz und Wirtschaftlichkeit stärker als bisher im Mittelpunkt stehen. Erfolgreich ist die Energiewende nur dann, wenn Deutschland als Industrieland im Herzen Europas auch weiterhin wettbewerbsfähig bleibt. DIHK-Präsident Dr. Eric Schweitzer mit einer Wortmeldung zur Energiepolitik der Großen Koalition.


„Hohe Strompreise in Thüringen kosten Jobs“, war kürzlich in einer Zeitung zu lesen. Was steht hinter dieser Meldung? Ich meine, die Energiewende ist für den Wirtschaftsstandort Deutschland Gefahr und Chance zugleich. Das Ausland schaut genau hin und fragt sich: Sind die Deutschen nun besonders schlau oder besonders wahnsinnig, ein Industrieland weitgehend mit Erneuerbaren Energien versorgen zu wollen? Noch ist die Antwort offen. Im Moment stelle ich aber fest: Die Verunsicherung bei den Unternehmen nimmt zu. Ich höre sogar, dass einige Unternehmen schon auf gepackten Koffern sitzen. Da gibt es Handlungsbedarf. Schon längst ist das Thema Energie- und Rohstoffpreise in den Augen der Unternehmen das größte Geschäftsrisiko. In Deutschland sehen 47 Prozent der Unternehmen darin eine zunehmende Gefahr, in der ostdeutschen Wirtschaft ist es jedes zweite Unternehmen, wie die IHKs feststellen. Hinzu kommt noch die Belastung durch Netzentgelte, die beispielsweise in Ostdeutschland deutlich höher sind. Während sich die Rohstoffpreise an den Weltmärkten derzeit entspannen, lasten auf der heimischen Wirtschaft die steigenden Energiepreise. Erfolgreich ist die Energiewende nur dann, wenn Deutschland als Industrieland im Herzen Europas auch weiterhin wettbewerbsfähig bleibt.

Förderung oder Subvention?

Kaum ein Staat folgt uns auf dem Pfad der Energiewende. Das liegt gerade an den Kosten, die der Ausbau der Erneuerbaren Energien verursacht: 23,5 Mrd. Euro werden dieses Jahr über die EEG-Umlage umverteilt, das ist etwa so viel wie der Bundes verkehrsminister für seinen kompletten Etat zur Verfügung hat. Und das ist eine Förderung, die der Staat für die nächsten 20 Jahre garantiert.

In anderen Ländern gibt es diese Sonderbelastung nicht. In den USA ist der Preis für Industriestrom halb so hoch wie bei uns – ein klarer Nachteil im internationalen Wett bewerb. Die EU-Kommission überprüft zudem gerade, ob die Rabatte bei der EEG-Umlage eine Beihilfe darstellen. Zwar hat die Bundesregierung ihre zwischen Bund und Ländern abgestimmte Stellungnahme im Rahmen der Konsultation zum Entwurf neuer Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien an die Kommission übermittelt. Damit ist aber noch nicht klar, wie die Leitlinien aktualisiert werden und ob die Kriterien, nach denen die Kommission ihre Beihilfekontrolle ausüben will, transparent und nachvollziehbar gestaltet sind. Wir werden sehen, inwieweit die gegenwärtige Überarbeitung der Beihilferegelungen eine Gelegenheit bietet, auf eine weitere Angleichung der Erneuerbaren-Fördersysteme in Richtung mehr Marktintegration, Senkung der Förderkosten und Wettbewerbs orientierung hinzuwirken. Für mich ist klar: Die Rabatte müssen im Kern erhalten bleiben. Alles andere bedeutet das Aus für weite Teile der energieintensiven In dustrie am Standort Deutschland.

Bundeswirtschafts- und Energieminister Gabriel sieht scheinbar diese Gefahr auch und hat mit seinen Eckpunkten für die Reform des EEG einige praktikable Vorschläge gemacht. So sollen sich Erneuerbare Energien künftig direkt vermarkten. Das ist ein richtiger Schritt, um mehr Kosteneffizienz hinzubekommen. Und das ist auch eine große Chance für die Anlagenbetreiber, neue Absatzmärkte für ihren Strom zu finden.

Eigenerzeugung nicht abwürgen

Die Bundesregierung verfolgt mit sinkenden Einspeisevergütungen und einer besseren Marktintegration von Erneuerbaren grundsätzlich den richtigen Ansatz. Die EEG-Umlagekosten dürfen aber nicht weiter steigen. Denn schon heute leidet die Wett bewerbs- und Leistungsfähigkeit der hiesigen Unternehmen enorm. Mit der geplanten Belastung der Eigen stromerzeugung verschärft die Politik das Problem. Der daneben geplante „Energie wende-Soli“ von knapp einem Cent pro Kilo wattstunde für bestehende Eigen erzeugungs anlagen kommt auf den ersten Blick recht harmlos daher. Mit diesem werden aber – vorwiegend im energieintensiven Mittelstand – etwa 500 Mio. Euro pro Jahr abgeschöpft. Eine „ausgewogene Lösung“, wie sie der Ko alitionsvertrag versprochen hat, ist das nicht. Insgesamt scheint mir die beabsichtigte Belastung der Eigenerzeugung mit der EEGUmlage weniger durchdacht zu sein. Das Motiv ist klar: Man will die schwere Bürde von inzwischen 23 Mrd. Euro EEG-Umlage auf breitere Schultern verteilen. Wenn es aber bei den Plänen bleibt, Neuanlagen mit bis zu 90 Prozent der EEG-Umlage zu belegen, wird der Neubau von Kraft-Wärme-KopplungsAnla gen einbrechen.

Nach Schätzungen wären von den Be schlüssen der Bundesregierung zur Eigen stromversorgung insgesamt mindestens 50.000 Unternehmen betroffen: Die Hälfte davon hat bereits in Anlagen investiert. Auf sie kommen deutlich höhere Kosten zu. Eben so viele Unternehmen haben die Pläne in der Schub lade und werden diese vermutlich auf Eis legen. Das ist eine schlechte Nachricht für die Energiewende: Denn Eigenerzeugung leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Versorgungssicherheit. Eigenerzeugung bietet Erneuerbaren, insbesondere der Photovoltaik eine Marktchance jenseits staatlicher Vergütung. Rund 70 Prozent des eigenerzeugten Stroms stammt aus KWK und Erneuerbaren Energien, also den Anlagen, die für eine erfolgreiche Energiewende zugebaut werden müssen. Die Bundesregierung sollte daher sehr sorgfältig prüfen, ob die etwa 500 Mio. Euro mehr in der Umlagekasse die entstehenden Schäden aufwiegen. Eine seriöse Folgenabschätzung steht insoweit noch aus.

Miteinander über die Energiewende reden

Bis Sommer soll die EEG-Novelle abgeschlossen sein. Ein sehr ehrgeiziges Vorhaben, wenn man vor allem die verschiedenen Interessen der Länder bedenkt. Bayern will seine Biomasse behalten, Niedersachsen weiter Offshore-Wind ausbauen und BadenWürttemberg in Onshore-Wind einsteigen. Von den Diskussionen um Netzausbau und Übertragungsleitungen ganz zu schweigen. Hier muss es zu einer Verständigung kommen. Ansonsten laufen die Kosten weiter aus dem Ruder.

Aber nicht nur Bund und Länder müssen miteinander über die Energiewende reden. Auch die Politik und die Wirtschaft. Denn nur mit der Wirtschaft – nicht gegen sie – kann die Energiewende gelingen und bringen wir unser Land auf einem guten Weg voran. Einen ersten Schritt hat Minister Gabriel im Februar unternommen. Er hat Wirtschaft und Gewerkschaften an einen Tisch geholt. Es war ein guter Austausch. Man hat uns zugehört. Wir erwarten zu Recht, dass auch Taten folgen.

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