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Wasserstoffnetze – aktuelle regulatorische Herausforderungen
„Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft ist ein dynamischer Prozess, der sich auch auf die Detailausgestaltung der Regulierung auswirken kann.“
Mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) vom 26. Juli 2021 sind neue Regelungen zur Regulierung von Wasserstoffnetzen in Kraft getreten. In einem Impulsvortrag auf dem MCC-Kongress “MEGATREND Wasserstoff“ Ende Oktober in Berlin informierte der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller zu künftigen regulatorischen Herausforderungen. Zu Stand und Ausblick der Wasserstoffnetzregulierung sprach THEMEN!magazin mit Klaus Müller.
Herr Präsident, wie steht es um die Entwicklung eines Wasserstoffnetzes?
Das Bundeskabinett hat im Juli 2023 die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie beschlossen und hiermit die Strategie aus dem Jahr 2020 an aktuelle Entwicklungen angepasst und weiterentwickelt. Wie das zukünftige Wasserstoffnetz aussehen wird, hängt unter anderem davon ab, wie sich Angebot und Nachfrage entwickeln, was wiederum von zukünftigen Technologie- und Kostenentwicklungen sowie von den Fördermechanismen bestimmt wird. Um die Marktentwicklung und die Wasserstoffnetzregulierung zu evaluieren, sieht § 112b Absatz 2 EnWG vor, dass die Bundesnetzagentur dem Bundeswirtschaftsministerium bis zum 30. Juni 2025 einen Bericht über die Erfahrungen und Ergebnisse mit der Regulierung von Wasserstoffnetzen sowie Vorschläge zu deren weiterer Ausgestaltung vorzulegen hat. Im Bericht ist auch darauf einzugehen, welche Erfahrungen im Hinblick auf Beimischung und die Auswirkungen auf Netzentgelte gesammelt wurden. Zudem können in diesen Bericht die Ergebnisse der Diskussionen auf europäischer Ebene einfließen.
Haben die Gasnetze eine Zukunft?
Mit fortschreitender Dekarbonisierung der Energieversorgung steht das Gasnetz vor einer historischen Transformation: Ein Teil des Gasnetzes wird für Wasserstoff und grünes Methan weiter genutzt werden. Der andere Teil des Netzes wird aufgrund des ansteigenden Einsatzes von Alternativen immer weniger Erdgas transportieren und schließlich stillgelegt. Die zukünftige Entwicklung wird jedoch sehr netzbetreiberindividuell sein – sowohl in Hinblick darauf, welcher Anteil des Netzes einer Folgenutzung zugeführt wird als auch darauf, mit welcher Geschwindigkeit sich künftig die Transformation vollzieht. Eine sehr zentrale Herausforderung bei alldem ist, wie wir es schaffen, dass die Netzentgelte bezahlbar bleiben und sprunghafte Netzentgeltanstiege vermieden werden. Diese Herausforderung stellt sich insbesondere für die Teile des Netzes, die langfristig keiner Folgenutzung zugeführt werden und dadurch die Nutzerzahl und die transportierten Mengen kontinuierlich sinken werden. Für diese Netzteile sollten die vorhersehbaren Kosten der Netzbetreiber mit der voraussichtlich abnehmenden Nutzungsintensität synchronisiert und vermehrt in die Gegenwart verlagert werden. Klares Ziel ist es, starke Anstiege der Netzentgelte in den letzten Jahren der Nutzung zu verhindern.
Welche Anforderungen werden an die Netzbetreiber gestellt?
Die Entscheidungen zur zukünftigen Nutzungsintensität der Gasverteilernetze hängen nicht zuletzt auch von den Ergebnissen und Folgen der Wärmeplanung ab. Diese werden – für die Bundesnetzagentur und politische Entscheidungsträger – eine gute Datengrundlage darstellen. Die Wärmepläne müssen allerdings erst bis spätestens Mitte 2026 bzw. Mitte 2028 vorliegen. Es ist daher vernünftig, wenn Netzbetreiber schon heute beginnen, selbständig und im Austausch mit der Kommune die Zukunft zu planen. Schließlich sind die Netzbetreiber ja auch wichtige Know-How-Träger bei der Entwicklung funktionsfähiger Energieversorgungsstrukturen. Wasserstoffinfrastrukturbetreiber haben die Möglichkeit, sich der Regulierung zu unterwerfen und ihre bestehende oder geplante Wasserstoffinfrastruktur auf Bedarfsgerechtigkeit prüfen zu lassen. Die regulatorischen Maßnahmen werden sich an den Entwicklungen in den einzelnen Netzen mit orientieren müssen. Je weniger konkret die Planung, desto weniger konkret die regulatorische Abbildung.
Ein Wasserstoff-Kernnetz soll kommen, wie ist der aktuelle Stand?
Die gesetzlichen Regelungen für ein Wasserstoff-Kernnetz werden gerade geschaffen. Wir als Bundesnetzagentur sind dann mit der Genehmigung des Wasserstoff-Kernnetzes und der künftigen Netzentwicklungsplanung betraut. Dieses Kernnetz wird große Industriezentren, Kraftwerke, Speicher sowie Erzeugungsanlagen und Importkorridore miteinander verbinden und für bundesweite Chancengleichheit beim Zugang zu Wasserstoff sorgen. Ein Teil der Leitungen wird aus dem Erdgasnetz stammen. Das Verhältnis von Umstellung zu Neubau wird grob bei knapp 60 % Umstellung zu 40 % Neubau liegen. Die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) hatten im Juli 2023 ein Netz mit ca. 11.200 km als sogenannten Planungsstand Wasserstoff-Kernnetz vorgestellt (öffentlicher Stand). Auf diesen aufbauend wurde ein Wasserstoffkernnetz modelliert: die Länge beträgt ca. 9.700 km. Dafür wollen die FNB ca. 5.000 km aus dem Erdgasnetz umstellen und 3.700 km neu bauen. Dazu kommen dann noch Offshoreleitungen und Leitungen von Dritten (Nicht-FNB). Das Wasserstoffkernnetz wird ca. 19,7 Mrd. € kosten (12,8 Mrd. € allein für den Neubau). Den Anschluss an das Kernnetz können Produzenten und Verbraucher grundsätzlich selbst herstellen. Oder aber die Verteilernetzbetreiber übernehmen dies. Denn sie haben dabei natürliche Wettbewerbsvorteile, wenn sie ihrerseits dafür nicht mehr benötigte Gasleitungen nutzen.
Liegt ein Regulierungsrahmen vor?
Der Regulierungsrahmen dafür liegt grundsätzlich schon vor. Wir haben gerade den Antrag für dieses ermittelte Wasserstoff-Kernnetz erhalten. Auf diesen folgend wird die BNetzA eine informelle Konsultation einleiten – noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes. Das beschleunigt den ganzen Prozess. Im Frühjahr 2024 soll dann der formelle Prozess starten. Das Kernnetz soll dem Markt verlässlich aufzeigen, wo in den nächsten Jahren Wasserstoffleitungen langführen werden. Die Projektierer haben damit Einblicke über Transportmöglichkeiten. Und sie könnten so ihre Projekte im Sinne des Hochlaufs verwirklichen.
Können Sie noch einen Ausblick zur künftigen Netzplanung geben?
Das Kernnetz ist der Anfang, die künftigen Anforderungen an den Wasserstofftransport werden sich mit dem Marktgeschehen dynamisch verändern. Um dem Rechnung zu tragen, soll in einer zweiten Stufe ein umfassender, bedarfsorientierter und integrierter Wasserstoff- und Gas-Netzentwicklungsplan im EnWG und die verbindliche Netzzugangs- und Netzentgeltregulierung eingeführt werden. Diesen NEP würde – wie bei den Netzentwicklungsplänen für Strom und auch für Erdgas – die Bundesnetzagentur begleiten und genehmigen; dazu ist das Energiewirtschaftsgesetz noch in der Bearbeitung. Auch aus Europa erwarten wir Ende des Jahres oder auch Anfang nächsten Jahres das neue Gaspaket der EU. Dieses wird auch Regelungen zu Wasserstoff enthalten. Selbstverständlich werden wir die Vorgaben entsprechend berücksichtigen. Bei meinem jetzigen Kenntnisstand decken sich die EU-Vorgaben größtenteils mit unseren Vorstellungen. Es ist klar, dass der Aufbau einer solch bedeutenden neuen Infrastruktur in relativ engem Zeitrahmen alle Akteure vor große Herausforderungen stellt. Ich kann alle Akteure nur auffordern mitzuziehen, um die Transformation für sich zu nutzen.
Herr Müller, wir danken für das Gespräch. www.bnetza.de