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Warum LNG am Standort Brunsbüttel?
Die Logistik-Initiative Hamburg setzt sich seit 2013 intensiv dafür ein, dass das Thema Liquefied Natural Gas (LNG) in der Politik und auch in der Wirtschaft eine stärkere Aufmerksamkeit bekommt und als Ergänzung zur Elektromobilität gesehen wird.
Die Metropolregion Hamburg bietet hierbei als Standort beste Voraussetzungen zur Verbreiterung der Akzeptanz sowie zur Umsetzung der Marktfähigkeit und des Rollouts von LNG. Prof. Dr. Peer Witten als Vorsitzender der Logistik-Initiative Hamburg sieht das Thema LNG auf der Tagesordnung.
Herr Prof. Witten, warum greift die Logistik-Initiative Hamburg das Thema Gas in der Logistik auf?
Ein steigender Energieverbrauch und hohe Umweltbelastungen sind die größten Herausforderungen, denen sich der Verkehrssektor weltweit zu stellen hat. Die Logistik ist nicht nur abhängig von limitierten fossilen Ressourcen, sie ist ein nicht unwesentlicher Verursacher des Treibhauseffektes. Etwa 20 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen werden durch den Verkehrssektor verursacht.
Die Logistik ist immer gefordert, innovativ auf Kundenwünsche, auf sich wandelnde politische Rahmenbedingungen und Marktgegebenheiten zu reagieren. Aber Logistikdienstleister sollten auch stets nachhaltig, also kosteneffizient und umweltschonend arbeiten.
Welche Rolle sehen Sie für LNG in der Logistik?
LNG ist für die maritime Wirtschaft und für den Schwerlastverkehr die einzig relevante Alternative zum Diesel. Bei der Suche nach Ansätzen zur Reduzierung der vom Verkehr ausgehenden Schadstoffbelastungen nimmt das Thema Flüssigerdgas immer größeren Raum in der aktuellen Diskussion ein. Dies gilt für heute und wird wohl auch in den nächsten Jahrzehnten der Fall sein. Insofern können wir von einem „Henne-Ei-Problem“ sprechen. Es gibt keine marktfähigen Fahrzeuge, solange es keine Versorgungsinfrastruktur gibt. Und gleichzeitig wird niemand in Infrastruktur investieren, bis nicht die kritische Masse an Fahrzeugen oder Abnehmern existiert. Dieses Dilemma gilt es zu überwinden und deshalb ist unsere Branche grundsätzlich offen für innovative Technologien.
Ein Schwerpunkt der Arbeit der Logistik- Initiative Hamburg liegt in der Initiierung von Innovationen und dem Entwicklungssupport neuer Technologien. Bereits vor Jahren haben wir Informationsveranstaltungen zum Thema LNG organisiert. Im 2013er Masterplan „Logistik lebt Zukunft“ haben wir Projekte aufgenommen, die eine erfolgreiche Markteinführung von LNG befördern sollen. Und die Gründung der „Maritime LNG Plattform“ in Hamburg haben wir maßgeblich begleitet. Deshalb ist LNG für uns mehr als nur Gas.
Warum wird der Standort Brunsbüttel fokussiert?
Der Standort Brunsbüttel vereint in idealer Weise die verschiedenen Nutzungspotentiale von LNG. Am Schnittpunkt Elbe/Nord-Ostsee Kanal gelegen, ist dieser Standort strategisch ideal für die Bebunkerung von Schiffen mit LNG als alternativem Treibstoff. Die Verkehrswege von/nach Hamburg sowie in/aus dem Nord-Ostsee Kanal passieren Brunsbüttel. Eine LNG-Versorgung der Häfen Hamburg, Cuxhaven und Bremerhaven ist aufgrund der geographischen Lage ebenfalls denkbar. Und mit dem norwegischen Unternehmen Gasnor als Partner (heute zu Shell gehörend), ist die mobile LNG-Bebunkerung via LKW bereits möglich. Brunsbüttel ist zudem das größte zusammenhängende Industriegebiet Schleswig-Holsteins. Im sogenannten ChemCoast Park Brunsbüttel sind ca. 4.500 Menschen beschäftigt. Mit Konzernen wie Yara, Sasol und anderen großen Unternehmen sind Werke mit einem hohen Gasbedarf angesiedelt, für die LNG eine Alternative zu Pipelinegas darstellen könnte. Die Prognosen erwarten in den kommenden Jahren einen steigenden Gasbedarf am Industriestandort Brunsbüttel. Wir verzeichnen heute den Zustand, dass den Unternehmen kein unterbrechungsfreier Gasversorgungsvertrag angeboten werden kann, weil nicht immer ausreichend Kapazitäten über die Pipeline zur Verfügung stehen.
Wie sehen Sie die Potenziale zur Errichtung einer festen LNG-Bunkerstation?
Da LNG ein vielseitig anwendbarer Energieträger ist, wird der zukünftige Bedarf nicht nur an der Küste zu decken sein. Überregional könnten Industrieunternehmen und weitere LNG-Nutzer in Brunsbüttel über die Schiene mit LNG versorgt werden. So hat VTG, ein Kooperationspartner der Brunsbüttel Ports GmbH, bereits LNG-Kesselwaggons zur Beförderung von LNG entwickelt. Damit können nicht nur große Mengen LNG effizient über die Schiene befördert werden, die Kesselwaggons können beim Abnehmer auch als mobile Lagerstätte genutzt werden. Somit könnte diese Option als „verlängerter Arm“ des Terminals fungieren.
Was favorisiert den Port Brunsbüttel für ein LNG-Terminal?
Neben wirtschaftlichen Erwägungen spielen auch geographische und sicherheitsrelevante Faktoren bei der Standortwahl eine Rolle. Ein LNG-Terminal wird nahezu ausschließlich mit LNG-Tankern über die Wasserseite beliefert, so dass ein Seehafen mit ausreichend Tiefgang sowie den notwendigen Voraussetzungen zum Umschlag von LNG an das Terminal angebunden sein muss. Der Brunsbütteler Elbehafen verfügt über ausreichend Tiefgang und sicherheitsrelevante Erfahrungen im Umgang mit flüssigen Energieträgern und Chemikalien. Seit Jahren wird LPG (Liquefied Petroleum Gas) umgeschlagen. Und es werden regelmäßig weitere flüssige Gefahrgüter wie z. B. Rohöl oder Chemieprodukte gelöscht und geladen. Der Hafen ist nach Bundesimmissionsschutzgesetz Störfallbetrieb mit besonderen Pflichten sowie mit dem Umweltmanagementzertifikat IOS 14001 zertifiziert.
Der Brunsbütteler Hafen verfügt über ausreichend Expertise und Erfahrungen, eine verantwortungsvolle Nutzung von LNG vor Ort sicherheitstechnisch zu beherrschen. Zudem sind in Brunsbüttel ausreichend hafennahe Freiflächen verfügbar, an denen LNG-Infrastrukturprojekte realisiert werden können. Somit zeigt sich an der Erörterung von Standortfaktoren, dass Brunsbüttel ein strategisch günstiger Standort für das erste LNG-Importterminal in Deutschland ist.