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15.02.2016 11:26 Alter: 9 yrs
Kategorie: Transformation

(Wann) kommt der Strompreis 2.0?

Die deutsche Energiepolitik kann sich weiterhin nicht zwischen einer wettbewerblichen oder staatlich gelenkten Ordnung des Stromsektors entscheiden. In dieser ungeklärten Aufgabenteilung zwischen Markt und Staat liegt ein fortgesetztes Dilemma der „Energiewende“. Eine ausgeuferte EEG-kWh-Umlage oder die ebenfalls kWh-bezogene Stromsteuer sind wichtige Beispiele für wettbewerbsschädliche Staatseingriffe. Echte Abhilfe würde nur eine „(R)Evolution der Preissystematik“ schaffen. Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge, Direktor des Energiewirtschaftlichen Institutes an der Universität zu Köln (EWI) gibt hierzu eine Einschätzung in der Sonderveröffentlichung HandelsblattJournal zum Thema „ENERGIEWIRTSCHAFT“ anlässlich der Handelsblatt-Jahrestagung Energiewirtschaft 2016.


Foto: Joachim Rieger

Vordergründig hat die Regierung im vergangenen Jahr mit ihrem Strommarktgesetz zwar ein starkes Bekenntnis zu einem wettbewerblichen Strommarkt abgelegt. Genau zur selben Zeit jedoch hat sie ausgewählte Braunkohleblöcke willkürlich aus dem Markt gedrängt - und damit ihren ungebremsten Willen unter Beweis gestellt, Marktergebnisse nach Gutdünken zu durchbrechen. Voraussetzung: Sie findet – wie im Fall der Braunkohle mit der „Sicherheitsbereitschaft“ – einen Weg, die Mehrkosten auf die Stromverbraucher abzuwälzen.

Ungeklärte Aufgabenteilung zwischen Markt und Staat

In dieser ungeklärten Aufgabenteilung zwischen Markt und Staat liegt ein fortgesetztes Dilemma der „Energiewende“. Denn einerseits will die Politik selbst bestimmen, welche Technologien verwendet werden und welche nicht - andererseits braucht sie den liberalisierten Markt, allein schon, weil sie gar keine Alternative für die Koordination der vielen Akteure im Gesamtsystem mehr hat.

Manifest wird dieses Dilemma unter anderem bei der Preissystematik für den Stromverbrauch. Auf der einen Seite soll das Strommarktgesetz die zunehmenden Aktivitäten im Intra-Day-Handel unterstützen. Hier geht es um eine zeitlich hoch aufgelöste Preisfindung, die eine entscheidende Rolle bei der Integration der variablen Wind- und Sonnenenergie spielt – und spielen muss. In diesem Bereich des Strommarkts herrscht gerade ein reges Innovationstreiben, in das auch das EWI - über unsere neue Gesellschaft ewi Energy Research & Scenarios - intensiv eingebunden ist.

Verwerfungen durch staatliche Einflüsse

Gleichzeitig jedoch finanziert die Politik ihre vielen Interventionen - einschließlich der ausgeuferten EEG-Differenzkosten - konsequent über fixe, zeitpunktunabhängige Umlagen auf verbrauchte Kilowattstunden (kWh). Ähnlich werden die Netzkosten – obschon bis auf Verluste weitgehend fix – auf kWh umgelegt – statt beispielsweise auf die Anschlussleistung. Zu allem Überfluss erhebt der Staat noch eine kWh-bezogene Stromsteuer. Mit all diesen Belastungen der verbrauchten kWh werden die schönen, zeitbasierten Preissignale des Großhandelsmarkts wieder „glattbügelt“.

Die derart vom Staat beeinflusste Gestaltung der Strompreise führt zunehmend zu Verwerfungen. So sieht die Eigenerzeugung von Strom privatwirtschaftlich günstiger aus, als sie volkswirtschaftlich ist. In der Folge von wachsender Eigenversorgung mit Strom muss ein geringeres Stromverbrauchsvolumen dieselben (fixen) Umlagevolumina und Netzkosten tragen, was den Fremdbezug von Strom weiter verteuert – und damit die Eigenerzeugung noch attraktiver macht. Absehbar eine Spirale ohne gutes Ende.

Potenziale für flexibles Verhalten nutzen

Zudem werden die Potenziale für ein flexibles Verhalten der Stromnachfrager in völlig unzureichender Weise genutzt. Dabei geht es neben dem viel diskutierten Lastmanagement vor allem auch um die effiziente Nutzung des Stroms im Wärmesektor.

Denn die Menge von Wind- und Sonnenergie soll in Deutsch land weiter anwachsen, doch Wind- und Sonnenenergie zeichnen sich gerade hierzulande durch eine – jeweils – hohe Gleichzeitigkeit aus.

Somit stellt die Politik also immer mehr EEAnlagen in die immer gleichen meteorologischen Bedingungen, vor allem, solange sie am bisher i gen EE-Vergütungs prin zip festhält.

Der Wärmesektor wäre eine große und einfach zugängliche Senke für die sich daraus zunehmend ergebenden Stromspitzen.

Für eine effiziente Nutzung von Flexibilität, insbesondere durch Integration von Strom und Wärme, müssten die Stromverbraucher ihr Verbrauchsverhalten zu einem gegebenen Zeitpunkt ausschließlich vom aktuellen Gleichg ewichtspreis des Stromver brauchs abhängig machen. Alle anderen heute auf die kWh geschlüsselten Kosten – Netz, Um lagen, Steuern – haben aber mit dem Zeit punkt des Verbrauchs nichts zu tun und müss ten daher in anderer Form beglichen werden.

 

Mit einer solchen revolutionären Umgestaltung der Strompreissystematik würde die Politik dramatische Innovations- und Effizienzpotenziale freisetzen. Sie würde damit allerdings auch ihr liebgewonnenes Instrument der kWh-Umlage verlieren - politische Interventionen in den Markt müssten fortan also anders refinanziert werden. Und die Politik müsste erhebliche Verteilungs konflikte beim Übergang vom alten zum neuen Regime moderieren.

Eine solche Revolution ist daher kurzfristig wohl wenig wahrscheinlich. Länger fristig jedoch könnte sie unter dem Druck der Folgen des stetigen EE-Zu baus „alternativlos“ werden.

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