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25.10.2023 14:41 Alter: 1 year

Wärmeplanung für ganz Deutschland

„Ein kommunaler Wärmeplan wirkt als Routenplaner. Denn seine Ergebnisse und Handlungsvorschläge dienen mdem Stadt- oder Gemeinderat und den Ausführenden als Grundlage für die weitere Stadt- und Energieplanung.“


Dr.-Ing. Sven Killinger Geschäftsführer greenventory Foto: greenventory

Mit dem Wärmeplanungsgesetz werden die Bundesländer zur Erstellung von Wärmeplänen verpflichtet. Das Unternehmen greenventory GmbH aus Freiburg i. Br. hat sich auf die Inventarisierung und Optimierung von Energiesystemen spezialisiert und ist inzwischen ein gefragter Partner in Sachen kommunaler Wärmeplanung. Dr.-Ing. Sven Killinger, einer der drei Gründer und Geschäftsführer beleuchtet in einem Gastbeitrag für THEMEN!magazin aktuelle Anforderungen und Erfahrungen der praktischen Umsetzung einer Wärmeplanung am Beispiel der Stadt Schwäbisch-Hall.

Ziel einer kommunalen Wärmeplanung (kWP) ist es, für die Städte und Gemeinden eine ökologische, ökonomische, sozial verträgliche und versorgungssichere Wärmelösung als langfristige Perspektive darzustellen sowie Maßnahmen bzw. Umsetzungsoptionen zu benennen. Dabei ist ein Transformationspfad für eine kosteneffiziente, versorgungssichere, gesellschaftlich akzeptierte und klimafreundliche Wärmewende vor Ort zu entwerfen. Die Kommunale Wärmeplanung ist deshalb ein strategisches Planungsinstrument für die Wärmewende

Kommunaler Wärmeplan als Routenplaner

Ein kommunaler Wärmeplan umfasst vier wesentlicheElemente:

1. Bestandsanalyse:

Hier steht die Erhebung des aktuellen Wärmebedarfs und -verbrauchs und der darausresultierenden Treibhausgas-Emissionen, einschließlich Informationen zu den vorhandenen Gebäudetypenund den Baualtersklassen, der Versorgungsstrukturaus Gas- und Wärmenetzen, Heizzentralen und Speichern sowie Ermittlung der Beheizungsstruktur derWohn- und Nichtwohngebäude.

2. Potenzialanalyse:

Die Ermittlung der Potenzialezur Energieeinsparung für Raumwärme, Warmwasserund Prozesswärme in den Sektoren Haushalte, Gewerbe-Handel-Dienstleistungen, Industrie und öffentlichen Liegenschaften sowie die Erhebung der lokal verfügbaren Potenziale erneuerbarer Energien und Abwärmepotenziale sind wesentliche Basisinformationen.

3. Aufstellung Zielszenario:

Die Entwicklung eines
Szenarios zur Deckung des zukünftigen Wärmebedarfs
mit erneuerbaren Energien zur Erreichung einer klimaneutralen Wärmeversorgung ist Grundlage für weitere Planungslinien. Dazu gehört eine räumlich aufgelöste Beschreibung der dafür benötigten zukünftigen
Versorgungsstruktur im Jahr 2050 mit einem Zwischenziel für 2030. Dies gelingt durch die Ermittlung
von Eignungsgebieten für Wärmenetze und Einzelversorgung.

4. Wärmewendestrategie:

Hier geht es um die Formulierung eines Transformationspfads zur Umsetzung
des kommunalen Wärmeplanes: mit ausgearbeiteten
Maßnahmen, Umsetzungsprioritäten und Zeitplan für die
nächsten Jahre und einer Beschreibung möglicher Maßnahmen für die Erreichung der erforderlichen Energieeinsparung und den Aufbau der zukünftigen Energieversorgungsstruktur.

Der Prozess der kommunalen Wärmeplanung führt Potenziale und Bedarf systematisch zusammen. Auf diese Weise lassen sich Einsatzmöglichkeiten der Energiequellen im künftigen Energiesystem definieren und
lokal umsetzen. Bei der Einbindung des Wärmeplans in
die weiteren kommunalen Planungsaufgaben sollten
sich die Beteiligten der Wärme- und Stadtplanung regelmäßig abstimmen. Und während des gesamten Prozesses gilt es, die Inhalte anderer Vorhaben der Kommune, etwa die der Bauleit- oder Regionalplanung, zu
berücksichtigen.

Das Projekt Schwäbisch Hall

Baden-Württemberg hat die kommunale Wärmeplanung im Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz des Landes verankert. Bis Ende des Jahres 2023 ist ein kommunaler Wärmeplan für die 104 größten Kommunen in BadenWürttemberg somit Pflicht. Darunter fällt auch das 41.000 Einwohner zählende Schwäbisch Hall. Die Stadt hat den lokalen Energieversorger, die Stadtwerke Schwäbisch Hall, mit dem Anfertigen des Fahrplans zur Wärmewende beauftragt. Nun steht der kommunale Wärmeplan, der unter der Mitwirkung der Unternehmen greenventory und KWA Contracting entstanden ist, kurz vor dem Abschluss.

Quelle: greenventory

Die Abbildung zeigt den auf Gebäudeblockebene aggregierten Wärmebedarf und erlaubt dabei eine differenzierte Analyse der räumlichen Verteilung. Zusätzlich sind in Rottönen potentielle solarthermische Freiflächen, differenziert nach Eignung dargestellt. Eine bedarfsgerechte Planung wird auf ebensolchen Grundlagen ermöglicht.

Daten bilden die Grundlagen: die Bestands- und Potenzialanalyse

Am Anfang stand die Bestandsanalyse. Unterstützt durch die Nutzung der greenventory-Software wurden die Daten von insgesamt 13.000 Gebäuden verarbeitet und analysiert. Dies lieferte den Stadtwerken Schwäbisch Hall zwei entscheidende Vorteile: Zum einen produzierte die gezielte Nutzung von bereits bestehenden Datensätzen von Stadt, Netzversorger und Stadtwerken eine hohe Qualität der Datengrundlage. Zum anderen ermöglichte die Zusammenführung dieser Daten mit Energiemodellen, Geodaten und Statistiken von greenventory ein schnelles Arbeiten und eine Warmstartfähigkeit direkt beim Projektstart. Die Bestandsanalyse ergab für Schwäbisch Hall aktuell einen jährlichen Wärmebedarf von 517 Gigawattstunden (zu dem Wärmebedarf der einzelnen Stadtgebiete siehe Grafik). Davon entfallen 62 % auf Wohngebäude, 18 % auf den Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen, 13 % auf Industrie sowie 7 % auf öffentliche Bauten.

Erneuerbare und Abwärme wichtige Elemente

In einem weiteren Schritt erfolgte auf 105 Quadratkilometern die detaillierte Ermittlung aller lokal verfügbaren erneuerbaren Potenziale für eine dekarbonisierte Wärmeversorgung. Die Stadtwerke Schwäbisch Hall nutzen im Moment vorrangig Biomethan und Biogas für die Wärmeerzeugung im Fernwärmenetz. Durch die Datenanalysen wurden weitere Potenziale sichtbar: Allein oberflächennahe Flusswärmepumpen könnten bis zu 480 Gigawattstunden Wärme liefern. Auch das technische Potenzial von Photovoltaik-Freiflächenanlagen ist enorm. Im Wärmeplan wurden auch die Potenziale für industrielle Abwärme bei den Unternehmen analysiert. Diese Daten geben Unternehmen oft ungern preis. Der Aufwand lohnt sich jedoch. Ein Beispiel: Das geschätzte Potenzial der Abwärme eines Betriebes liegt bei 24 Gigawattstunden. Diese Wärmeleistung fließt in den kommunalen Wärmeplan ein und es gibt konkrete Gespräche über die direkte Integration ins Wärmenetz.

Ein Fazit

Kommunale Wärmeplanung heißt, keinen Wärmeplan auf Knopfdruck zu machen, sondern mit Zeit und Sorgfalt die individuellen Bedingungen vor Ort zu erkunden. Auch ist eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit allen Partnern erforderlich. Das hat in Schwäbisch Hall erfolgreich funktioniert. greenventory kombinierte die umfangreiche Datengrundlage der Stadtwerke mit Potenzialdaten, Geodaten und weiteren energietechnischen Informationen. Eine detaillierte Datengrundlage ermöglichte die Identifikation neuer, unbekannter Abwärmepotenziale sowie eine transparente Darstellung aller erneuerbaren Potenziale. Sie bietet so eine solide Grundlage für die Fortschreibung des kommunalen Wärmeplans – spätestens sieben Jahre nach der Veröffentlichung ist dies vorgeschrieben.

 

www.greenventory.de