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Von EU RCE/CER zum Kritis Dachgesetz - Was ist zu tun?
„Das Kritis-DachG ist zwar wichtig für die Stärkung der Resilienz in den kritischen Infrastrukturen, nicht aber das erhoffte Dach.“
Der Schutz kritischer Infrastrukturen im Energiesektor ist seit langem ein Thema. Am 6. November hat das Bundeskabinett nach langen Ringen das Kritis-Dachgesetz (Kritis -DachG) beschlossen. Was steckt hinter dem Kritis-DachG und was steht jetzt auf der Aufgabenliste der Verantwortlichen in der deutschen Energiewirtschaft? Maik Neubauer, Partner Energy & Critical Infrastructures bei Axxcon Management Consultants in einem Gastbeitrag für THEMEN!magazin.
Worum geht es?
Das KRITIS-Dachgesetz soll den rechtlichen Rahmen für den physischen Schutz kritischer Infrastrukturen in Deutschland stärken. Dazu zählen Unternehmen aus den Bereichen Energie, Wasser, Ernährung, Abfallentsorgung, Informations- und Kommunikationstechnik, Gesundheit sowie Finanzen und Verkehr. Durch die weite Fassung der betroffenen Sektoren fallen in Deutschland faktisch alle großen Energieversorger, Stadtwerke, Gesellschaften im Strom-, sowie Gas-Transport- und Verteilnetz aber auch wesentliche Energiedienstleister und Speicherbetreiber unter das Kritis-DachG sowie die noch folgenden Umsetzungsakte. Ziel ist sowohl die Abwehr von Naturgefahren als auch der Schutz vor menschlichen Gefährdungen wie etwa Sabotage oder terroristischen Anschlägen. Die „Betreiber kritischer Anlagen“ müssen auf Basis von Risikoanalysen sogenannte Resilienzpläne erarbeiten und „geeignete und verhältnismäßige“ Maßnahmen umsetzen.
Die Kernelemente des zu initiierenden betrieblichen Resilienzmanagements sind:
• Einrichtung eines betrieblichen Risikound Krisenmanagements
• Durchführung von Risikoanalysen und -bewertungen
• Erstellung von Resilienzplänen
• Umsetzung geeigneter Maßnahmen
(technisch, personell, organisatorisch).
Das neue Gesetz verpflichtet Betreiber Kritischer Anlagen, Resilienzpläne im Rahmen der betrieblichen Gesamtresilienzstrategie zu erstellen. Diese sind in einem zwischen BBK und BSI (Bundesamt für Bevölkerungsschutz) und BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) abgestimmten Zeitraum ab der Registrierung erstmalig zu erstellen und im Anschluss daran gegenüber dem BBK zweijährlich nachzuweisen. Diese Verpflichtung greift mit Ablauf der derzeit bekannten Umsetzungsfristen spätestens ab 17.07.2026.
Neue Resilienzpflichten für Kritis Betreiber
Um den Vollzug des Gesetzes zu erleichtern, müssen sich die Betreiber innerhalb von 3 Monaten registrieren und eine Kontaktstelle einrichten. Die interne Etablierung, Dokumentation und kontinuierliche Verbesserung und Anpassung von Resilienzmaßnahmen ist der wesentliche Kerninhalt des neuen Gesetzes. Hier liegt der Fokus insbesondere auf der Implementierung physischer Schutzmaßnahmen (z. B. um den Schutz gegen Störung von Infrastruktur und Betriebsabläufen zu maximieren). Die Resilienzmaßnahmen werden mit den bereits initiierten Maßnahmen zur digitalen Gefahrenabwehr eng verzahnt.
Alle Resilienzmaßnahmen müssen in sogenannten Business Continuity Management Systemen (BCMS) organisiert und verankert werden. Diese Maßnahmen sollten an bereits vorhandene BCM-Systeme, Dokumentationen und Prozesse angelehnt werden und sollen auf Basis entsprechender ISO Standards, z. B. ISO 22301 oder ISO 22361 zertifiziert werden. Eine Synchronisation mit anderen Managementsystemen (z. B. ISMS gemäß ISO 27001, den BSI-Standards oder allgemeinen Governance-, Compliance- und Riskmanagementsystemen) ist angeraten, um der Geschäftsführung ein umfangreiches Kontroll- und Aktionsinstrumentarium an die Hand zu geben. Das Resilienz-Management fungiert als übergeordnetes Compliancerahmenwerk. Es orchestriert alle an der betrieblichen Gesamtresilienzstrategie beteiligten Organisationseinheiten und Managementsysteme. Wesentliche andere Handlungsfelder umfassen Prozesses für die Risikoanalyse, verschärfte Meldepflichten, umfangreiche Dokumentations- und Nachweispflichten der eingeführten Resilienzmaßnahmen und regelmäßige Auditverpflichtungen.
Neue Resilienzpflichten für Kritis-Betreiber (Übersicht) Bis zum 17. Oktober 2024 sollte Deutschland die EURichtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen in nationales Recht umgesetzt haben. Diese Pflicht soll das KRITIS-Dachgesetz übernehmen. Das KRITIS-Dachgesetz basiert auf der EU RCEDirektive, bzw. die CER Richtlinie (EU 2022/2557) die seit 2020 bekannt und 2022 verabschiedet wurde. Die CER Richtlinie löst die Richtlinie über kritische europäische Infrastrukturen aus dem Jahr 2008 ab.
Erhebliche Verantwortung für die Geschäftsführung
Durch das Kritis-DachG wird insbesondere die Geschäftsführung in die Verpflichtung genommen die Maßnahmen entsprechend und umfänglich nach §13 (1) umzusetzen und die Implementierung durch geeignete Organisationsmaßnahmen nach §20(1) sicherzustellen. Bei Missachtung droht ein Bußgeld von bis zu einer Million Euro. Darüber hinaus sind die Geschäftsführer verpflichtet, die Umsetzung der Maßnahmen zu überwachen – und haften bei einem Verstoß gegen diese Pflicht mit ihrem Privatvermögen. Auch Aufsichtsräte sollten die Umsetzung des Gesetzes in ihren Überwachungsauftrag integrieren.
Gesetzgebungsverfahren, Aufwand und Nachbesserungen - Wie geht es weiter?
Aus der Umsetzung des KRITIS-DachG ergeben sich erhebliche Belastungen für die deutsche Wirtschaft. Der Gesetzgeber geht von 1.300 Betreibern kritischer Anlagen aus, die Nachholbedarf in physischer Resilienz haben. Im aktuellen Gesetzesentwurf von November 2024 wird ein einmaliger “Belastungsrichtwert” von 1,7 Mrd. EUR und eine jährliche Belastung von 500 Mio. EUR für die Wirtschaft geschätzt, ohne weitere Details anzugeben.
Für die Energiewirtschaft ist positiv, dass der Regierungsentwurf das Nachweisverfahren der bestehenden Sicherheitskataloge der BNetzA für die KRITIS-DachG Verpflichtungen anerkennen wird. Dafür hatte sich auch der BDEW eingesetzt. Das Fortschreiben des bewährten Verfahrens wird zu einer optimierten Verzahnung von KRITIS-DachG und NIS-2-Umsetzungsgesetz beitragen.
Auch wenn das Kritis-DachG ein wichtiger Bestandteil zur Stärkung der Resilienz in den kritischen Infrastrukturen darstellt, fehlt noch einiges, um Deutschland nachhaltig gegen Umweltkatastrophen und mutwillige Beschädigungen an kritischen Infrastrukturen zu schützen. Allgemein verfügbare Daten, z. B. die detaillierten Informationen über Erneuerbare Anlagen im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur oder allgemeine Daten über Energienetze bieten sogar eine zusätzliche Missbrauchsbasis, um das Energiesystem in Deutschland empfindlich zu stören. Hier muss dringend in enger Abstimmung zwischen allen Beteiligten nachjustiert werden.
Nun muss das weitere Gesetzgebungsverfahren zügig vonstatten gehen, damit das KRITIS-DachG noch vor dem Ende der Legislatur in Kraft treten kann. Letzteres ist durch die aktuelle Regierungslage allerdings mehr als in Frage gestellt.