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Vom Spezialisten zum Generalisten – ein Quantensprung
Wer zum Geschäftsführer befördert wird, hat ein großes Karriereziel im Leben erreicht. Doch mit der neuen Aufgabe geht auch eine höhere Verantwortung in einer neuen Rolle einher, die neue Sicht- und Denkweisen aus einer veränderten Perspektive erforderlich machen. Ein Gastbeitrag von Dr. Ralf Biele, Senior Director Board & Executive Mercuri Urval.
Geschafft! Das denken viele, wenn sie die Berufung auf die Position eines Geschäftsführers mit der Gesamtverantwortung für alle Bereiche eines Unternehmens erhalten. Denn es ist immer noch ein entscheidender Karriereschritt, auf den die Kandidaten oft Jahre hingearbeitet haben. Während sie dies zu Recht entsprechend feiern, sollten sie gleichzeitig bedenken, dass sie damit nicht am Ziel, sondern am Start zu etwas Neuem sind. Wer auf der neuen Position nachhaltig erfolgreich sein will, muss sich nämlich als Führungskraft selbst neu definieren. Gerade der Aufstieg eines Managers innerhalb des Unternehmens stellt diesen vor die Herausforderung, die eigene Rolle und Perspektive zu wechseln. Denn es geht nicht länger darum, die Interessen der eigenen Sparte oder Abteilung innerhalb des Unternehmens zu verfolgen, sondern das Zusammenspiel und den Erfolg aller Führungskräfte zu managen.
Die Gesamtverantwortung erkennen
Zu der neuen Rolle als Geschäftsführer gehört daher die Einsicht, dass es nicht ausreicht, sich nur auf die bestehenden Erfahrungen und das Wissen aus der eigenen Spezialdisziplin zu verlassen. Vielmehr ist es notwendig, in der Gesamtverantwortung zeitnah genügend Wissen über alle Aufgabenbereiche des Unternehmens zu erlangen, so dass Entscheidungen getroffen werden können und die Tätigkeit der geführten Manager beurteilt werden kann.
Dieser Schritt vom Spezialisten zum Generalisten ist die eigentliche Hürde, die es auf dem Weg zu einem erfolgreichen Geschäftsführer zu bewältigen gilt. Nicht wenige Kandidaten scheitern an der Komplexität ihrer neuen Aufgabe oder befassen sich lieber weiter intensiv mit ihrem vertrauten Spezialgebiet, statt sich der Herausforderung zu stellen, sich in neue Bereiche einzuarbeiten und von den untergebenen Spezialisten zu lernen.
So treibt der ehemalige Vertriebsleiter und heutige Geschäftsführer beispielsweise die Entwicklung des Customer Relation Managementprogramms weiter persönlich voran und vernachlässigt relevante Aufgaben im Netzbetrieb. Mit der Konsequenz, dass der neue Vertriebsleiter in seinem Handlungs- und Kompetenzspielraum eingeschränkt wird und neue Ideen oder Verbesserungen beim Asset- Management auf der Strecke bleiben.
Spannungsfeld strategischer und operativer Aufgaben
Im Grunde genommen sind die Aufgaben eines Geschäftsführers im Spannungsfeld zwischen strategischen und operativen Aufgaben auch zukünftig unverändert. Strategien müssen formuliert und implementiert, gleichzeitig aber eine steigende Zahl von Stakeholdern gemanagt und das Tagesgeschäft im Griff behalten werden. Dies geschieht in einem Umfeld, in dem technische und gesellschaftliche Entwicklungen wie Digitalisierung und Globalisierung erheblich an Dynamik gewinnen und damit die Anforderungen an Unternehmen und ihre Führungskräfte weiter erhöhen. Für Mitarbeiter und Führungskräfte verwischen die Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben durch die permanente Verfügbarkeit zunehmend, gleichzeitig steigt auch das Anspruchsniveau der Mitarbeiter an ihre Aufgaben. Werden Bedürfnisse nach neuen Arbeitsformen oder flachen Hierarchien nicht erfüllt, verlassen Mitarbeiter schneller ihren Arbeitsplatz als früher.
Vom Problemlöser zum Themensetzer
Häufig ist die Karriereentwicklung von Führungskräften ins Top Management davon geprägt, dass sie gesetzte Aufgabenstellungen erfolgreich gelöst und vorab definierte Ziele erreicht haben. Sie waren Umsetzer oder Problemlöser ihres bisherigen Chefs, der sie im ungünstigsten Fall nicht in den Gesamtrahmen seiner eigenen Zielerreichung eingebunden hat. In der Rolle des Geschäftsführers sind sie gefordert, sich von Problemlösern zu Themensetzern zu entwickeln und die notwendige Gesamtarchitektur für das Unternehmen gemeinsam mit ihren Führungskräften zu erarbeiten. Dabei sind der umfassende Blick auf die Unternehmensstruktur, die Prozesse die darin ablaufen und notwendige Qualifikationen der Manager ebenso wichtig wie das Verständnis, dass diese Aspekte systemisch miteinander verbunden sind.
Die Transformation der Geschäftsmodelle in der Energiewirtschaft ist ein gutes Beispiel für diesen komplexen Wandel. Möchte ein Unternehmen zum Beispiel seine Schwerpunktsetzung zwischen B2C und B2B Kunden ändern, so hat dies Auswirkungen auf Energieeinkauf, Vertragsmanagement, Abrechnung, IT, Key-Account-Management usw. und damit auf das gesamte Unternehmen. Für jedes Thema muss geprüft werden, ob die internen Ressourcen vorhanden sind oder zeitnah aufgebaut werden müssen. Fehlt ein wichtiges Element im System steht der Erfolg des gesamten Geschäftsmodells in Frage.
Der Sprung ins Rampenlicht
Mit der neuen Aufgabe als Geschäftsführer geht schließlich auch eine erhöhte Aufmerksamkeit einher. Der Sprung ins Rampenlicht ist ein Teil der Herausforderung Geschäftsführer zu sein. Strategien und Visionen zu entwickeln ist das eine, sie zu kommunizieren und als Vorbild mit Leben zu erfüllen, das andere. Die internen Akteure schauen immer auf den Hauptverantwortlichen, um Hinweise für das „richtige“ Verhalten zu erhalten. Je weiter man also auf der Karriereleiter vorankommt, desto größer ist die Vorbildfunktion. Deshalb ist es umso wichtiger, die eigene Wirkungsweise zu kennen und bewusst einzusetzen, um Ziele zu erreichen. Das vielbeschworene Feedback kann nicht ausschließlich mehr der Gradmesser des Handelns sein.
Moderne Führungskräfte stehen deshalb vor der Herausforderung, die zunehmende Komplexität und Dynamik sowie die Anforderungen der folgenden Mitarbeitergenerationen anzunehmen und bei ihrer Führung zu berücksichtigen. Dazu gehört die Bereitschaft, sich permanent zu hinterfragen und das eigene Verhalten zu korrigieren, wenn es nötig ist. Denn was gestern erfolgreich war, kann morgen zum Scheitern führen. Unternehmen sollten bei der Besetzung von Führungspositionen daher vermehrt auf die Potenzialanstelle der Profilbeurteilung achten.
Kooperation statt Konkurrenz
In einem zunehmend unsicheren Umfeld einen klaren Kopf zu behalten und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, ist ein zentraler Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Führungskraft von morgen. Um das zu schaffen, müssen vermehrt Aufgaben und die dazugehörige Verantwortung delegiert werden. Das bedeutet, die Mitarbeiter in den untergeordneten Führungsebenen zu inspirieren und durch entsprechende Unterstützung zu befähigen, eigene Lösungen zu entwickeln anstatt auf Vorgaben von oben zu warten.
Die Erfolge der Untergebenen sich nicht an die eigene Brust zu heften, sondern Situationen zu schaffen, bei denen alle im Unternehmen gewinnen und ihre Leistung anerkannt wissen, wird für das Binden von Mitarbeitern weiter an Bedeutung gewinnen. Kooperation statt Konkurrenz zeichnet den Führungsstil der Zukunft aus – das gilt insbesondere für die Manager an der Spitze von innovativen Energieunternehmen.
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