Nachricht

< Verpflichtende Direktvermarktung für alle
23.06.2014 12:00 Alter: 10 yrs

Verteilnetzebene und Einsatz innovativer Netzbetriebsmittel

Die Weiterentwicklung der Stromverteilnetze ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg der Energiewende.


Am Beispiel zentraler Ergebnisse der dena-Studie „Ausbau und Innovationsbedarf der Stromverteilnetze in Deutschland bis 2030“ informierte Annegret-Cl. Agricola, Bereichsleiterin Energiesysteme und Energiedienstleistungen (dena) auf der 18. EUROFORUM-Jahrestagung Stadtwerke 2014 in Berlin über Netzeinsparpotentiale und innovative Betriebsmittel. Im Gespräch beleuchtet sie einige Themenpunkte der Studie.

Frau Agricola, hat die Energiewende jetzt auch die Verteilnetzebene erreicht?

In der energiewirtschaftlichen Debatte lag der Fokus in der Vergangenheit auf den Übertragungsnetzen. Strom wurde in Großkraft werken erzeugt, in die Höchst- und Hochspannungs ebene eingespeist und über die Verteilnetze an den Endkunden weitergegeben. Heute wird Strom in Deutschland zunehmend dezentral aus erneuerbaren Energien (EE) gewonnen und auf der Verteilnetz ebene bereitgestellt. Erneuerbare Energien sind heute zu ca. 97 Prozent auf den Verteilnetzebenen angeschlossen und zusätzliche Herausforderungen entstehen bei der Integra tion von EE in die Strom verteil netze. Die stetig wachsende EEErzeu gungs leistung auf Verteilnetzebene führt zu einer Reihe von Herausforderungen in diesen Bereichen. Dazu zählen z. B. Rückspeisungen in höhere Netzebenen (bidirektionale Lastflüsse), stark wechselnde Last- und Erzeugungssituationen und hohe Last gradienten, erhöhter Bedarf an Regelleistung aufgrund von Prognose ungenauigkeiten der EE sowie erhöhter Blindleistungsbedarf wegen steigender fluktuierender Einspeisung und erhöhter Verkabelung. Zugleich erleben wir sinkende Anteile konventioneller Kraft werke, die aber auf absehbare Zeit noch wichtige Aufgaben des Systembetriebs übernehmen müssen.

Welche Zielsetzung hatte die dena-Verteilnetzstudie?

Die Zielsetzung war klar umrissen: Ermittlung des Netzaus- und Netzumbaubedarfs in den deutschen Stromverteilnetzen bis 2030 unter Berücksichtigung realer Netzdaten. Dazu zählt die Analyse alternativer Konzepte zur Reduktion des zu erwartenden Netzaus- und Netzumbaubedarfs, der Einsatz innovativer Betriebsmittel, dezentraler Speicher etc. sowie die Analyse und Beurteilung des aktuell gültigen regulatorischen Rahmens. Aus volkswirtschaftlicher Betrachtung stand auch die Vermeidung des Netzaus- und Netzumbau bedarfs auf der Agenda, mit Blick auf den Einsatz von innovativen Betriebs mitteln, die den aktuellen Stand der Technik übertreffen.

Gibt es eine übergreifende Erkenntnis aus der Untersuchung?

Im Ergebnis der Unter suchung zeigt sich ein großes Potenzial zur Reduktion des Investi tionsbedarfs in die Verteilnetze durch den Einsatz innovativer Netzbetriebsmittel in den einzelnen Spannungsebenen. Hier gilt es projektspezifisch zu prüfen, ob auch unter Berücksichtigung der Vollkosten innovativer Betriebsmittel diese Vorteile erschlossen werden können. Die Ergebnisse der Studie bestätigen die aktuelle Diskussion, wonach Strom verteilnetzbetreiber mit hohem Investi tions bedarf nicht die von der Regulierung angestrebte Rendite erhalten. Regulatorische Rah men be dingungen sind nicht auskömmlich und daher anzupassen. Die Anpassung der ARegV für die 110 kV-Ebene ist inzwischen in 2013 erfolgt.

Was sagt die dena zu Smart Meter in den Stromverteilnetzen?

Beim Thema Smart Metering muss man die Anwendungsfelder und Nutzenerwartungen sehen. Und die vier generellen Wirkungsfelder: den Strommarkt, das Messwesen, den Netzbetrieb sowie den Endverbraucher. Bereits mit dem 3. EU-Binnenmarktpaket (2009/72/) wurde auf den verpflichtenden Einbau von Smart Metern in allen EU-Mitgliedsstaaten orientiert, falls die KostenNutzen-Analyse (KNA) positiv ist. Mit dem Ziel, 80 Prozent der Verbraucher bis 2020 mit Smart Metern auszustatten. Eine Fort schreibung erfolgte mit der EU-Energie effizienzrichtlinie (2012/27/EU) und der Festlegung, dass Zähler den tatsächlichen Ver brauch und die exakte Nutzungszeit feststellen müssen. In Deutschland muss über die Umsetzung der Smart Metering Vorgaben des 3. EU-Binnenmarktpakets noch entschieden werden. Die im Auftrag des Bundeswirtschafts ministeriums erstellte und im Sommer 2013 veröffentlichte Studie zur Kosten-Nutzen-Analyse des Smart Metering Rollout zeigt jedoch, dass der Kapitalwert für das „80 Prozent Smart Meter Szenario“ im Ergebnis negativ ist; ein RolloutSzenario Plus wurde deshalb als Alternative vorgeschlagen.

Es gibt auch eine dena-Smart-Meter-Studie?

Die dena erstellt zurzeit unter Beteiligung von 11 Verteilnetzbetreibern und mehreren For schungspartnern eine Studie, die einen deutschlandweiten Smart Meter Rollout entsprechend des Rollout-Szenarios Plus untersucht. Unsere denaSmart-Meter-Studie ist eine sinnvolle Ergänzung zur Kosten-Nutzen-Analyse (KNA) des BMWi, denn dort bleibt die Heterogenität der nationalen Netzbetreiber bzw. deren angegliederten Messstellen be trieben unbeachtet. Die BMWi-KNA setzt volkswirtschaftliche Herausforderungen eines flächendeckenden Rollout von intelligenten Zählern (iZ) und intelligenten Messsystemen (iMSys) für verschiedene Stakeholder in das Blickfeld, während die dena-Smart-Meter-Studie als wichtig für die Netzbetreiber die betriebswirtschaftlichen Heraus forderungen eines flächendeckenden Rollout von iZ und iMSys und deren unmittelbaren Nutzen (wie Reduzierung des Netzausbaus und Netzumbaus) betrachtet. Ziel unserer Studie ist es u. a. einen wesentlichen Input zur sachgerechten Ausgestaltung eines Finanzierungsmechanismus zu liefern. Und die Vorbereitung der Netzbetreiber auf den Rollout von Smart Meter-Technologie zu unterstützen sowie zur Klärung der Rahmen bedingungen und der Kosten für die operative Umsetzung eines Rollouts beizutragen. Schwerpunkt ist hierbei die Bewertung mikroökonomischer Herausforderungen in Ab hän gigkeit der Größe, geographischen Lage und Organisationsstruktur sowie daraus abgeleitet die Entwicklung von Handlungs optionen für den Rollout von Smart Metern.

Variantenrechnung zum Investitionsbedarf. Ein großes Netzpotential besteht durch den Einsatz innovativer Netzbetriebsmittel.

Welches Fazit können Sie ziehen?

Verteilnetze sind auch in Zukunft für den Erfolg der Energiewende entscheidend, weil der Großteil der EE auf dieser Netzebene einspeist und integriert werden muss. Die bestehenden Verteilnetze müssen dringend modernisiert und erweitert werden, um neben der EE-Integration vor allem Versorgungssicherheit und einen stabilen Systembetrieb auf allen Netzebenen zu gewährleisten. Zudem gilt es Stromeffizienzpotenziale zu erschließen sowie moderne Energiedienstleistungen wie Demand Side Management (DSM) zu ermöglichen und zu fördern. Und es werden Investitionsanreize in der Regulierung benötigt, um die Stromverteilnetze zu modernen und zukunftsweisenden Smart Grids umzugestalten.

www.dena.de