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Versorgungssicherheit, Wachstum und Nachhaltigkeit zusammenbringen
„Die künftige Bundesregierung muss nach der Wahl den Markthochlauf CO2-neutraler flüssiger und gasförmiger Energieträger sowie Grundstoffe auf den Weg bringen.“
Die Bundestagswahl liegt hinter uns – und damit sind für dieses Jahr auch viele wichtige politische Weichenstellungen zu erwarten. Gleichzeitig steht die Wirtschaft, stehen die Unternehmen am Standort Deutschland vor großen Herausforderungen – auch, aber nicht nur im Hinblick auf die Energiewende. Eine Wortmeldung für THEMEN!magazin von Felix Faber, Vorstandsvorsitzender des en2x Wirtschaftsverband Fuels und Energie e.V.
- Abb. 1: Strom deckt derzeit lediglich gut 20 Prozent des Endenergiebedarfs in Deutschland ab. Den großen Rest tragen vor allem Moleküle bei. In den anderen EU-Ländern sieht es ähnlich aus. Grafik: en2x
Im Jahr 2024 trugen Erneuerbare Energien mit einem Anteil von 55 % zur Stromversorgung bei. Die zunehmende Elektrifizierung und der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung hierzulande sind essenzielle Elemente der Energiewende und unabdingbar für das Erreichen der Klimaziele. Daran ist auch unsere Branche substanziell beteiligt.
Energieunternehmen aus der bisherigen Mineralölbranche sind beim Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektromobilität bereits seit Jahren sehr aktiv. Das betrifft nicht nur Tankstellen, sondern auch Supermärkte, Parkhäuser und kommunale Flächen. Allein an Tankstellen investierte die Branche bisher mehr als 300 Mio Euro in Maßnahmen zum Aufbau von Schnellladesäulen – ohne dass man sie dazu verpflichtet hat. Ein Weg, den wir gern weitergehen. Aber ohne Verpflichtungen und auch mit möglichst weniger Bürokratie!
Auch in anderen Bereichen schreitet die Elektrifizierung voran – zum Beispiel durch Wärmepumpen in Gebäuden oder die Umstellung auf strombasierte Prozesse im verarbeitenden Gewerbe. Doch um die Klimaziele zu erfüllen, die sich Deutschland und Europa gesetzt haben, reicht das bei weitem nicht aus.
Es braucht Moleküle
Denn Strom deckt derzeit nur gut 20 % des Endenergiebedarfs in Deutschland – Strom aus Erneuerbaren insofern gut 10 %. Die übrigen 80 % des deutschen Endenergiebedarfes werden vor allem durch Moleküle gedeckt – bevorzugt durch Kohlenwasserstoffe auf Basis von Gas oder Öl und wenig Kohle. Öl ist mit einem Anteil von 37 % am gesamten Primärenergieverbrauch immer noch der wichtigste Energieträger hierzulande: Das zeigt, welche Bedeutung unsere Branche hat – und wie elementar wichtig die Molekülwende ist.
Nehmen wir an, dass durch Effizienzsteigerung und voranschreitende Elektrifizierung zukünftig vielleicht 50 % des Endenergiebedarfs durch Strom gedeckt werden könnten, dann werden immer noch signifikante Mengen – wir reden hier von Millionen Tonnen – grüner Moleküle zur Produktion chemischer Grundstoffe, aber auch zur erneuerbaren Kraft- und Brennstoffversorgung benötigt.
„Grüne Moleküle“ – was meinen wir damit? Nun, damit sind biobasierte Kohlenwasserstoffe genauso gemeint wie Wasserstoff und dessen Derivate, wie Ammoniak und Methanol, die häufig in politischen Debatten genannt werden, aber auch alle anderen Kohlenwasserstoffe aus nicht-fossilen Quellen.
Wer „liefert“ die Moleküle?
Wir müssen uns jetzt Gedanken machen, wo die benötigten Mengen dieser Moleküle zukünftig herkommen sollen und wie die entsprechenden Märkte entwickelt werden können.
Es ist unstrittig, dass Verkehrsbereiche wie Luft- und Schifffahrt auch künftig in großem Umfang auf flüssige oder gasförmige Energieträger angewiesen sein werden. Grüne Moleküle müssen darüber hinaus zur Defossilisierung des Kraft- und Brennstoffverbrauchs durch die großen Bestände an Fahrzeugen und Heizungen genutzt werden, um die Klimaziele zu erreichen. Das gilt ebenso für Landwirtschaft, Feuerwehr, Katastrophenschutz und Militär. Nur ein Beispiel: Es gibt in Deutschland mehr als zwei Millionen Zugmaschinen, insbesondere in der Forstund Landwirtschaft! Gerade für eine resiliente, krisensichere Versorgung brauchen wir gut speicherbare aber auch flexibel einsetzbare Energieträger.
Kohlenwasserstoffe sind unverzichtbar
Die vielfältigen Anforderungen können heute und auf absehbare Zeit wahrscheinlich am besten Kohlenwasserstoffe abdecken. Insbesondere flüssige Kohlenwasserstoffe sind aufgrund ihrer hohen Energiedichte und guten Lagerbarkeit für viele Anwendungen besonders geeignet. Zudem brauchen wir Kohlenwasserstoffe für die stoffliche Nutzung – etwa in der Chemie- und Baustoffindustrie. Dort sind sie Teil wichtiger Wertschöpfungsketten.
Zurzeit nutzen wir für all das vor allem Produkte aus fossilem Öl und Gas. Für diese fossilen Rohstoffe brauchen wir Ersatz. Das bedeutet: Kohlenstoffarm und CO₂-neutral hergestellter Wasserstoff sowie synthetische und nachhaltige biogene oder recycelte Energieträger und Produkte müssen fossiles Öl und Gas ersetzen. Das ist die Molekülwende.
Solche alternativen Moleküle stehen nicht in Konkurrenz zum Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung und einer sinnvollen Elektrifizierung. Wir brauchen beides, um eine künftige klimaschonende Energieversorgung sicherzustellen.
Deutschland importiert derzeit rund 70 % der genutzten Energie. Dieser Anteil lässt sich durch erneuerbaren Strom aus heimischen Wind- und Solaranlagen und inländischen biogenen Quellen bei weitem nicht ersetzen. Wir werden also weiterhin ein großes Energieimportland bleiben – und auch das spricht für CO2-neutrale Moleküle: Denn der Leitungstransport von Strom über große Entfernungen ist technisch begrenzt, während es für den Langstreckentransport und die Speicherung von Flüssigkeiten und Gasen bereits heute eine bewährte, flexible Infrastruktur gibt. So könnten wir zum Beispiel klimaschonende Rohstoffe oder Vorprodukte aus der ganzen Welt zu Weltmarktpreisen importieren und hierzulande weiterverarbeiten.
Keine Reduzierung auf Wasserstoff
- Abb. 2: Alternative Moleküle können in vielen Bereichen fossile Produkte ersetzen. Grafik: en2x
Uns ist der Hinweis wichtig, die Molekülwende nicht allein auf Wasserstoff zu reduzieren. Die Frage, wie wir den Kohlenstoffbedarf unserer Wirtschaft künftig decken können, ist ebenfalls zu klären. Neben einer langfristigen Wasserstoffstrategie braucht es mithin auch eine gut durchdachte Kohlenstoff- bzw. Carbon Management Strategie. (siehe Abb. 2)
Um die Molekülwende in Deutschland voranzubringen, haben das BMWK und unsere Branche in den vergangenen Monaten einen Dialog zur Transformation der Mineralölwirtschaft gestartet. In vielen Einzelgesprächen mit den Unternehmen unseres Verbandes wurde analysiert, was genau gebraucht wird, damit diese Transformation in der Breite in Gang gesetzt und unterstützt werden kann. Immer wieder ging es dabei um eine möglichst konkrete Ausformulierung von transformativen Rahmenbedingungen.
Gerade in herausfordernden Zeiten des Umbruchs ist „Dialog“ – also miteinander in das Gespräch kommen – enorm wichtig. Und es geht dabei ja nicht allein um die Zukunft unserer Unternehmen und unserer Branche, sondern auch um die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland.
Den Dialog fortsetzen
Unser Dialog ist noch nicht zu Ende. Im Grunde genommen geht es jetzt erst richtig los. Denn jetzt geht es an die Umsetzung. Die Schaffung transformativer Rahmenbedingungen ist Kernaufgabe der Politik. Die Analysen unseres Verbandes haben gezeigt: Die Notwendigkeit der Molekülwende wird vielen politischen Akteuren immer stärker bewusst.
Unsere Analysen haben aber auch gezeigt, dass dies in den aktuellen Wahlprogrammen noch nicht ausreichend Berücksichtigung gefunden hat. Hier ist die neue Bundesregierung gefragt.
Appell an Politik
Unser Appell an die Politik: Unterschätzen Sie die Notwendigkeit und den Umfang der Molekülwende nicht. Es geht nicht nur um einzelne Anwendungsbereiche. Es geht um die Transformation der Energie- und Rohstoffversorgung unseres Landes. Es geht um den Erhalt wichtiger Wertschöpfungsketten. Es geht um die Versorgungssicherheit. Und es geht darum, Investitionen nach Deutschland zu holen. Investitionen, die anderswo getätigt werden, wenn die Voraussetzungen bei uns nicht gut genug sind!
Was wir brauchen, was wir uns wünschen, ist ein Paket an Maßnahmen,
welches unsere Standorte hier in Deutschland für Investitionen in die Herstellung klimaschonender Produkte attraktiv macht und auch einem globalen Wettbewerb um knappe Investitionsmittel gerecht wird.
Dazu gehören zum Beispiel:
Für all das und mehr brauchen wir klare Zuständigkeiten sowie zeitnahe und praktikable Lösungen. Für die künftige Bundesregierung wird da einiges zu tun sein. Aber sie kann auf der Arbeit aufbauen, die bisher auch von unseren Branchenunternehmen in den Transformationsdialog investiert wurde.