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Verlieren sich Netzstabilität und Versorgungssicherheit?
Als multifunktionale Kraftwerke haben Pumpspeicher einen hohen Nutzen für die Energiewende. Ein aktuelles Ergebnispapier der dena-Plattform „Pumpspeicherwerke – Partner der Energiewende“ bestätigt, Pumpspeicherwerke sind weiterhin unverzichtbar für Netzstabilität und Versorgungssicherheit. Doch ihre Wirtschaftlichkeit wird im Zuge der Energiewende in Frage gestellt. Einige Energieversorger in Österreich versetzt dies in Unruhe, handelt es sich doch um eine Form der regenerativen Stromerzeugung. Wer zum Teufel braucht schon Netzstabilität und Versorgungssicherheit? fragt deshalb Manfred Freitag, Vorstand der KELAG-Kärntner Elektrizitäts AG in seinem Gastbeitrag. Die KELAG steht in einer nachhaltigen Partnerschaft mit der RWE AG.
Die Unternehmen der Elektrizitätswirtschaft in Deutschland und Österreich im Speziellen befinden sich in einem Spannungsdreieck, das man auch als Trilemma bezeichnen kann. Erstens gibt es die verbindlichen klima- und energiepolitischen Vorgaben, Strom möglichst sauber aus regenerativer Energie zu erzeugen. Zweitens wollen die Kunden für das Produkt Strom angemessene Preise bezahlen und drittens erwarten sich alle – Kunden und Politik – die Aufrechterhaltung der selbstverständlich gewordenen Versorgungssicherheit, über die aber kaum jemand spricht. Dieses Trilemma bedeutet gewaltige Herausforderungen für die Elektrizitätswirtschaft und einen bislang nicht gekannten Umbruch.
Wohin geht die Reise?
Umbrüche beziehungsweise gravierende Veränderungen in vernetzten, historisch gewachsenen Systemen sollten nie abrupt erfolgen. Das System der Elektrizitätswirtschaft bringen aber Eingriffe von außen – politische Vorgaben, Förderregimes – an seine Grenzen. Alle Marktteilnehmer in den Segmenten Erzeugung, Verteilung und Vertrieb müssen unter den stark veränderten Rahmenbedingungen neue Geschäftsmodelle entwickeln. Stabile und über Jahrzehnte ausgereifte Erzeugungstechnologien, gewachsen auf Grund topografischer, geografischer, meteorologischer aber auch kultureller Gegebenheiten, stehen heute in Konkurrenz zu neuen geförderten Erzeugungskapazitäten. Die politisch gewünschte Energiewende treibt die Unternehmen unserer Branche in einen Paradigmenwechsel. Offen ist jedoch, wohin die Reise tatsächlich geht. Der Mix von verschiedenen Erzeugungsanlagen ist nicht mehr ausgewogen, die ökonomische Schieflage in der Erzeugung birgt nicht zu unterschätzende Risiken für die Versorgungssicherheit, auch wenn das viele nicht hören wollen.
Pumpspeicherkraftwerke nicht in Frage stellen
Mit heutigem Wissensstand wird kaum ein Kenner der Materie die technische Notwendigkeit von Pumpspeicherkraftwerken in Frage stellen. Pumpspeicher sind derzeit die einzige großindustriell eingesetzte Technologie, die über mehrere Möglichkeiten zur Bereitstellung von Redispatch zur Stabilität der Stromnetze verfügt – jeweils durch Erhöhen oder Verringern der Pump- bzw. Generatorleistung. Sie sind flexibel einsetzbar, können binnen weniger Minuten Bedarfsspitzen decken oder Stromüberschüsse aus dem Netz nehmen. Die Speicherkraftwerke in Österreich verfügen über 7.700 MW Erzeugungsleistung und 4.000 MW Pumpleistung. Größenordnungen, die zur Versorgungssicherheit und Netzstabilität auch in Deutschland maßgeblich beitragen. Mit Pumpspeicherkraftwerken können wir die volatile und nicht vom Bedarf der Kunden abhängige Erzeugung aus Windkraft und Photovoltaik optimieren, also sowohl deren Mindererzeugung ausgleichen als auch deren Überschüsse verwerten, je nach Zeitpunkt. Sie sind notwendig, weil sie über das gesamte Jahr mit seinen 8.760 Stunden im Sinne der Netzstabilität innerhalb weniger Minuten Regel- und Ausgleichsenergie bereitstellen können.
Versorgungssicherheit vs. Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicherwerke sind ein Pfeiler der Versorgungssicherheit, sie spielen in einem zunehmend von regenerativer Energie geprägten Stromsystem eine immer wichtigere, weil ausgleichende Rolle, stehen aber wirtschaftlich stark unter Druck. Windkraft und Photovoltaik sorgen dafür, dass die Stromerlöse der konventionellen Erzeugung, auch aus Wasserkraft, deutlich gesunken sind.
Heute sind Pumpspeicherkraftwerke zwar viel öfter, aber weniger lang in Betrieb als früher. Dieser veränderte Betrieb mit mehr Starts und Stopps belastet die Maschinensätze stärker, das bedeutet einen höheren Aufwand für Instandhaltungen und früher notwendig werdende Ersatzinvestitionen. All das mindert die Wirtschaftlichkeit der Pumpspeicherkraftwerke und der für die Versorgungssicherheit dringend notwendige Betrieb ist wirtschaftlich nur mehr eingeschränkt darstellbar. Hinzu kommt: In Österreich werden für Pumpstrom auch noch Netzgebühren erhoben.
Auch Neuinvestitionen sind derzeit wirtschaftlich nicht darstellbar. Diese Kraftwerke sind in der wirtschaftlichen Betrachtung auf Jahrzehnte ausgelegt, dies bildete auch die Grundlage für die entsprechenden Baubeschlüsse. Pumpspeicherkraftwerke stellen gemeinsam mit den Laufkraftwerken seit mehr als einem Jahrhundert „die“ Form der regenerativen Stromerzeugung dar. Waren die großen Speicher ursprünglich für die Verlagerung der Ressourcen zum saisonalen Ausgleich des Bedarfs, zur Abdeckung von Verbrauchsspitzen und zur Sicherstellung der Netzstabilität konzipiert, kommen jetzt neue Aufgaben hinzu: Die Bereitstellung von Regelenergie und Ausfallsreserve für die volatile, nicht steuerbare Erzeugung aus Windkraft und Photovoltaik.
Wird in diesem Bereich nicht mehr investiert, könnte sich dies in einigen Jahren bitter rächen. Nämlich dann, wenn der Ausstieg aus der Kernenergie vollzogen ist, die Wirtschaft in Europa boomt, viele Elektrofahrzeuge unterwegs sind und noch mehr Erzeugungskapazitäten aus Erneuerbaren am Netz sind. An die gestiegene und weiter steigende Blackout- Wahrscheinlichkeit wollen wir gar nicht denken. Auch für den Netzwiederaufbau sind Pumpspeicherkraftwerke wichtige Bau steine.
Versorgungssicherheit über Ländergrenzen denken
Wir agieren in Europa in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum mit vermeintlich allgemein gültigen Spielregeln. Die Stromversorgung – Primärenergie, Erzeugungstechnologie, Verteilersystem, Gebrauch von Energie – stellt ein komplexes, Länder übergreifendes und der zeit noch stabiles Netzwerk dar. Punktuelle einseitige Eingriffe ohne Sensitivitätsanalyse damit verbundener Auswirkungen wie z. B. länderspezifische Fördermodelle, Bildung oder Aufgabe von gemeinsamen Preiszonen, nicht abgestimmter Netzausbau oder unterschiedliche Behördenverfahren gefährden das Funktionieren der komplexen Systeme.
Die neuen Erzeugungstechnologien in Entwicklung müssen durch leistungsstarke Übertragungs- und Verteilernetze in das Gesamtsystem integriert werden. Das vorzeitige Ausgrenzen einzelner Erzeugungsformen, indem sie ökologisch aber vor allem ökonomisch unattraktiv werden, vernichtet volkswirtschaftliches Vermögen, Arbeitsplätze und kann zum Kollaps eines wesentlichen Teils der Daseinsvorsorge, nämlich der Versorgung mit elektrischer Energie, führen.
Die gemeinsame Herausforderung besteht deshalb im Überführen der Erzeugung konventioneller Kraftwerke hin zu neuen Technologien, unter Beibehaltung der gewohnten Versorgungssicherheit und Netzstabilität. Ach ja, und unsere Kunden dürfen wir auch nicht vergessen
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