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< Stoffkreisläufe erhalten und weitere Belastungen vermeiden
21.12.2022 09:58 Alter: 2 yrs

Verband Kommunaler Unternehmen: Die Lage ist sehr angespannt

Der VKU-Stadtwerkekongress ist seit 1999 Pflichttermin für Stadtwerke und kommunale Energieversorger. Orientiert an den aktuellen Herausforderungen hat sich das Branchenhighlight stets neu erfunden. Der Kongress 2022 muss Antworten zu den Auswirkungen geopolitischer Entwicklungen auf die Energiewirtschaft in Deutschland finden. Hierzu sprachen wir mit Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU).


Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer Verband kommunaler Unternehmen (VKU) Foto: Chaperon

„Es ist notwendig, dass der Bund endlich einen Schutzschirm für Stadtwerke aufspannt.Nur so kann die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen gelingen.“ Ingbert Liebing

Herr Liebing, in welchem Spannungsfeld sehen Sie die Klimaund energiepolitische Agenda der Bundespolitik im Kontext aktueller Herausforderungen?

Putin hat uns auf unserem Weg in eine klimaneutrale, bezahlbare und versorgungssichere Zukunft – salopp gesagt – einen ordentlichen Stock zwischen die Beine geworfen. Russland setzt Energie, insbesondere Gas, als Waffe ein, um unsere Wirtschaft und Gesellschaft zu spalten und zu destabilisieren. Die steigenden Energiepreise sind gesellschaftlicher Sprengstoff. Eine Gasmangellage hätte verheerende Auswirkungen für die Menschen und die Wirtschaft.

Der Notfallplan Gas wird uns in Deutschland noch längere Zeit begleiten. Wie sieht der VKU die gegenwärtige Situation?

Sehr angespannt. Die Stadtwerke blicken mit großer Sorge auf die drastisch steigenden Energie-Beschaffungspreise. Stadtwerke sind in einer „Sandwich“-Position: Sie sind abhängig von ihrem Vorlieferanten und haben gleichzeitig gegenüber ihren Kunden Lieferverpflichtungen. Die Stadtwerke haben ein Interesse daran, dass ihre Vorlieferanten sicher liefern können. Deshalb halten wir es für gut und richtig, dass der Staat Vorlieferanten stützt.

Unabhängig davon müssen Stadtwerke laufend neu und zu deutlich höheren Preisen Energie einkaufen, bei gleichzeitig steigenden Besicherungsanforderungen an der Börse und im sogenannten OTC-Handel. Auf der Kundenseite besteht zudem die Gefahr von Zahlungsausfällen. Die Dimension hängt davon ab, wie die Entlastungsprogramme wirken. Neben dem jüngsten Entlastungsprogramm braucht es daher einen Schutzschirm für die Stadtwerke. Auch für eigentlich kerngesunde Stadtwerke besteht derzeit ein Risiko, das die Bundesregierung vorsorglich mit einem Schutzschirm minimieren könnte. Zur Vorsorge gehört schlicht, dass die Bundesregierung das Risiko von Liquiditätsnöten bei Stadtwerken erkennt und mit einem Schutzschirm vorbeugt. Wenn ich weiß, dass es morgen regnen könnte, habe ich ja auch einen Regenschirm im Gepäck.

Ein Schutzschirm für Stadtwerke muss aus drei Teilen bestehen: einem befristeten Insolvenzmoratorium wie in der Corona-Krise, einem Bürgschaftsrahmen zur Abfederung massiv gestiegener Besicherungsanforderungen im außerbörslichen Energiehandel, der für kommunale Energieversorger als wichtigster Handelsplatz gilt, sowie Liquiditätshilfen zur Überbrückung von Zeitverzügen bei der Weitergabe gestiegener Kosten sowie verzögerter Zahlungen der Kunden und ggf. Zuschüssen für den Fall steigender Zahlungsausfälle durch Endkunden


Ist mit den Herausforderungen an die Stadtwerke die Daseinsvorsorge in Gefahr?

Falls die Bundesregierung keinen Schutzschirm aufspannt, könnte das durchaus Folgen für die Daseinsvorsorge haben: Kommunen müssten im Falle eines Falles am Ende allein bürgen, um gestiegene Besicherungsanforderungen an ihre Stadtwerke abzufedern. Sie müssten ihnen mit Krediten und Eigenkapital unter die Arme greifen. Das können viele Kommunen angesichts der Summen, über die wir hier reden, schlicht und ergreifend alleine nicht, zumal strukturschwache Regionen und ihre Stadtwerke sozusagen doppelt in die Zange genommen würden.

Dies wiederum könnte eine Abwärtsspirale verstärken, weil Stadtwerke über den steuerlichen Querverbund viele Angebote der kommunalen Daseinsvorsorge mitfinanzieren, beispielsweise den ÖPNV oder die Bäder. Zugleich würde die ganze Finanzkraft eines solchen Stadtwerks für die Bewältigung der gegenwärtigen Krise eingesetzt werden. Neu-Investitionen könnten dann nicht mehr an den Start gebracht werden.

Können wir den Klimaschutz unter Wahrung des energiepolitischen Zieldreiecks erreichen?

Es ist angesichts der Lage auch unseres Erachtens richtig, derzeit einen Schritt zur Seite zu gehen und Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit stärker zu gewichten, ohne – und das ist eben das Dilemma - den Klimaschutz beziehungsweise auch den Ausbau der Erneuerbaren zu vergessen. Das verabschiedete Osterpaket ist ein Schritt in die richtige Richtung – aber es wird nicht reichen, um alle finanziellen und/oder regulatorischen Hürden zu beseitigen. Das Hinterfragen der Erdgasversorgung bietet zudem die Chance, die Umstellung auf Wasserstoff voranzutreiben.

Die Frage nach dem Zieldreieck werden wir zur Eröffnung des Stadtwerkekongresses mit Politik und mehreren Vertretern aus der Kommunalwirtschaft diskutieren. Das ist das dominierende Thema des diesjährigen Stadtwerkekongresses.

Grafik: VKU

Ob Versorgung mit Strom und Wasser, Entsorgung und Recycling, ÖPNV und Klimaschutz. Stadtwerke sind unverzichtbar für die Funktionalität einer Kommune.

Politik will die Durchleitung von Wasserstoff in Gasnetzen ablehnen. Wie sieht der VKU diese Position?

Mit dieser Haltung wird eine Lieferung von Wasserstoff an Verbraucher, die keinen anderweitigen Zugang zu erneuerbaren Energien haben, verhindert. Wasserstoff verliert dadurch jegliche Entwicklungschance im Wärmemarkt. Und die angestrebte grüne Wasserstoffwirtschaft werden wir so nicht erreichen. Wir verstehen auch nicht, warum Gas- und Stromnetzbetreiber nicht auch Wasserstoffnetze betreiben sollen, die zum großen Teil auf der bestehenden Infrastruktur aufbauen.

Die Gasverteilnetze in ganz Europa sind für den zukünftigen Transport von Wasserstoff bestens geeignet und bieten einen flexiblen, kostengünstigen Weg hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung. Es besteht zwar Investitionsbedarf, aber die in die Gasnetze investierten Summen bedeuten deutlich geringere Gesamtinvestitionen, als ausschließlich den Ausbau der Strominfrastruktur zu forcieren. Investitionen in eine kombinierte Strom- und Gasinfrastruktur würden pro Jahr 41 Milliarden Euro weniger kosten, als nur auf Elektrifizierung zu setzen. Das hat Ready4H2 ermittelt, ein Zusammenschluss von 90 europäischen Gasversorgern sowie Unternehmen und Organisationen.

Zum VKU-Stadtwerkekongress gehört auch die Auszeichnung mit dem Stadtwerke Award. Wie zeigt sich dieses Jahr das Rennen?

34 Stadtwerke und kommunale Unternehmen aus Deutschland und Österreich haben sich für den STADTWERKE AWARD 2022 beworben. Die eingereichten Projekte fokussieren sich auf Klimaschutz, Energieeffizienz, Quartierslösungen, Mobilität und Digitalisierung. Dieses breite Themenspektrum zeigt zwei Dinge: die Heterogenität und die Innovationskraft der Stadtwerke-Landschaft

Eine Experten-Jury hat sechs Projekte bzw. Stadtwerke für die Finalrunde nominiert. Wir sind gespannt, welche Stadtwerke zu den Gewinnern zählen.