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Urbane Wärmewende – so kann sie gelingen
Die urbane Wärmewende muss ein Erfolg werden, denn von ihr hängt es ab, ob wir unsere Klimaziele erreichen können. Gunnar Wilhelm, Geschäftsführer der GASAG Solution Plus GmbH, plädiert in seinem Gastbeitrag für pragmatische und zugleich ambitionierte Lösungen, die den Gebäudebestand in kurzer Zeit nachhaltiger machen. Die Zukunft der klimaneutralen Stadt werde mit großen Neubauprojekten gestaltet, die Wärme, Strom, Mobilität und Digitalisierung nicht getrennt, sondern zusammen denken.
Das Neue Gartenfeld – Modellquartier auf der Fläche des ehemaligen SiemensKabelwerkes in Berlin-Spandau.
Entwurf: ASTOC Architekten
© BUWOG
Die Städte sind Hauptverursacher der CO2 -Emissionen. Dabei geht in Städten wie Berlin rund die Hälfte des CO2 - Ausstoßes auf die Beheizung der Gebäude und auf die Warmwasserbereitung zurück. Für mehr Klimaschutz im Gebäudebestand müssen wir die Sanierungsquote erhöhen und mehr erneuerbare Energien nutzen. Neubauten müssen so geplant werden, dass sie nur sehr wenig Energie benötigen. Der verbleibende, geringe Wärmebedarf kann dann mit modernen Technologien, wie Wärmepumpen in Kombination mit Photovoltaik oder Solarthermie, gedeckt werden. Das Gelingen der urbanen Wärmewende wird darüber entscheiden, ob wir es schaffen, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu werden.
Die Anforderungen an die Immobilienwirtschaft steigen
Die Politik hat dies erkannt und forciert die Anstrengungen. So müssen in Berlin neue Stadtquartiere künftig konsequent auf Klimaneutralität ausgerichtet werden. Auf neuen öffentlichen Gebäuden gilt eine Solarpflicht. Ab dem kommenden Jahr werden mit dem neuen Solargesetz auch private Eigentümerinnen und Eigentümer dazu verpflichtet, Neubauten mit Solaranlagen auszustatten. Und auch der Bund will die Energiewende im Gebäudebereich deutlich beschleunigen und nimmt dabei zunächst vor allem die stärksten Energieverbraucher in den Blick. Zusätzlich befeuert wird dies auf dramatische Weise durch die aktuelle Krise. Die Anforderungen an die Immobilienwirtschaft sind also enorm, die zu bewältigenden Aufgaben hochkomplex.
Klimaneutralität im Fokus
Doch wie kann die urbane Wärmewende gelingen? Mit dieser Frage setzt sich die GASAG-Gruppe seit vielen Jahren intensiv auseinander und bietet CO2 -neutrale Wärme- und Energielösungen an. In den letzten Monaten haben wir unsere Geschäftsmodelle grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt. Wir stellen eine Roadmap auf, mit der wir die GASAG-Gruppe und unsere Produkte bis 2040 vollständig dekarbonisieren werden. Das Programm „Zukunft G“ rückt Klimaneutralität in den Mittelpunkt unseres unternehmerischen Handelns. Diese strategische Ausrichtung hat auch auf den von mir verantworteten Bereich der Energiedienstleistungen enorme Auswirkungen: Zwei Drittel unserer Projekte werden im Jahr 2030 CO2 -neutral sein. Der ökologische Effekt wird bei jedem Projekt überprüft und bewertet. Wir achten darauf, mit jedem Projekt den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen und Innovationen voranzubringen.
Modernisierung beschleunigen
Die Latte, die wir uns selbst gelegt haben, ist also hoch. Das gilt explizit auch für den Gebäudebestand. Seit vielen Jahren verharrt das Sanierungstempo bei unter einem Prozent. Es würde also mehr als 100 Jahre dauern, um den Bestand einmal durchzusanieren – Zeit, die wir nicht haben. Um schneller voranzukommen, erarbeiten wir deshalb für unsere Kunden aus der Wohnungswirtschaft oder im Auftrag einzelner Verwalter oder Wohnungseigentümergemeinschaften für jedes Objekt zunächst einen sogenannten Dekarbonisierungsfahrplan.
Dieser Fahrplan ermöglicht, stufenweise vorzugehen und dennoch mit minimalinvasiven Maßnahmen schnell spürbare Effekte zu erzielen. Bei unseren Energieversorgungskonzepten setzen wir auf einen modularen Technikbaukasten aus erprobten und perfekt aufeinander abgestimmten Komponenten. Wir integrieren bei möglichst allen Projekten erneuerbare Energiequellen, etwa mit kombinierten PV-/Solarwärmeanlagen oder Wärmepumpen. Dabei beziehen wir auch alternative Quellen ein, wie Abwärme, die noch an vielen Stellen zu wenig genutzt wird. Ein eigener Bereich unterstützt Betreiber von Krankenhäusern und Bürogebäuden dabei, ihre Immobilien nachhaltiger und damit auch wirtschaftlicher aufzustellen und dabei zugleich ihren CO2 -Ausstoß dauerhaft zu senken.
Die neue Stadt braucht ganzheitliches Denken
Gegenüber der bereits gebauten Stadt bieten neue Quartiere naturgemäß eine weitaus größere Bandbreite an konzeptionellen Optionen und mehr technische Möglichkeiten. Neue Quartiere liegen quasi wie ein weißes Blatt vor uns, das verantwortungsvoll gestaltet werden will. Eine CO2 -neutrale Stadtentwicklung muss nicht nur die Energieversorgung, sondern den kompletten Lebenszyklus der Gebäude betrachten. Sie muss die Mobilitätsbedürfnisse der künftigen Bewohner klimaverträglich integrieren, klimaresilient und wirtschaftlich sein. Unsere auf Großprojekte spezialisierten Teams begleiten hierbei Vorhabenträger bei der Entwicklung komplexer und visionärer Projekte.
Modellquartier für urbanen Klimaschutz
Ein solches entsteht derzeit auf der Fläche eines ehemaligen Kabelwerks in Berlin-Spandau. Das Neue Gartenfeld wird ein Modellquartier für die Stadt im 21. Jahrhundert sein. Auf mehr als 40 Baufeldern entstehen in den nächsten Jahren über 3.700 Wohnungen, 600 Gewerbeeinheiten sowie umfangreiche Gemeinschaftsflächen und -einrichtungen. Die Bauherren UTB Projektmanagement GmbH, BUWOG, Baugenossenschaft BeGeno16 eG, Wohnungsbaugenossenschaft Am Ostseeplatz eG sowie Jula GmbH haben Großes vor: Das Neue Gartenfeld soll zeigen, wie urbaner Klimaschutz geht.
Ein innovatives Quartierswerk
GASAG und ENGIE haben das Joint-Venture „Quartierswerk Gartenfeld“ gebildet, um für das Stadtquartier zukunftsorientierte Lösungen für Energie, Mobilität und Digitalisierung zu entwickeln. Das Quartierswerk wird hierfür einen hohen zweistelligen Millionenbetrag investieren. Eine innovative Kraft-Wärme-Kopplung in Kombination mit Wärmepumpen und eine Power-to-Heat-Anlage werden den Stadtteil klimafreundlich und dezentral mit Wärme und Kälte versorgen. Die hochmodernen Anlagen sind für den Umstieg auf grünen Wasserstoff vorbereitet. Photovoltaik-Anlagen werden auf allen Dächern installiert und grünen Mieterstrom produzieren. Und das Regenwasser wird in einem großen Rückhaltebecken gesammelt, auf Retentionsflächen versickert und für die Grünflächenbewässerung eingesetzt.
Alle Versorgungsdienstleistungen aus einer Hand
Wir bauen mit diesem Projekt unser Kompetenzspektrum weiter aus. Denn das „Quartierswerk Gartenfeld“ wird nicht nur die effiziente Energieversorgung planen, bauen und betreiben. Sie wird auch umfangreiche Versorgungsdienstleistungen für ein modernes, urbanes Leben in einer „Smart City“ erbringen. Mobility Hubs werden verschiedene Sharing-Angebote bereitstellen, vom Lastenrad bis zum E-Auto. Das Quartier wird mit neuesten Technologien digital vernetzt. Die Bewohner werden über eine Quartiers-App ihre Energieverbräuche ablesen können, Sharing-Angebote buchen, einen Parkplatz finden oder mit ihren Nachbarn chatten.
Klimaneutralität ist machbar
Mehr als 1.100 Tonnen CO2 jährlich werden durch den synergetischen Ansatz, die nachhaltige Energieversorgung und die Digitalisierung eingespart. Um zehn Jahre wird das Stadtquartier den Klimazielen der Bundesregierung für 2040 voraus sein. Das Neue Gartenfeld wird zeigen: Es geht. Die Technologien sind vorhanden, auch das Wissen und die Erfahrungen. Was wir brauchen, sind schnelles und konsequentes Handeln, starke Partnerschaften und Mut.
Das Neue Gartenfeld