Nachricht

< Umbau der Energieversorgung
20.08.2012 16:52 Alter: 12 yrs
Kategorie: Transformation

THÜRINGEN ERNEUER!BAR

Die erneuerbaren Energien befinden sich auf dem Weg zur Leittechnologie des 21. Jahrhunderts. Der Freistaat Thüringen will, dass die Bürger ihren Strom immer mehr aus der Photovoltaik, der Wind- und Wasserkraft, aus Biomasse und Geothermie beziehen. Auch das Speichern von Energie begleitet in Thüringen die Energiewende. Notwendig aber ist ein tragfähiges Gesamtkonzept, um den Zukunftstechnologien Verlässlichkeit zu bieten, so Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht in ihrem Beitrag zu Eckpunkten der Energiepolitik des Freistaates.


Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht auf ENERGIE-TOUR, Kindergarten Kinderland in Suhl als Beispiel für Nachhaltiges Bauen (Foto: Marcus Scheidel)

Die energiepolitischen Ziele der Landesregierung sind langfristig angelegt und wir meinen auch realistisch. Dieser Weg wurde in Thüringen schon in den 90er Jahren eingeleitet. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch in Thüringen beträgt heute rund 15 Prozent. Bis 2020 wollen wir einen Anteil von 30 Prozent erreichen. Für einzelne Regionen in Thüringen beträgt dieser Wert bereits 35 Prozent und schon heute gibt es Gemeinden mit einer autarken und umweltfreundlichen Stromversorgung. 

Der erste Jahrestag der Katastrophe von Fukushima ermahnt uns, den Umstieg auf erneuerbare Energien schneller anzustreben als bislang vorgesehen. Allerdings ist die Energiewende nur mit einem vernünftigen Mix aus Erneuerbaren Energien vollziehbar. Unsere Vision ist: Wir werden Thüringen zum ,grünen Motor‘ in Deutschland ausbauen, und wir wollen das energieeffizienteste Land im Pro- Kopf-Vergleich Deutschlands sein. Und wir wollen Vorreiter sein bei der dezentralen Energieversorgung im ländlichen Raum und Leuchtturmcluster für die Erforschung erneuerbarer Energien.

Sommertour „Energie“ 

Im Eckpunktepapier der Landesregierung „Neue Energie für Thüringen“ wird für 2020 ein Anteil der erneuerbaren Energien am Nettostromverbrauch von 45 Prozent angestrebt. Die Zielvorgaben sind damit in den Bereichen Energieeffizienz und Energieeinsparung, Ausbau erneuerbarer Energien, Speicherkapazitäten und Netze gesetzt. Eine vorliegende Potenzialanalyse zu den erneuerbaren Energien in Thüringen unterstreicht, wir besitzen in den Bereichen Wind, Photovoltaik, Wasser und Geothermie technische Energiepotenziale, die zusammen ein Mehrfaches des jährlichen Thüringer Strombedarfs decken können. Wobei für mich aber die umweltfreundlichste und kostengünstigste Energie die ist, die gar nicht erst verbraucht wird. Im Sommer 2011 habe ich eine Thüringentour „Energie“ unternommen und viele mittelständische Betriebe besucht. Dort ist die wirtschaftliche Dynamik der Energiewende besonders deutlich spürbar. Und was ich vor Ort in Augenschein nehmen durfte, kann sich sehen lassen: der Bogen spannt sich vom Energiewald über energieautarke Kommunen, Wasserkrafttradition in Verbindung mit zukunftsweisender Stromerzeugung, Solarfabriken und Sonnenstrom, Experimentalbau Green House und energiesparende Lichttechnik, Nachwachsende Rohstoffe und Bio-Energieregion, Strom aus Biogasanlagen oder die Produktion von Schwergussteilen für Windkraftanlagen. 

Bei meinen Gesprächen während der Sommertour habe ich aber immer wieder erfahren: Es ist Zeit für einen Mentalitätswechsel. Denn Erneuerbare Energien sind nicht nur eine alternative Form der Energieerzeugung - sie sind als Energieerzeugung für unsere Zukunft ohne Alternative.

Wasserkraft hat in Thüringen Tradition 

Heute wissen wir, es bedarf neben dem Ausbau der Stromnetze auch Speichersysteme, um das schwankende Aufkommen von Solar- und vor allem von Windstrom auszugleichen und Netzstabilität zu garantieren. Zu bereits verfügbaren Speichertechnologien zählen die Pumpspeicherkraftwerke, da sie als Spitzenlastkraftwerke plötzliche Schwankungen im Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch ausgleichen können. 

Bei der Nutzung des energetischen Potenzials von Wasser besitzen wir eine lange Tradition. So fasste der 1. Thüringer Landtag bereits 1920 den Beschluss zum Bau des 1923 in Betrieb gegangenen Wasserkraftwerkes Spichra an der Werra. Solche kleinen Kraftwerke für eine dezentrale Stromversorgung zu nutzen, bei notwendiger Berücksichtigung ökologischer Belange, scheint mir auch heute eine Prüfung wert. Im Jahr 1932 ging mit der Fertigstellung der Bleilochtalsperre das erste Pumpspeicherkraftwerk Thüringens in Betrieb. Heute zählt das von Vattenfall Europe AG in den Jahren 2003/2004 in Betrieb genommene Pumpspeicherkraftwerk Goldisthal im östlichen Thüringer Wald zu den größten und modernsten Anlagen in Europa. Wir stellen auch fest, Pumpspeicherwerke sind in der Bevölkerung verankert. Dies erleben wir gerade an der positiven Akzeptanz eines mit der Trianel-Gruppe und Thüringer Stadtwerken gemeinsam geplanten Vorhabens für den Bau eines Pumpspeicherkraftwerkes an der Talsperre Schmalwasser, es soll voraussichtlich 2020 mit einer Leistung von über 400 MW seinen Betrieb aufnehmen. 

Weil wir von der Bedeutung solcher Projekte überzeugt sind, haben wir deutschlandweit erstmalig eine Potenzialanalyse für Pumpspeicherkraftwerke in Thüringen durchgeführt und die Ergebnisse in ein Pumpspeicherkataster eingestellt. Im Ergebnis einer GIS-basierten Standortsuche und entsprechender Standortbewertung wurden – auch unter Berücksichtigung des Umwelt- und Landschaftsschutzes - zehn Standorte ermittelt, die für den Bau eines solchen Kraftwerkes geeignet sind.

Langfristige Zukunftsstrategie für Solarwirtschaft 

Thüringen zählt mit seiner hochinnovativen Solarindustrie zu den bedeutendsten Standorten dieser Branche in Deutschland. Die Unternehmen im Freistaat dekken nahezu die gesamte Wertschöpfungskette ab. 50 Firmen erwirtschaften derzeit mit rund 5.000 Beschäftigten einen Umsatz von mehr als 1 Mrd. Euro. Eine dynamische Entwicklung, von der man sich in den Regionen vor Ort überzeugen kann. Die jetzt von der Bundesregierung beschlossenen Einschnitte in jede Kalkulation von Unternehmen, auch der Handwerksbetriebe, Eigenheimbauer und Kommunen, sind nach meiner Meinung so nicht hinnehmbar: Dies kann keine zielführende Politik sein. Bereits auf den Weg gebrachte Entwicklungen der Branche in Richtung Innovation und Effizienz werden so gestoppt. Eine abrupte Kürzung der Einspeisevergütungen für Solarstrom löst das Grundproblem nicht. Vielmehr ist das EEG verlässlich umzusteuern und die Säule der Technologieentwicklung weiter auszubauen. Notwendig ist eine Förderung, die direkt bei den Unternehmen ankommt. Es geht darum, dass wir mehr Verlässlichkeit brauchen.

 Die Bundesregierung wäre gut beraten, mit allen Akteuren nochmals Kontakt aufzunehmen, um die weitere Vorgehensweise zu erörtern und einvernehmliche Lösungen zu finden. Wir brauchen eine langfristige Zukunftsstrategie für die Solarwirtschaft statt immer neuer drastischer Einschnitte. Die Länder sind bereit, daran mitzuarbeiten.

Mit der Schraube des Archimedes von der Antike in die Zukunft, Wasserkraftwerk am Arterner Wehr (Foto: Marcus Scheidel)