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< Übertragungsnetz unter Druck
29.07.2013 10:25 Alter: 11 yrs
Kategorie: Nachhaltigkeit

Systemsicherheit im neuen Marktdesign?

Deutschland steigt ein in das Zeitalter regenerativer Energien. Bis 2050 sollen sie den größten Teil der nationalen Energieversorgung sicherstellen. Die Übertragungsnetze bilden das Rückgrat der Energieinfrastruktur, die diesen Wandel erst ermöglichen. Dr. Oliver John, Leiter Internationale Regulierung beim Übertragungsnetzbetreiber Amprion wirft einen Blick auf die Anforderungen an Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) zur Erhaltung der Systemsicherheit.


Analyse eines möglichen Systembilanzzustandes aus europäischer Sicht (Quelle: ENTSO-E)

Versorgungssicherheit ist in Deutschland als gesellschaftlicher Auftrag in § 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) formuliertals: die „möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche“ Versorgung der Allgemeinheit mit Strom und Gas. Für den sicheren Betrieb und die bedarfsgerechte Entwicklung der Netze sind in erster Linie die Netzbetreiber gefordert. Ihre Verantwortlichkeiten wurden im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) klar geregelt. So haben sie „dauerhaft die Fähigkeit des Netzes sicherzustellen, die Nachfrage nach Elektrizität zu befriedigen und insbesondere durch entsprechende Übertragungskapazität und Zuverlässigkeit des Netzes zur Versorgungssicherheit beizutragen.“ In § 11 des EnWG wird gefordert, ein „sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen.“ Damit, sowie nach § 13 EnWG, stehen die ÜNB in der Verantwortung für die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems. Diese Systemsicherheit täglich zu gewährleisten heißt für die ÜNB, Gefährdungen und –störungen abzuwenden, die negative Einflüsse auf die Sicherheit der Versorgung haben können. Das heißt, sie müssen den überregionalen Stromaustausch überihre Leitungen störungsfrei gewährleisten und dafür sorgen, dass sich Erzeugung und Verbrauch zu jeder Zeit im Gleichgewicht befinden.

Systemsicherheit vs. Versorgungssicherheit

Deutschland verfügt über ein gut ausgebautes und verzweigtes Stromnetz. Mit dem wachsenden Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung wachsen jedoch die Anforderungen insbesondere an die Höchstspannungsnetze. So übersteigt schon heute zeitweise der Strom aus Windenergieanlagen die Netzkapazitäten in einigen Regionen Deutschlands. Damit verbunden sind erhöhte Anforderungen an die Betreiber von Übertragungsnetzen zur Wahrnehmung der Systemverantwortung, wie in § 13 EnWG festgeschrieben.  Hier ist ausgeführt: Sofern die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone gefährdet oder gestört ist, sind Betreiber von Übertragungsnetzen berechtigt und verpflichtet, die Gefährdung oder Störung durch netzbezogene Maßnahmen (insbesondere durch Netzschaltungen) und marktbezogene Maßnahmen, wie etwa den Einsatz von Regelenergie, zu beseitigen. Falls diese Maßnahmen nicht greifen, schreibt der Gesetzgeber die Anpassung von Stromeinspeisungen, Stromtransiten und Stromabnahmen vor. Wegen der hohen, regional konzentrierten und zugleich volatilen Einspeisung Erneuerbarer Energien in das Netz ist ein steigender Bedarf an RedispatchKraftwerksleistung zur Behebung von Leitungsüberlastungen und zur Spannungsstabilisierung zu verzeichnen. Zusätzlich treten Leistungsbilanzüberschüsse und -defizite auf. So war beispielsweise Ende Dezember 2012 ein hohes Wind- und PV Aufkommen bei gleichzeitig niedriger Nachfrage zu verzeichnen. Das heißt, durch den vom Gesetzgeber über das EEG festgeschriebenen Einspeisevorrang der Erneuerbaren hatten wir zu viel Energie im System. Kurzfristige Gegenmaßnahmen der ÜNB waren unumgänglich. Detaillierte Angaben zur Situation der zurückliegenden Monate und notwendigen Eingriffen im Stromnetz zur Systemsicherheit enthalten regelmäßig die MonitoringBerichte wie auch die Winterberichte der Bundesnetzagentur (BNetzA). Auch der Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E stellt diesbezüglich Informationen bereit.

Sicherheit im neuen Marktdesign

Systemsicherheit im neuen Marktdesign kann nur durch die langfristige Maßnahme Netzausbau und eine Europäische Marktintegration erreicht werden. Ein effizienter Energieaustausch über implizit (lastflussbasiert) gekoppelte Märkte und Kooperationen der ÜNB können diesen Prozess begleiten.

Als Beispiele können angeführt werden:

•Die gemeinsamen Marktkopplungsinitiativen europäischer Übertragungsnetzbetreiber und Strombörsen wie etwa in Zentralwesteuropa (CWE),

•Sicherheitscenter (Security Service Centre), in welchen supraregionale Netzsicherheitsrechnungen durchgeführt werden,

•Die Sicherheitskooperation (TSO Security Cooperation) von elf europäischen Übertragungsnetzbetreibern. Diese haben sich zum Ziel gesetzt, die Sicherheit in den Höchstspannungsnetzen in Zentraleuropa weiter zu erhöhen. Im Rahmen der Kooperation werden Daten und Sicherheitsberechnungen allen Teilnehmern gleichberechtigt zur Verfügung gestellt.

•Für den notwendigen Informationsaustausch werden darüber hinaus europaweit durch das ENTSO-E Awareness System wichtige Voraussetzungen geschaffen. Das System verschafft Übertragungsnetzbetreibern Zugang zu Echtzeit-Informationen über das europäische Übertragungsnetz. Dadurch werden in kritischen Situationen schnelle Reaktionsmöglichkeiten unter Einbezug des Gesamtsystems sichergestellt. Mit Hinblick auf die Systemsicherheit wurde darüber hinaus auf nationaler Ebene durch die jüngst beschlossene Reservekraftwerksverordnung ein wichtiges Instrumentarium geschaffen. Die Verordnung ermöglicht es den Übertragungsnetzbetreibern an netztechnisch sinnvollen Standorten systemrelevante Kraftwerkskapazität zu sichern. Da die Kraftwerke außerhalb des Marktes und nur bei Systemstabilitätsproblemen eingesetzt werden, bleiben die bestehenden effektiven Wirkungsmechanismen des europäischen Binnenmarktes erhalten. Skandinavische Länder wie Finnland oder Schweden nutzen derartige Instrumente bereits seit längerem. Weitere Maßnahmen im Rahmen eines neuen Marktdesigns neben der Verfügbarkeit von Kraftwerken an netztechnisch günstigen Standorten sind vor allem die Bereitstellung relevanter Informationen durch Marktteilnehmer (z. B. Fahrplaninformationen von EEG Direktvermarktern und Kraftwerksinformationen). Auch sollte es Anreize für einen effizienten Bilanzausgleich geben. Ebenso ist ein Beitrag zur Systemsicherheit durch die Erneuerbaren zu erbringen.  Die Umstellung des Energiesystems auf Erneuerbare Energien erhöht insgesamt die Volatilität und reduziert die Planbarkeit. Zusammenfassend sehen wir daher aus der Sicht eines ÜNB folgende Maßnahmen zur Unterstützung der Systemsicherheit in einem neuen Marktdesign:

•Bestmögliche Nutzung vorhandener Ressourcen und Systeme wie etwa den Erhalt systemrelevanter Kraftwerke im Rahmen der Reservekraftwerksverordnung,

•Erhöhung des Informationsaustausches im Rahmen der ÜNB-Kooperationen als auch durch Marktteilnehmer,

•Vollständige Implementierung des EU-  Binnenmarktes für elektrische Energie. Zusätzlich sichert der Netzausbau in Deutschland und Europa den effizienten und sicheren Energieaustausch.