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Stoffkreisläufe erhalten und weitere Belastungen vermeiden
Kreislaufwirtschaft ist zentral für das Bemühen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu erhalten und trotzdem ambitionierte Klimaziele zu erreichen. Diese Strukturen dürfen nicht gefährdet werden. In seinem Gastbeitrag benennt Peter Kurth, Präsident des BDE Bundesverband der deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft aktuelle Forderungen der Branche an die Bundespolitik.
„Zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft in Deutschland gehört unverzichtbar auch die Industrie, die Stoffkreisläufe dadurch schließt, dass die Recyclingrohstoffe wieder in die Produktion gelangen.“ Peter Kurth
Angesichts des drohenden Gasmangels in der Industrie wächst beim BDE die Sorge, dass Abnehmer der Recyclingrohstoffe in Schwierigkeiten geraten könnten. Wir registrieren, dass viele Unternehmen der Industriebranchen, die unsere aus Recyclingprozessen gewonnenen Rohstoffmengen abnehmen und in der Produktion verwenden, derzeit daran zweifeln, ob und wie lange sie ihre Produktion aufrechterhalten können. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage, die wir Ende Juli unter den Mitgliedsunternehmen gestartet hatten. Dabei ging es zunächst um die Frage, inwieweit die Unternehmen der Entsorgungswirtschaft von einem möglichen Gasmangel betroffen seien.
Energiemangellage hätte gravierende Folgen für das System
Im Ergebnis hätte eine Mangellage auf die Unternehmen der Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft aufgrund der Breite der Tätigkeiten und Wertschöpfungsstufen unterschiedliche Auswirkungen. So wäre etwa die Hälfte der befragten Unternehmen in irgendeiner Form von Versorgungsauswirkungen tangiert, größtenteils auf der Ebene der Raumbeheizung und der Warmwasserversorgung in den Firmengebäuden. Auswirkungen gäbe es aber auch im operativen betrieblichen Bereich im Segment der Behandlung (TBA, Sickerwasser, Abluft).
Beim Recycling beträfe der drohende Gasmangel alle Formen der Trocknung, etwa von Flakes und Scherben. Auch könne ein potenzieller Anlagenstillstand bei der Sonderabfallbehandlung durch Einschränkungen bei der Gasversorgung zu Problemen führen. Laut unserer Umfrage ist die Sammlung und Sortierung von Abfällen von einer Mangellage eher nicht betroffen, während die Tätigkeit der nachfolgenden Glieder – etwa die Papier-, die Metall- oder die Glasindustrie- beeinträchtigt wäre. Fazit: Gesammelte Materialien können unter Umständen nicht an die Industrie, im Branchenjargon „abgesteuert“ werden.
Unternehmen reagieren flexibel
Viele Mitgliedsunternehmen des Verbandes versuchen, ihre Betriebsabläufe anzupassen. Jedoch muss dort, wo dies bisher nicht möglich sei, die weitere Versorgung mit Erdgas gewährleistet werden. Dies ist insbesondere zur Aufrechterhaltung der Funktion als kritische Infrastruktur essenziell. Damit ist auch die unbürokratische Unterstützung eines Fuel Switchs seitens der Genehmigungsbehörden gemeint, wo immer dies möglich und tatsächlich realisierbar ist.
Denn zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft in Deutschland gehört unverzichtbar auch die Industrie, die Stoffkreisläufe dadurch schließt, dass Recyclingrohstoffe wieder in die Produktion gelangen. Dies gilt für die Papier- genauso wie für die Glasindustrie, für Stahlverarbeiter genauso wie für Kunststoffunternehmen. Sollten diese Branchen den Standort Deutschland nicht mehr halten können, geraten auch die Kreisläufe in Gefahr, die in den letzten Jahren aufgebaut wurden. Kann die Wertschöpfungskette nicht gehalten werden, drohen Ver- und Entsorgungsengpässe, die durch verstärkten Export oder Zwischenlagerung allein nicht verhindert werden können.
Keine Zusatzkosten durch Emissionshandel
Am 13. Juli 2022 hat die Bundesregierung den Entwurf einer Novelle des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) beschlossen, mit dem auch die CO2 -Emissionen aus der Abfallverbrennung ab 2023 in den nationalen Emissionshandel für Treibhausgase einbezogen werden sollen. In diesem Zusammenhang weisen wir als BDE nochmals darauf hin, dass vermeidbare, einseitige Kostenbelastungen sowohl für Unternehmen als auch für Haushalte in Deutschland jetzt dringend vermieden werden müssen.
Andernfalls droht ein deutlicher Anstieg der Entsorgungsgebühren durch die Aufnahme der thermischen Verwerter in den Emissionshandel. Viele Abfälle – häusliche Restabfälle, Abfälle aus dem Gesundheitswesen, schadstoffbelastete Abfälle etc. – müssen im Interesse einer schadlosen Entsorgung thermisch behandelt werden. Eine Ausweichmöglichkeit auf andere „Brennstoffe“ gibt es für die Müllverbrennungsanlagen nicht, ihre vorrangige Aufgabe ist vielmehr die Gewährleistung von Entsorgungssicherheit.
Die Einführung einer nationalen CO2 -Abgabe auf die Verbrennung von Abfällen belastet nur die Bürger mit höheren Abfallgebühren und führt nicht zu mehr Klimaschutz und Recycling von Abfällen. Die Kosten für die Verbraucher wären erheblich: So rechnet der Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz selbst mit zusätzlichen Kosten für die Verbraucher von 900 Millionen Euro allein für 2023. Diese Belastung würde, der sogenannten BEHGPreistreppe folgend, von Jahr zu Jahr weiter steigen.
Eine nur belastende CO2-Abgabe ist überflüssig
Die Instrumente für mehr Recycling haben wir insbesondere im Kreislaufwirtschaftsgesetz, dem Verpackungsgesetz oder der Gewerbeabfallverordnung hinreichend verankert. Es fehlt hier oftmals nur am Vollzug der vorhandenen Regelungen. Der Emissionshandel muss auf europäischer Ebene geregelt werden. Da gehört er hin. Andernfalls findet nämlich keine Steuerung der Materialien ins Recycling, sondern ins europäische Ausland statt. Dann fehlen aber die Restabfallmengen zur Bereitstellung von Energie in Form von Strom und Wärme durch die thermischen Abfallbehandlungsanlagen. Dies ist in Zeiten, in denen Energie knapp und teuer ist, eine fatale Entwicklung.
Die Bundesregierung ist gut beraten, sich in den nächsten Monaten für eine zügige europäische Regelung einzusetzen, anstatt den Standort Deutschland einseitig zu belasten. Wir hoffen sehr, dass sich der Bundestag hier gegen weitere finanzielle Belastungen für Bürger und Unternehmen positioniert. Von Entlastungen zu reden und zugleich neue Belastungen zu beschließen, ist unredlich.