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Statt unilateralem Grenzausgleich: Mehr Kooperation in der Klimapolitik
Der Weltenergierat – Deutschland e. V. hat Ende Juni 2021 die neue Ausgabe seiner Jahrespublikation „Energie für Deutschland“ vorgestellt. Die Publikation steht in diesem Jahr im Zeichen des Schwerpunktthemas „CBAM: Ein CO2-Grenzausgleich für die Europäische Union“. Im Titelinterview dieser Ausgabe von THEMEN!magazin sprechen wir mit Dr. Uwe Franke, Präsident, Weltenergierat – Deutschland e. V. zum Schwerpunktthema CBAM.
Im Rahmen des „Fit for 55“- Paketes zur Umsetzung des Green Deal plant die EUKommission neben der Revision wichtiger Richtlinien, wie der EnergieeffizienzRichtlinie, der ErneuerbarenEnergien-Richtlinie und der Emissionshandelsrichtlinie, auch die Veröffentlichung einer Initiative, die international in den letzten Monaten für viel Gesprächsstoff gesorgt hat: die Etablierung eines CO2 - Grenzausgleichssystems (Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz CBAM).
Herr Dr. Franke, in der Ausgabe 2021 von „Energie für Deutschland“ steht als Schwerpunktthema der geplante CO2-Grenzausgleich der EU, warum?
Die Verlagerung von CO2 -Emissionen ins Ausland, das sogenannte Carbon Leakage, stellt für die Europäische Union (EU) ein wachsendes Problem dar. Das Gefälle zwischen hohen und weiter steigenden CO2 -Preisen in der Union und anderen Weltregionen ohne vergleichbare CO2 - Bepreisung nimmt zu und setzt somit viele europäische Industrien unter Druck. Solange das Risiko der Produktions- und Emissionsverlagerung in Drittstaaten mit weniger ambitionierten Klimamaßnahmen besteht, können die Klimaanstrengungen der EU nicht effektiv wirken und auch die Wettbewerbsfähigkeit von EU-Unternehmen wird geschwächt.
Die EU-Kommission plädiert deshalb für die Etablierung eines CO2 -Grenzausgleichmechanismus (CBAM für Carbon Border Adjustment Mechanism), der es der europäischen Industrie ermöglichen soll, die Dekarbonisierung weiter voranzutreiben, ohne dabei ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.
Das Schwerpunktkapitel unserer „Energie für Deutschland“ beschäftigt sich mit den Möglichkeiten für die Ausgestaltung eines solchen CBAM, beleuchtet gleichzeitig aber auch die Herausforderungen bei dessen Implementierung sowie mögliche Reaktionen wichtiger Handelspartner.
Wie genau soll das Problem angegangen werden?
Mit einem CBAM sollen Importe aus Drittländern in die EU mit einem Preis entsprechend ihres CO2 -Gehalts belegt werden. Der Mechanismus zielt dabei auf Treibhausgasemissionen ab, die den importierten Waren in die Union zugeschrieben werden: sogenannte embedded emissions, die während der Produktion des jeweiligen Guts anfallen. Einen entsprechenden Gesetzesvorschlag für einen CBAM hat die EU-Kommission Mitte Juli im Rahmen des „Fit-for-55-Paketes“ mittlerweile vorgelegt.
In einer ersten Phase soll sich der Grenzausgleichmechanismus dabei zunächst auf Waren mit besonders hohem CO2 -Verlagerungsrisiko konzentrieren: Aluminium, Eisen und Stahl, Zement, Düngemittel und Strom. Nach den Vorschlägen der Kommission sollen sich Importeure, deren Waren unter den CBAM fallen, künftig bei einer entsprechenden nationalen Behörde registrieren und CBAM-Zertifikate erwerben.
Der Zertifikatspreis in Euro je Tonne ausgestoßenes CO2 soll dabei dem wöchentlichen Durchschnittspreis für Emissionszertifikate im Rahmen des Emissionshandelssystems der EU (EU ETS) entsprechen. Importeure wären dazu angehalten, bis zu einem bestimmten Stichtag eine CBAM-Erklärung für das Vorjahr abzugeben, in der sie Auskunft über die Emissionen in den von ihnen importierten Gütern geben, sowie Zertifikate in Höhe der tatsächlichen Emissionen ihrer Waren einzureichen.
Importeure, die glaubhaft nachweisen können, dass bei der Produktion der eingeführten Waren bereits in einem Drittland ein CO2 -Preis entrichtet wurde, sollen die Möglichkeit erhalten, die Anzahl der erforderlichen CBAMZertifikate zu reduzieren.
Sehen Sie darin die Lösung des Problems?
Der CBAM kann grundsätzlich ein Ansatz für eine Lösung des Carbon Leakage-Problems sein, aber die Implementierung ist sehr komplex. So wird es bei der Umsetzung des geplanten Mechanismus in der Praxis eine Reihe von Herausforderungen geben, darunter die Nachverfolgung des CO2 -Fußabdrucks eines Importguts über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Es ist schwer, die CO2 -Belastung von Produkten im Ausland durchgängig nachzuvollziehen. Außerdem ist zu befürchten, dass ein einseitiger EU-CBAM zu neuen Handelsstreitigkeiten führt oder vor der Welthandelsorganisation (WTO) beklagt wird.
Der Klimaschutz ist zudem eine weltweite Herausforderung. Ein breiter internationaler Konsens wäre deshalb die beste Lösung, um die weltweiten CO2 -Emissionen wirksam und nachhaltig zu reduzieren. Bislang sind sich die großen globalen Emittenten hinsichtlich der Maßnahmen, des Ambitionsniveaus und des Zeitrahmens zwar nicht einig. Die Ergebnisse der Tagung der G20-Umwelt- und Energieminister im Juli bestätigen dies leider. Effektiver Schutz von Klima und Arbeitsplätzen ist aber nur durch internationale Kooperation möglich. Deshalb plädiert der Weltenergierat mit Blick auf die globale Klimapolitik für ein Mehr an Zusammenarbeit. Einseitige Grenzausgleichsmaßnahmen sollten höchstens die letzte Rückfalloption bleiben.
Der Erfolg der Klimapolitik hängt letztlich von der politischen Bereitschaft ab, international kooperieren zu wollen.
Gibt es bereits eine internationale Reaktion?
Die Diskussion im Vorfeld des offiziellen CBAM-Vorschlags der EU-Kommission zeigte bereits die Herausforderungen bei der Umsetzung sowie mögliche Reaktionen von Handelspartnern. Im Anschluss an die Vorstellung der „Energie für Deutschland“ im Juni durch die Hauptautorin unseres Schwerpunktkapitels, Nicole Voigt von der Boston Consulting Group, kommentierte Dr. Christian Hübner die CBAM-Initiative der EU aus asiatischer Perspektive. Dr. Hübner ist Leiter des Regionalprogramms Energiesicherheit und Klimawandel Asien und Pazifik bei der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS).
Ihm zufolge führte die KAS zwischen November 2020 und Januar 2021 eine Umfrage unter verschiedenen Stakeholdern aus acht Ländern im Asien-Pazifik-Raum durch. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die CBAM-Pläne der EU global von vielen Staaten als protektionistisch und unilateral wahrgenommen werden – darunter von Indien und Australien. Auch in China sei das Instrument von oberster politischer Ebene abgelehnt worden.
In anderen Staaten, wie Südkorea und Singapur, die selbst bereits länger Erfahrung mit der Bepreisung von CO2 hätten, würde den Plänen der EU-Kommission hingegen entspannter entgegengesehen. Auch Singapur hat mit den Folgen des Klimawandels und Carbon Leakage zu kämpfen. Die Interviewten empfehlen jedoch allgemein einen Dialog zwischen der Union und Ländern, die von dem Mechanismus betroffen wären, um starken Widerstand bei der Einführung eines EU-CBAM zu vermeiden.
Wie stehen die Chancen für einen multilateralen Ansatz?
Der Erfolg der Klimapolitik hängt letztlich von der politischen Bereitschaft ab, international kooperieren zu wollen. Die Lösung des Carbon Leakage-Problems bietet Chancen für einen multilateralen Ansatz. Denn nicht nur die EU ist von Emissionsverlagerungen betroffen, sondern Länder mit ambitionierten Klimazielen weltweit. Ein CBAM könnte ein erster Schritt hin zu einem internationalen Klimaclub großer globaler Emittenten sein, die sich auf gemeinsame Mindeststandards für Klimamaßnahmen einigen. Während gegenüber Drittstaaten ein CBAM etabliert werden könnte, würde innerhalb eines solchen Clubs auf einen CO2 -Grenzausgleich verzichtet. Das könnte Anreize für eine Teilnahme bieten.
Die Gelegenheit für einen kooperativen Ansatz auf globaler Ebene scheint momentan günstig. Die USA haben seit der Wahl von Präsident Joe Biden angekündigt, ihre Klimaschutzbemühungen zu erhöhen. Auch China hat sich als global größter Verursacher von Treibhausgasemissionen das Ziel gesetzt, vor 2060 Klimaneutralität zu erreichen. Die EU sollte deshalb auf wichtige Handelspartner zugehen und die diplomatischen Bemühungen zur Gründung eines Klimaclubs intensivieren.
Herr Dr. Franke, wir bedanken uns für das Gespräch.
„Energie für Deutschland 2021“ finden Sie hier: www.weltenergierat.de