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Stadtwerkefinanzierung 4.0 - Herausforderungen an das Treasury Management
Stadtwerke sind ein regionaler Stabilitätsanker. Die öffentliche Daseinsfürsorge wird in Deutschland durch eine Symbiose zwischen Kommune und Stadtwerk gewährleistet. Gesellschafts- und wirtschaftspolitische Herausforderungen verlangen deshalb von beiden als Partner ein neues strategisches Denken.
Zu den Herausforderungen an das Treasury Management im kommunalen Querverbund regt Dino Höll, Geschäftsführer der Dessauer Versorgungs-und Verkehrsgesellschaft mbH (DVV), angesichts mangelnder regulatorischer Stabilität eine Diskussion an.
Foto: Thomas Ruttke
Unsere europäischen Nachbarn betrachten respektvoll die teilweise bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts existierenden Strukturen öffentlicher Daseinsvorsorge in Deutschland. Wesentliche Basis dafür sind die Stadtwerke und kommunalen Unternehmen. Doch die neue industrielle Revolution bringt auch kommunale Strukturen und Gesellschaften in eine erhöhte Stresssituation. Energiewende, Digitalisierung der Prozesse, peer-to-peer Transaktionen, destruktive Geschäftsmodelle aber auch erforderliche Ersatz- und Erneuerungsinvestitionen sowie demographische Veränderungsprozesse stellen Stadtwerke heute vor neue Herausforderungen und veränderten Finanzierungsbedarf.
Noch besitzen viele Stadtwerke ein solides wirtschaftliches Fundament, um die Herausforderungen von Energiewende und Digitalisierung zu bestehen und dafür ausreichend liquide Mittel zu akquirieren. Zwingende Vorrausetzungen dafür sind aber neben unternehmensinternen Restrukturierungsprozessen und einer Abkehr von nicht an die Herausforderungen angepassten Ausschüttungen die Stabilität und Glaubwürdigkeit regulatorischer Rahmenbedingungen. Auch sind ausgehend von einer soliden wirtschaftlichen Basis neben der Innovationsfähigkeit die Flexibilität der Produkte und Prozesse sowie der Belegschaft notwendige Bedingung, um anstehende Entwicklungen erfolgreich zu gestalten.
Der typische Querverbund
Die Stadtwerke Dessau befinden sich vollständig im Eigentum der Stadt Dessau-Roßlau und gewährleisten mit ihrer klassischen vier Spartenorganisation einen wesentlichen Teil der kommunalen Daseinsfürsorge. Strukturell bestehen die Stadtwerke Dessau aus 13 Einzelgesellschaften. Die Muttergesellschaft ist keine klassische Holding, sondern erbringt fast alle Servicefunktionen für die technischen Gesellschaften. Neben den klassischen Funktionen wie beispielsweise IT, Personal und Finanzbuchhaltung wird das gesamte Treasury Management über die Muttergesellschaft koordiniert und auch abgewickelt.
Die vier Sparten sind die Energieversorgung, Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, Telekommunikation und öffentlicher Nahverkehr. In den vergangenen Jahren war es dem Stadtwerkekonzern möglich, im Querverbund ein positives Konzernergebnis - also auch nach Übernahme der Verluste des öffentlichen Nahverkehrs - zu erwirtschaften und so eine angemessene Gewinnabführung an die Stadt zu gewährleisten. Dieses Ziel ist auch für die kommenden Jahre gesetzt. Gleichzeitig sollen Verbindlichkeiten abgebaut werden, ohne Investitionen in (neue) Geschäftsfelder zu unterbinden.
Regionale Wertschöpfung durch Stadtwerke
Die Stadtwerke Dessau haben im Jahr 2016 eine Studie zur regionalen Wertschöpfung der Stadtwerke erstellt. Im Ergebnis ist festzustellen, dass von jedem vereinnahmten Euro 47 Cent in der Region verbleiben und damit zur Stärkung und Sicherung der regionalen Wirtschaftskraft dienen. Diesen regionalen Mehrwert zu erhalten, ist Teil der öffentlichen Zwecksetzung von Stadtwerken.
Hier ist auch die Bundes- und Europapolitik gefragt. Jüngst wurde aber durch politische Entscheidungen hervorgerufene fehlende regulatorische Stabilität zu einem kaum prognostizierbaren Risikofaktor für Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit. Es bleibt zu hoffen, dass im politischen Berlin und Brüssel die unverzichtbare Rolle der Stadtwerke für kommunale Stabilität und Daseinsfürsorge entsprechende Berücksichtigung finden wird.
Wirtschaftliche Herausforderungen im Querverbund
Nachfolgend soll beispielhaft auf die wirtschaftlichen Herausforderungen der Sparten Energieversorgung sowie Trink- und Abwasser eingegangen werden.
In der Sparte „Energieversorgung“ ist das klassische Geschäft wie Gas, Strom, Erzeugung und Fernwärme gebündelt. Als Infrastrukturbetreiber haben EVUs in den vergangenen Jahren eine weitgehend sichere und angemessene Verzinsung realisieren können. Dies scheint nun endgültig vorbei zu sein. Zum einen werden insbesondere die Stadtwerke in den neuen Bundesländern durch die geänderte Anreizregulierung überproportional belastet. Hier können wir nur durch umfassende Optimierungsprozesse gegensteuern. Finanzierungsprobleme bestehen hier meist nicht, da nur wenige Großinvestitionen anstehen.
Ganz anders steht es um den Kraftwerksbereich, hier lassen sich wesentliche Risiken erkennen. Die Stadtwerke Dessau erzeugen mittels Gas- und Braunkohle im KWK-Prozess Fernwärme und Strom. Aktuell wird die Ersatzinvestition in eine neue Gasturbine geprüft. Diese ist erforderlich, da die vorhandene Gasturbine ihr technisches Laufzeitende erreicht hat und die Braunkohlekessel maximal noch fünf Jahre betrieben werden dürfen. Derzeit wird auch ein vorzeitiger Kohleausstieg aus technologischen, wirtschaftlichen und umweltpolitischen Gründen analysiert. Großinvestitionen, wie die in eine neue Gasturbine, stellen das Treasury Management vor große Herausforderungen. Ohne jegliche Förderung sind entsprechende Anlagen kaum wirtschaftlich realisierbar.
Mit dem derzeitigen regulatorischen Rahmen wie KWK-Förderung und vermiedene Netzentgelte kann die Schwelle der Wirtschaftlichkeit erreicht werden. Für eine Bankenfinanzierung muss stärker als in der Vergangenheit die Ertragskraft nachgewiesen werden. Da diese wesentlich durch den Zeitraum des Fördermittelbezuges bestimmt wird, werden sich die Darlehenslaufzeiten daran orientieren.
Anders als in vergangenen Jahren kann nur dringend angeraten werden, Abschreibungen auf Neuinvestitionen planmäßig am Liquiditätsrückfluss auszurichten, um unerwartete außerplanmäßige Wertminderungen zur „Unzeit“ zu vermeiden. Dies bedingt auch, dass eine nicht nachhaltige Quersubventionierung von (Wärme-)Preisen keinesfalls vorgenommen werden sollte.
Disruptive Geschäftsmodelle
Mindestens genauso wichtig wie die Infrastruktur und die Erzeugung ist der Vertrieb innerhalb der Sparte Energieversorgung. Hier soll nur auf einen Aspekt eingegangen werden. Eine erste Welle der Änderung der Geschäftsmodelle bewirkte die Liberalisierung des Energiemarktes, diese wurde durch die Stadtwerke gut gemeistert. Die nun aufkommenden Geschäftsmodelle sind eine viel größere Herausforderung. Schnelle Reaktion wie die Gründung und der Kauf- und Verkauf von Aktivitäten sowie das Subsidiaritäts- und Regionalprinzip können bei längeren Genehmigungsprozessen zu Wettbewerbsnachteilen führen. Hier sollten Flexibilisierungen im Kommunalrecht in Erwägung gezogen werden. Auch beim Datenschutz wird teilweise mit zweierlei Maß gemessen.
Herausforderung Fristeninkongruenz
In der Sparte „Trink- und Abwasser“ bestehen die Herausforderungen für das Treasury Management insbesondere in der Fristeninkongruenz zwischen Abschreibungs- und Tilgungsdauer. Bei der rohrnetzgebundenen Infrastruktur können diese um 10 bis 20 Jahre divergieren. Dies bedingt bei den DVV einen Kapitalbedarf von rund 1 bis 2 Mio. EUR pro Jahr, der aus dem Konzernverbund bereitgestellt wird. Um die theoretische Umkehr dieses Effektes in der Praxis sicherzustellen, ist eine strukturierte Finanz- und Investitionsplanung notwendig. Dies wird zusätz-lich erschwert, da die Großinvestitionen der 90er Jahre nach nun fast 30 Jahren teilweise größere Ersatz- und Neuinvestitionen erfordern. Hier muss zwingend sichergestellt werden, dass keine neue Spirale der Fristeninkongruenz beginnt. Wenn die klassischen Fremdkapitalgeber nicht zur langfristigen Finanzierung bereit sind, sollte auch über mögliche Bürgerfinanzierungen wie bspw. Genussrechte, Anleihen oder Nachrangdarlehen nachgedacht werden. Damit kann das Stadtwerk die Uraufgabe der Bürgernähe und der regionalen Wertschöpfung weiter leben und ausprägen.
Cash Pooling für Liquidität und Effizienz
Die monetäre Steuerung des Stadtwerkekonzerns erfolgt über die Muttergesellschaft. Getreu dem Grundsatz, dass alles was automatisiert werden kann auch automatisiert wird, wurde im Jahr 2016 ein Cash Pooling eingeführt. Die Kontostände aller Tochtergesellschaften werden taggleich vollautomatisch auf null gestellt und auf die Muttergesellschaft umgebucht. Dies ermöglicht eine optimale Bündelung sämtlicher Liquidität im Konzern. Die manuelle Überwachung der Liquiditätsstände der Einzelgesellschaften konnte entfallen und so Effizienzgewinne in der Bearbeitung und die Minimierung der Risiken zusätzlicher Kosten durch Transaktionsfehler realisiert werden.
Die Einführung eines Cash Poolings stellt die Voraussetzung für die Etablierung eines Treasury Management Systems dar. Diesbezüglich haben wir uns für die Softwarelösung der Commerzbank entschieden. Zur Unternehmenssteuerung ist insbesondere das taggenaue konsolidierte Reporting sowie die nach einmaliger Einrichtung weitgehend automatisierte Liquiditätsplanung entscheidend.
Gerade bei Multispartenkonzernen fällt die Risikobetrachtung der Banken sehr unterschiedlich aus. Insbesondere bei der Übernahme von ursächlich gemeinwirtschaftlichen Aktivitäten, wie z. B. der Abwasserentsorgung, wird die höhere Verschuldung zu negativ berücksichtigt, ohne dass die Entgeltfinanzierung und der Kostendeckungsgrundsatz entsprechend positiv gewichtet werden. Ein weiteres Beispiel stellt die Berücksichtigung von Investitionen im Rating dar. Teilweise werden hier die tatsächlich geplanten Investitionen auf die Höhe der Abschreibungen angepasst, was negative Auswirkungen haben kann.
Gerade in solchen Fällen ist eine umfassende Information der Kapitalgeber zwingend, um Nachteile für das Stadtwerk zu vermeiden. Ein wesentliches Element hierfür bildet ein Treasury Management System.