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< Bausteine für ein effizientes Verteilernetzmanagement
01.04.2015 10:22 Alter: 10 yrs

Stabiles Stromnetz trotz Energiemix

Der Anteil der regenerativen Energien an der Bruttostromerzeugung in Deutschland ist im Jahr 2014 auf 26,2 Prozent gestiegen. Mit diesem Zuwachs gewinnen die Erneuerbaren Energien immer mehr an Bedeutung im deutschen Strommix. Damit steigt aber gleichzeitig der Handlungsdruck für die weitere Markt- und Systemintegration der regenerativen Energien und auf die Stromnetze. In einem Gastbeitrag zeigt Institutsleiter Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Schenk vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg an zwei Forschungsprojekten Wege zur intelligenten Steuerung von Energie auf.


Foto: Dirk Mahler / Fraunhofer IFF

Verbraucher werden heute immer häufiger zu Erzeugern, mit der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, dem kleinen Blockheizkraftwerk im Keller oder dem Windrad auf der Wiese. Viele Unternehmen erzeugen einen guten Teil ihrer elektrischen Energie selbst, um Kosten zu sparen. Diese Entwicklung hat vor allem Auswirkungen auf die Verteilernetze. Erfolgte der Stromtransport früher linear vom Kraftwerk zum Verbraucher, ist heute die Einspeisung in das Netz aus einer Vielzahl dezentraler Erzeugungsanlagen zu steuern.

Energie intelligent steuern

Wenn Wind und Sonne ausreichend zur Verfügung stehen, kommt der Strom in Deutschland nicht aus den konventionellen Kraftwerken, sondern immer häufiger komplett aus den inzwischen mehr als 1,5 Millionen dezentralen Einspeisepunkten. Die Menge des erzeugten Stroms übersteigt immer häufiger die Last – wobei jedoch beide Seiten ständig im Gleichgewicht gehalten werden müssen. Kritisch wird die Situation im Netz, wenn an sonnigen und windigen Tagen am Wochenende wenig Energie verbraucht und die gesamte verfügbare Energie aus erneuerbaren Quellen in das Netz eingespeist wird. Dann droht die Spannung im Netz zu stark anzusteigen. An anderen Tagen dagegen wird die Spannung zu schwach, wenn der Verbrauch sehr hoch ist.

Um diese Situation im Netzbetrieb zu meistern, kann ein Lösungsansatz sein, die Spannung direkt mit dezentralen Anlagen regional und netzunterstützend zu regulieren. Forscher vom Fraunhofer IFF, der Otto-von- Guericke-Universität Magdeburg und ihre Partner ABO-WIND AG, ZERE e.V., MITNETZ Strom und GETEC Heat & Power untersuchen deshalb im Forschungsprojekt »REStabil« , wie dezentrale Energieanlagen (zum Beispiel Photovoltaik-, Wind- oder Biogasanlagen) dazu beitragen können, das Stromnetz zu stabilisieren und welche technischen Veränderungen dafür notwendig sind. Einbezogen in die Untersuchungen wurden auch Anforderungen an intelligente Netzführung und zukünftige Leitstellen. Gefördert wird »REStabil« mit rund einer Million Euro durch das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, finanziert aus EFRE-Mitteln.

Biogasanlage zur Spannungsregulierung

In einem öffentlichen Live-Versuch im Februar 2015 konnte demonstriert werden, wie sich die Spannung im Mittelspannungsnetz von Kemberg bei Wittenberg regulieren lässt. Zu den dortigen Windrädern und Photovoltaik- Anlagen wurde eine Biogasanlage an das Netz geschaltet und die Veränderungen in den Netzparametern über die Anlagensteuerung visualisiert. Dr.-Ing. Przemyslaw Komarnicki vom Geschäftsfeld Prozess- und Anlagentechnik am Fraunhofer IFF konnte im Ergebnis einschätzen, dass dezentrale Anlagen durchaus das Steuerungspotenzial für regionale Netze bergen und die Systemansätze hohes Umsetzungs potenzial besitzen.

Die vorliegenden Forschungsergebnisse aus »REStabil« zeigen, wie man Energie aus erneuerbaren Quellen netzunterstützend managen kann. Jetzt müssen sich am Markt noch neue Geschäftsmodelle für das Wechselspiel aus Einspeisern und Verbrauchern zwischen Anlagen- und Netzbetreibern entwickeln, damit diese Lösungen eine wirtschaftliche Anwendung finden.

Problem der Datenübermittlung

Wie lässt sich das elektrische Verteilernetz trotz der schwankenden Einspeisung dezentraler Ökostromerzeuger kontinuierlich und sicher in einem stabilen Zustand halten? Der gestiegene Anteil regenerativer Einspeisung auf über 25 % bringt die Netze immer mehr an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit und verstärkt den Handlungsdruck für die Markt- und Systemintegration. Erfolgte die Regelung des Netzes in den letzten Jahren weitgehend ohne größere Ausfälle, betrachten die Netzbetreiber die Entwicklung nicht ohne Sorgen. Eines der Probleme ist, die vorhandenen Stromleitungen übermitteln bislang kaum Daten direkt an die Schaltwarten.

Wie viel Energie eine Leitung tatsächlich überträgt, wird heute im Verteilernetz in der Regel nicht gemessen. Zumeist errechnet man Werte aus den Daten, die Kraftwerksbetreiber und die großen Umspannwerke liefern. Dies führt zu Unsicherheiten, da entweder die Übertragungspotenziale einzelner Trassen nicht vollständig ausgenutzt werden oder es andernfalls zu einer Überlastung kommen kann. Wenn dann noch Ereignisse wie etwa ein schneller Lastwechsel oder ein Leitungsausfall hinzu kommen, entsteht eine nur schwer beherrschbare Situation.

Die (Mess-)fühler eng am Stromnetz

Mit dem im Dezember 2013 ins Leben gerufenen Forschungsprojekt »SECVER« (Sicherheit und Zuverlässigkeit von Verteilungsnetzen auf dem Weg zu einem Energieversorgungs system von morgen) arbeiten wir an der Entwicklung und Erprobung neuer Lösungen, mit denen das elektrische Verteilernetz trotz schwankender Einspeisung dezentraler Ökostromerzeuger kontinuierlich und sicher in einem stabilen Zustand gehalten werden kann. Unter der Koordination des Fraunhofer IFF arbeiten hier Forschungseinrichtungen, Energieversorger, Anlagenbetreiber und Technologieunternehmen zusammen. In einem Testgebiet im Harz ermittelt SECVER die tatsächlichen Stromflüsse im 110-KV-Hochspannungs netz. Praxispartner sind hier der Regionalnetzbetreiber Avacon und die Siemens AG. Die an verschiedenen Leitungspunkten gemessenen Stromflüsse und Spannungswerte werden als komprimierte Datensätze per LTE-Funk in Echtzeit übertragen. Ziel des Projektes ist letztlich ein Systemmonitoring und eine automatisierte Steuer- ung der Netzanlagen. Einbezogen werden dabei auch Werte wie die Wirk- und Blindleistung. Die Frequenzhaltung ist im regionalen Verteiler netz derzeit kein Gegenstand des Projektes, da diese – noch – von den am Übertragungs netzbetreiber einspeisenden Großkraftwerken übernommen wird.

Inzwischen liegen aus dem Versuchsgebiet im Harz (hier sind momentan zehn Messpunkte in Betrieb) erste Erfahrungen vor. In einigen Leitungen sind bis zum Erreichen von kritischen Werten durchaus noch zehn, in einigen Fällen sogar 20 % Übertragungspotenzial vorhanden. An anderen Orten sind aber auch die Grenzen erreicht. Die Ergebnisse können damit schon heute in die Fahrweise der Schaltzentralen einfließen und haben auch Einfluss in die Planung des Netzausbaus.

www.iff.fraunhofer.de