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Smart-City-Reallabor für Südbaden
Das Internet der Dinge (IoT) eröffnet für die Städte und Gemeinden riesige Chancen, die Funktionalität des kommunalen Raums zu verbessern. Und es kommen sofort viele Fantasien zusammen. Sie kreisen um die klassischen Aufgaben der Daseinsvorsorge, aber auch um ÖPNV, um Bürgerservice, um Kommunikation und den Umwelt- und Klimaschutz.
„Viele Städte und Gemeinden reden über IoT, aber sie haben nur vage Vorstellungen, was bei ihnen konkret verändert werden müsste, beziehungsweise, wo sie überhaupt den Hebel ansetzen sollen, um an den Verheißungen der digitalen Welt auch bei ihren ganz lokalen Aufgaben teilhaben zu können.“ Robin Grey
IoT muss für Kommunen einen messbaren und erlebbaren Nutzen stiften. Schafft sie das nicht, dann bleibt die Technologie mit all ihren Möglichkeiten beschränkt auf die schönen Folien der Kongresse, Anbieter und Berater, ohne je dem Praxistest ausgesetzt zu sein. Weil aber nicht jede Kommune auf eigenes Risiko so einfach mal loslegen kann und will, braucht es planvolle Pilotprojekte, in denen Dinge ausprobiert werden können, wo sie im Echtbetrieb auf ihren Nutzen abgeklopft werden und auf ihre Übertragbarkeit für möglichst viele Städte und Gemeinden.
Konzept für ein Reallabor
So ist das Setting zu verstehen, das badenova mit ihrer Tochter bnNETZE und die Thüga in ihrem gemeinsamen Reallabor für Südbaden konzipiert haben. Dieses Reallabor verfolgt das Ziel, Smart-City-Anwendungen in fünf unterschiedlichen Kommunen zu erproben. Da Großstädte nicht die Regel sind, sondern wir nicht nur in Südbaden sondern im gesamten Thüga-Verbund eher ländliche und kleinteilige Strukturen antreffen, verfolgen wir den Anspruch, Smart City und Smart Village unter ein Dach zu bekommen.
Neben der Großstadt Freiburg sind mit den Städten Lahr und Breisach sowie mit den Gemeinden Kirchzarten und Gundelfingen Kommunen beteiligt, die eine hohe Umsetzungsbereitschaft einbringen und das Spektrum des Thüga-Verbundes sehr gut widerspiegeln. Diese Kommunen haben auch erkannt, dass die Digitalisierung im Allgemeinen und IoT im Besonderen Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende sind. Dem entspricht ja häufig auch die Auftragslage von Stadtwerken durch die Kommunalpolitik.
Teilweise sind die fünf Pilotkommunen schon einen Schritt weiter, weil sie alle bereits mit Unterstützung von badenova verschiedene intelligente Anwendungen in den Bereichen Mobilität, Gebäude, Umweltschutz und Technische Betriebe - wie Smart Parking, Verkehrszählung, Messung der (Raum-)Luftqualität sowie Gewässer- und Füllstandsmonitoring planen oder erproben. Beispielsweise sollen in Lahr die stets aktuelle Belegung eines Wohnmobil-Stellplatzes sowie die Besucher eines Schwimmbades erfasst werden.
Es geht immer um den Nutzen
Die Beispiele zeigen bereits: Es geht immer um einen Nutzen. Kostensparen, Personal entlasten, Effizienzgewinn oder CO2-Effekt. Ganz allgemein gesprochen: Lebensqualität erhöhen. Dafür IoT-Technologien einzusetzen, ist Ziel und Aufgabenstellung des Smart-City-Reallabors. Die badenova Netztochter bnNETZE hat schon einige auf der LoRaWAN-Technologie basierende IoT-Funknetze in der Region aufgebaut. Neben der LoRaWANTechnologie setzt badenova aber auch andere IoT-Standards wie z. B. sigfox ein. Der genaue Umsetzungsweg wurde zunächst bewusst offen gehalten, um den Gestaltungsspielraum der beteiligten Kommunen nicht einzuengen.
In einem ersten Schritt haben wir jetzt die Anwendungsbereiche mit den kommunalen Partnern priorisiert und den Fokus auf diejenigen gelegt, die den meisten Erfolg im Skalieren versprechen. Das sind vor allem Verkehr und Mobilität, Gebäude, Umweltschutz und Ressourcenverbrauch sowie technische Betriebe. Ganz konkrete Beispiele sind die Überwachung von Innenstadt, P&R- sowie Besucherparkplätzen, Verkehrszählung im öffentlichen Bereich, On-Demand-Steuerung von Bürgerbussen, Überwachung von Objekten, Energiemanagement, Überwachung der Luft- und Bodenqualität, Tracking, Füllstände, Prädiktive Verfahren zur Instandhaltung und die Überwachung von Gewässern.
Ganz formal soll der Testbetrieb Anfang 2021 starten. Er ist für mindestens 18 Monate angesetzt. Der geplante Probelauf eröffnet wesentliche Erkenntnisse für den Wandel zur Smart City – oder eben zur Smart Region. Diese Erkenntnisse stehen in Folge auch allen weiteren Thüga-Partnerunternehmen zur Verfügung.
Datenströme verknüpfen
Um zu verstehen, welche enormen Potenziale wir darin sehen, verschiedene Datenströme des öffentlichen Lebens einer Kommune miteinander zu verknüpfen, muss man sich kurz die Ist-Situation vergegenwärtigen. Bisher sind die meisten Anwendungen im kommunalen IoT-Bezug auf isolierte Datenquellen ausgerichtet. Es werden einzelne Betriebsparameter gemessen und visualisiert, aber nicht in Bezug zu anderen Datenquellen gebracht.
Das Reallabor soll hierzu aus bestehenden Anwendungen einzelne Fälle herausgreifen und deren Nutzen exemplarisch durch zusätzliche Datenkorrelationen erweitern - z. B. bei der Verkehrszählung und Luftqualitätsdaten oder bei der Auslastung von P&R-Parkplätzen und Wetterdaten. Erst daraus ergeben sich valide prädiktive Modelle im Sinne von: Wenn das Wetter „X“ ist, dann wird die Parkplatzauslastung „Y“ und die Luftqualität verändert sich in Richtung „Z“ – und man kann darauf reagieren. Nochmals zurück zum Stichwort „Lebensqualität“. Durch die Smart-City-Anwendungen können die Kommunen die Lebensqualität ihrer Bürgerinnen und Bürger signifikant erhöhen, indem sie zum Beispiel für saubere Luft, für bequemen ÖPNV, für weniger Lärm, für schnelle und unkomplizierte Prozesse im Bürgerservice und für mehr Freizeitkomfort sorgen. Smart City ist nicht immer 100 Prozent digital. Schon der Bau eines lokalen Fernwärmnetzes, das durch ein Blockheizkraftwerk gespeist wird, kann ein wichtiger Bestandteil für Smartness sein. Oder ein schlaues Konzept, um die Öffnungszeiten des lokalen Einzelhandels mit den Konsumerwartungen der Bürger zu synchronisieren. Die Liste ist beliebig erweiterbar. Der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt.
Digitalisierung im kommunalen Kontext
Wenn es um die Digitalisierung im kommunalen Kontext geht, wollen wir aufzeigen, dass Städte und Gemeinden für all diese datenlastigen Themen einen vertrauenswürdigen Partner benötigen, der idealerweise nicht in einem amerikanischen Großkonzern und in der weltweiten Datencloud unterwegs ist, sondern in der Region mit Ansprechpartnern, die man kennt und die jederzeit greifbar sind. Eng mit all unseren Smart-City-Aktivitäten verbunden ist für badenova eine klare digitale Wertorientierung.
Die Kommunen haben eine besondere Sorgfaltspflicht gegenüber den Bürgern, dem besonders Rechnung getragen werden muss. Grundsätzlich befürwortet badenova eine ausgeprägte Open-Data-Kultur, die die Nutzung frei verfügbarer Daten barrierefrei macht und in Teilen gegenüber dem Bürger entkommerzialisiert. Damit zusammen hängt auch der Anspruch auf Gleichbehandlung und Diskriminierungsfreiheit: die Nutzung von kommunalen Daten darf keine Preis-Barriere aufstellen, die unterprivilegierte Gruppen der Gesellschaft ausschließt. Wichtig ist deshalb vor allem die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Kommune. Die Umsetzung von loT-Projekten mit kommunalen Unternehmen erweist sich auch und speziell in diesem Kontext als der beste Weg.
Thüga-Verbund ist starker Partner
Diese Anforderung kann badenova im Thüga-Verbund idealtypisch erfüllen. Denn badenova ist als regionaler Energiedienstleister komplett in kommunalem Eigentum. Das historisch gewachsene Kerngeschäft in der Region Baden im Südwesten Deutschlands dreht sich um Strom, Erdgas, Wasser und Wärme. Durch den flächendeckenden Betrieb eigener Netz-Infrastruktur wird badenova und ihrer Netztochter bnNETZE ein sehr hohes Vertrauen in die technische Kompetenz entgegengebracht, ebenso in den verlässlich geschützten Umgang mit Kundendaten.
Kommunale Unternehmen können die Verantwortung gegenüber den Bürgern bei den Themen Sicherheit, Datenschutz, lokale Wertschöpfung, lokale Community bestmöglich einhalten. Vor allem in hoch-sensiblen Anwendungsfeldern (z.B. Gesundheitswesen, Pflege, Alarmund Notfallsysteme) darf es keine Wirtschaftlichkeitsmaxime zu Lasten der Funktionalität/Zuverlässigkeit geben. Geschlossene Systeme von Großkonzernen, die vom Sensor, über Transport und Analyse der Daten bis hin zur Web-Oberfläche alles aus einer Hand anbieten, haben in diesem Konzept nur bedingt ihren Platz, da sie der Kommune zum einen den Eingriff in die Prozesse verbieten und ihr die Datenhoheit aus der Hand nehmen.
Es muss nicht Google sein
Wir als badenova mit unserer Tochter badenIT bauen und betreiben leistungsfähige regionale Rechenzentren, engagieren uns für den Ausbau von Glasfasernetzen und schaffen an vielen Fronten die Voraussetzungen für die digitale Stadt. Wir sind überzeugt und wollen auch dies durch das Reallabor sichtbar machen, dass EVU die geborenen Partner der Kommunen bei ihrem Wandel zu Smart Citys und Smart Villages sind.
Die Kunst, als EVU die Kommunen bei der Entwicklung in Richtung Smart-City zu unterstützen, zeigt sich vor allem darin, die Kompatibilität der unterschiedlichen Datenstrategien herzustellen: je mehr ein EVU in der Lage ist, „seinen" Kommunen bei der Herausbildung des digitalen Zwillings der Stadt oder der Gemeinde zu helfen, desto stärker wächst die Bereitschaft der Kommunen, bei diesen Themen auf „ihre" Unternehmen zurückzugreifen.