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Sichere Stromversorgung in unsicheren Zeiten
Auch unter außergewöhnlichen Umständen steht 50Hertz für Sicherheit und Stabilität bei der Stromversorgung. Als für eine kritische Infrastruktur verantwortliches Unternehmen nimmt 50Hertz die vom Corona-Virus (COVID-19) ausgehenden Risiken sehr ernst. Vorsichtsmaßnahmen werden täglich neu bewertet um den Geschäfts- und Systembetrieb aufrecht zu erhalten. Ein Gastbeitrag von Stefan Kapferer, Vorsitzender der Geschäftsführung 50Hertz Transmission GmbH.
Stefan Kapferer ist seit Dezember 2019 Vorsitzender der Geschäftsführung von 50Hertz und Mitglied des Steuerungsgremiums der deutsch-belgischen Elia
Group (Elia Group Commitee). Als Teil der Elia Group betreibt 50Hertz das Übertragungsnetz im Norden und Osten Deutschlands und ist damit für die sichere Stromversorgung von rund 18 Millionen Menschen verantwortlich.
Von 2016 bis 2019 leitete Stefan Kapferer als Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung den Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). In dieser Zeit wirkte er als Mitglied der „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ daran mit, einen von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragenen Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland vorzubereiten.
Es liegt auf der Hand: ohne eine rund um die Uhr zuverlässige und stabile Stromversorgung ist das moderne Leben nicht vorstellbar. Und gerade in Zeiten einer Ausnahmesituation, wie in der derzeitigen Corona-Krise, muss die Stromversorgung unterbrechungsfrei und stabil sein. In den Krankenhäusern müssen Ärzte und Pflegepersonal zuverlässig arbeiten können, die Menschen brauchen wie in normalen Zeiten Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs, die Wirtschaft muss produzieren können. Als Betreiber einer kritischen Infrastruktur gehört 50Hertz zu den systemrelevanten Unternehmen und Organisationen und ist daher auf ganz unterschiedliche Notlagen vorbereitet.
Vor diesem Hintergrund ist es selbstverständlich, Pläne zum Umgang mit Krisen und Notfallsituationen vorzuhalten. Das gehört gewissermaßen zu unserer DNA. Daher ist das gesamte Übertragungsnetz nach den sogenannten (n-1)-Kriterien aufgebaut und hält immer Reserven und Puffer für Störungen jeglicher Art bereit. Auch ein Pandemieplan, den wir in unserem Unternehmen schon vor vielen Jahren nach Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Robert Koch Institutes (RKI) aufgesetzt haben, gehört selbstverständlich dazu. Im Umgang mit einer solchen Pandemie muss man grundsätzlich unterscheiden zwischen dem Systembetrieb und dem Geschäftsbetrieb.
„Control-Center“ ist Herzstück des Systembetriebes
Herzstück des Systembetriebes ist die Leitwarte, bei uns „Control Center“ genannt. Von hier aus steuert ein Team von Expertinnen und Experten rund um die Uhr das Übertragungsnetz und hält permanent die Balance zwischen Produktion und Verbrauch von Strom. Dazu können aus dem Control Center heraus im Bedarfsfall Kraftwerke angewiesen werden, herauf- oder herunterzufahren und – wenn es hart auf hart kommt, können auch große Abnehmer von Strom temporär vom Netz genommen werden. 50Hertz betreibt ein Control Center am Stadtrand von Berlin. Unser „Reserve Control Center“ wird gemäß unserer Sicherheitsarchitektur ebenfalls permanent betriebsbereit vorgehalten.
Für die Beschäftigten in diesen Leitwarten sowie in den für die Aufrechterhaltung des Netzes zwingend notwendigen technischen Teams gelten besondere Anforderungen, um sie vor Bedrohungen, weit über die derzeitige Risikolage durch das Coronavirus hinaus, zu schützen. Mit den Mitarbeitenden in diesen Teams wurden daher sehr frühzeitig, noch vor Inkrafttreten behördlicher Maßnahmen, bestimmte Maßnahmen zur Reduzierung von Außen- und Sozialkontakten vereinbart. Diese Maßnahmen werden den aktuellen Entwicklungen folgend täglich überprüft und bei Bedarf angepasst. Auch eine völlige körperlich-physische Abschottung von der Außenwelt – man spricht in diesem Zusammenhang von „Kasernierung“ – gehört zu den Szenarien, war aber bisher nicht erforderlich. Auch für eine solche Situation sind wir gerüstet, sowohl im Hinblick auf die baulichen Maßnahmen als auch auf die Versorgung der Kolleginnen und Kollegen mit Dingen des täglichen Bedarfs. Die Mitarbeitenden in den Leitwarten erhalten regelmäßig intensive Trainings zum Umgang mit Stresssituationen und werden daher auch mental auf eine so außergewöhnliche Situation vorbereitet.
Lage- und Risikobewertung
Die Mehrzahl der über 1.100 Mitarbeitenden von 50Hertz ist jedoch nicht im Systembetrieb tätig, sondern in anderen Geschäftsbereichen, die für den wirtschaftlichen Betrieb eines Übertragungsnetzbetreibers erforderlich sind. Deren Präsenz vor Ort im Unternehmen ist nicht jederzeit zwingend erforderlich, so dass sich 50Hertz sehr frühzeitig entschieden hat, mobiles Arbeiten von zu Hause zu ermöglichen bzw. dieses ausdrücklich nahezulegen. Darüber hinaus haben wir sehr schnell strikte Regelungen bei Dienstreisen und Kontakten zu anderen Personen erlassen. Wir überprüfen diese Vorsichtsmaßnahmen regelmäßig und passen sie nach Maßgabe der geltenden Regeln und Anordnungen von Behörden an. Schon Ende Februar wurde, als Vorstufe zu einem Krisenstab, eine Task-Force eingerichtet, in der Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens täglich die aktuelle Lage und daraus resultierende kurz- und mittelfristige Risiken bewerten sowie entsprechende Maßnahmen einleiten. Selbstverständlich sind wir als Unternehmen auch in vertrauensvollem Austausch mit unseren deutschen, europäischen und internationalen ÜNB-Kollegen.
50Hertz verfügt zudem über eine gut ausgebaute digitale Infrastruktur. Das flächendeckende Umschalten auf mobiles Arbeiten von zu Hause etwa hat reibungslos funktioniert. Es hat sich bewährt, dass unser Unternehmen bereits seit einigen Jahren das mobile Arbeiten auch im Netzquartier, also das unterbrechungsfreie Arbeiten überall im Bürogebäude, nicht nur propagiert, sondern auch praktiziert.
Reibungsloser System- und Geschäftsbetrieb
Insgesamt ist es 50Hertz gelungen, in der Corona-Krise den System- und Geschäftsbetrieb ohne Einschränkungen aufrechtzuerhalten. Daran ändern – Stand heute – auch externe Faktoren wenig, die mit einem Rückgang der wirtschaftlichen Produktivität und damit einer rückläufigen Stromnachfrage zusammenhängen. Die Veränderungen auf der Nachfrageseite sind weitgehend angekündigt und daher gut planbar. Das gilt auch für Stromexporte in benachbarte Regelzonen des In- und Auslands.
Grundsätzlich ist der Einfluss von Nachfrageschwankungen gegenüber dem Einfluss volatiler Erzeugung aus Wind- und PV-Anlagen tendenziell ohnehin nachrangig. Das heißt: Viel komplexer als die Schwankungen auf der Verbrauchsseite sind die hohen Schwankungen bei der Einspeisung Erneuerbarer Energien – und die hat 50Hertz im Griff. So konnten wir im Februar 2020 im Monatsdurchschnitt rund 85 Prozent des Strombedarfes in unserem Netzgebiet durch Strom aus volatilen Windkraft- und Solaranlagen decken. Das war ein neuer Höchststand und zeigt, wie flexibel und sicher wir das Netz steuern.
Sollte es wider Erwarten erforderlich werden, stehen uns – auch im Verbund mit den anderen Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland und Europa – ausreichend Werkzeuge zur Verfügung, um mögliche Schwankungen auszugleichen.
Stärkere Auswirkungen hat die derzeitige Situation auf den Betrieb konventioneller Kraftwerke. Denn durch den Rückgang der Stromnachfrage treten aufgrund des Einspeisevorrangs der EEG-Anlagen zunehmend negative Börsenstrompreise auf. Konventionelle Kraftwerke werden in der Folge aus wirtschaftlichen Gründen vom Netz gehen. Ob sich daraus auch Folgen für einen frühzeitigen Ausstieg mancher Kraftwerke aus der Kohleverstromung ergeben, ist derzeit allerdings noch nicht absehbar.
Stromnetzinfrastruktur bleibt im Fokus
Unwägbar ist derzeit auch, ob und inwieweit sich Projekte zum Aus- und Neubau der Stromnetzinfrastruktur verzögern. Die Bauarbeiten an den Projekten werden derzeit unter Berücksichtigung spezieller hygienischer Regeln und klar definierter Verhaltensregeln zur Eindämmung der Pandemie so gut es geht fortgesetzt. Weiterhin werden neue Fundamente für Masten gesetzt und Leiterseile getauscht. Es werden aber nur solche Arbeiten durchgeführt, die eine geordnete und sichere Vorgehensweise ermöglichen. Und bei den laufenden Genehmigungsverfahren hängt die Entwicklung in erster Linie von der Arbeitsfähigkeit der beteiligten Genehmigungsbehörden, Gutachter*innen und Umweltdienstleister ab, sowie von der Möglichkeit der Durchführung digitaler Abstimmungs- und Konsultationsformate.
Im Rahmen der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung haben wir in diesem Zusammenhang einen aktiven Beitrag geleistet, um Verzögerungen zu vermeiden, und umgehend nach Einschränkung der Kontaktmöglichkeiten neue Ansätze entwickelt: So wurden von 50Hertz etwa virtuelle Bürgersprechstunden am Telefon oder im Netz sowie moderierte Telefon- und Skype-Konferenzen organisiert, um weiterhin Informationen mit der Öffentlichkeit, Verbänden, Behörden, Länder- und Gemeindevertretern zu teilen sowie Planungshinweise aufzunehmen.
Sollte es wider Erwarten erforderlich werden, stehen uns – auch im Verbund mit den anderen Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland und Europa – ausreichend Werkzeuge zur Verfügung, um mögliche Schwankungen auszugleichen.
Blick nach vorn
Welche Auswirkungen die Corona-Pandemie im Einzelnen für die Energiewirtschaft und damit für uns als Netzbetreiber haben wird, ist derzeit noch unklar. Allerdings zeichnen sich deutliche Mindereinnahmen bei der EEG-Umlage ab, die die Übertragungsnetzbetreiber als Treuhänder erheben und auf dem EEG-Konto verwalten.
Was die Sicherheitsarchitektur unseres System-und Geschäftsbetriebes betrifft, ist 50Hertz aktuell gut aufgestellt. In allen anderen energiewirtschaftlichen Fragen müssen auch wir abwarten, wie gut unser Gesundheitssystem arbeitet und wie (Welt)Wirtschaft und Politik mit dieser außergewöhnlichen Belastung umgehen.
www.50Hertz.com