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Sichere Stromversorgung braucht sichere Kommunikation
Energiewende und Dezentralisierung machen das System einer sicheren Stromversorgung immer komplexer. Dafür braucht die Energiewirtschaft eine leistungsfähige, sichere und hoch verfügbare Kommunikationsinfrastruktur. Regionalversorger haben jetzt mit dem Aufbau von 450 Megahertz (MHz)-Funknetzen begonnen. Ziel ist, diese schrittweise zu einer nationalen Funknetzplattform zusammenzufassen und interessierten Unternehmen und Organisationen diskriminierungsfrei anzubieten. Mit dem Aufbau und dem Betrieb von 450MHz-Funknetzen in Deutschland realisiert die 450connect GmbH (ein Tochterunternehmen der Alliander AG) in Kooperation mit Energieversorgern ein sicheres und zuverlässiges Kommunikationsnetz.
Zu diesem Vorhaben befragten wir Frank Zeeb (li.), Vorsitzender des Vorstands der Alliander AG und Torsten Maus, Vorsitzender der Geschäftsführung der EWE NETZ GmbH.
Foto: (li.) Alliander AG, (re.) EWE NETZ GmbH
Herr Zeeb, warum gewinnt die Nutzung eines Funknetzes für Energieversorger an Bedeutung?
Die Digitalisierung wird die erheblichen Herausforderungen bei der kommunalen Energiewende deutlich unterstützen. Durch den vermehrten Einsatz von Sensoren und Aktoren in den Energienetzen, sowie dem beginnenden Rollout intelligenter Messsysteme steigen auch im selben Maße die Anforderungen an eine sichere Kommunikation.
Europaweit werden daher zunehmend gesonderte Funknetze im 450MHz-Frequenzbereich aufgebaut, die speziell auf solche kritischen Anforderungen ausgerichtet sind. Der Aufbau eines solchen bundesweiten 450MHz-Funknetzes ist auch für die Energiewirtschaft als Kommunikationslösung geeignet, um die durch Digitalisierung und Dezentralisierung entstehenden Bedarfe zu berücksichtigen.
Herr Maus, wo sehen Sie die Anforderungen an einen Netzbetreiber?
Bereits über 80 Prozent des Energiebedarfs im Gebiet von EWE NETZ wird von dezentralen Einspeiseanlagen, wie Photovoltaik- oder Windenergieanlagen, abgedeckt.
Der rasante Zuwachs dezentraler Erzeugungsanlagen stellt EWE NETZ vor große Herausforderungen. Die wachsende Anzahl dieser Einspeiseanlagen muss in unser Netz integriert und zugleich die Netzstabilität und Versorgungssicherheit bewahrt werden. Hierfür ist EWE NETZ als Betreiber einer kritischen Infrastruktur auf sichere, zuverlässige und langfristig planbare Kommunikationsnetze angewiesen.
Herr Zeeb, mit welchem Ziel initiieren Sie den Aufbau eines bundesweiten 450MHz-Funknetzes als Kommunikationslösung für die Energiebranche?
Als langjähriger Partner von Kommunen und Unternehmen haben wir erkannt, dass es eine Notwendigkeit für ein solches Funknetz gibt, um überhaupt die Energiewende in Deutschland erfolgreich umsetzen zu können. Daher wurde vor zwei Jahren entschieden, die 450MHz-Funknetzplattform als neues Geschäftsfeld für Alliander aufzubauen. Jetzt wollen wir gemeinsam mit Partnern aus der Energiewirtschaft die bisher fehlende bundesweite Kommunikationsinfrastruktur für eine zunehmend dezentral geprägte Energielandschaft flächendeckend und krisenfest aufbauen. Anders als herkömmliche Telekommunikationsnetze funktionieren diese Funknetze mit einer sehr hohen Verfügbarkeit, wodurch die Stromversorgung sicher gesteuert und auch im Schwarzfall schnell wiederhergestellt werden kann.
Durch die vergleichsweise niedrige Frequenz sind im 450MHz-Funknetz (Abb. 1) deutlich weniger Funkstandorte für eine flächendeckende Versorgung notwendig als in öffentlichen Mobilfunknetzen (Abb. 2). Die Frequenz bietet eine hervorragende Gebäudeversorgung und kann auch in Kellerräumen verbaute Anlagen wie Smart Meter Gateways zuverlässig erreichen.
Herr Maus, welche Vorteile bietet diese Technologie dem Netzbetreiber?
Das 450MHz-Frequenzband ist ein weltweit eingesetztes Mobilfunkspektrum, für das moderne und standardisierte Mobilfunktechnologie der dritten Generation (CDMA450) und demnächst der vierten Generation (LTE450) verfügbar ist. Die physikalischen Ausbreitungseigenschaften von 450MHz-Frequenzen in Kombination mit dem Betrieb als nicht-öffentliches Funknetz machen das 450MHz- Funknetz zur idealen Plattform für die Digitalisierung von kritischen Infrastrukturen und adressieren nahezu ideal die Kommunikationsanforderungen im Rahmen der Energiewende.
EWE NETZ hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Kommunikationstechniken hinsichtlich ihrer Eignung für die Anwendungen Betriebsfunk, Smart Grid und Smart Meter untersucht. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die am besten geeignete Lösung ein Netz auf Basis der 450MHz-Frequenz ist, das als eigenständiges und hoch verfügbares Netz unter den Vorgaben der Energiewirtschaft betrieben wird. Vorteile eines 450MHz-Funknetzes sind eine ausreichende Gebäudedurchdringung, die Reichweite und die Frequenzverfügbarkeit. Es werden wesentlich weniger Sendeanlagen benötigt und damit niedrigere Kosten für Aufbau und Betrieb des Funknetzes verursacht.
Herr Zeeb, können Sie uns einige Informationen zum aktuellen Ausbau des Funknetzes geben?
Wir befinden uns aktuell mit sechs größeren regionalen Ankerkunden neben der EWE Netz, auch mit der WEMAG, Westfalen Weser Netz, TEN Thüringer Energienetze, Regionetz über NetAachen und der Netzgesellschaft Düsseldorf im Rollout. Für den Aufbau weiterer regionaler Netze stehen wir in Gesprächen. Unser Ziel ist eine nationale Funknetzplattform, die wir interessierten Unternehmen diskriminierungsfrei anbieten.
Herr Maus, warum beteiligt sich EWE NETZ an dem Vorhaben?
Das 450MHz-Funknetz ist Teil unseres Energiedatennetzes, mit dem EWE NETZ seine intelligenten Netzkomponenten wie regelbare Ortsnetzstationen oder auch Einspeiseanlagen steuert. An das Energiedatennetz können sich künftig weitere konzerninterne Anwendungen für kritische Infrastrukturen anschließen, die einen Zugriff auf das 450MHz-Funknetz benötigen.
Für uns ist die 450MHz-Technologie deshalb eine ideale Ergänzung unseres Energiedatennetzes. Darum beteiligen wir uns auch an der strategischen Partnerschaft mit 450connect und anderen Netzbetreibern bzw. Energieversorgern.