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< Regulatorische Hemmnisse zügig abbauen
03.09.2019 15:39 Alter: 5 yrs

Sektorkopplung ist notwendiger nächster Schritt der Energiewende

Dekarbonisierung. Digitalisierung. Dezentralisierung. Demographischer Wandel. Die Megatrends des 21. Jahrhunderts verändern unser Energiesystem tiefgreifend: weg von zentralen Versorgungsstrukturen hin zu einem dezentralen Energiesystem und mit neuen Rollen für die beteiligten Akteure.


Eine Betrachtung von Marten Bunnemann, Vorstand Avacon AG, einem der größten regionalen Energieversorger Deutschlands.

Foto: Avacon AG

Unser Energiesystem verändert sich grundlegend: Neben dezentraler Energieerzeugung, intelligenten Netzen, Elektromobilität und Sektorkopplung, rücken vor allem die Kunden in den Fokus. Die Digitalisierung ermöglicht es zukünftig den Verbrauchern, aktiv am Energiesystem teilzunehmen und ihre Flexibilität aus Erzeugung, Speicherung und Verbrauch vollständig zu nutzen.

Beim Umbau des Energiesystems und einer erfolgreichen Energiewende kommt den Verteilnetzen eine Schlüsselrolle in der intelligenten Steuerung von Einspeisung, Verbrauch und Speicherung zu. Der durch die Energiewende verursachte Strukturwandel in der Energielandschaft, insbesondere durch den starken Zubau erneuerbarer Energieanlagen, führt zu einer stark schwankenden Auslastung der Verteilnetze und erfordert nicht nur leistungsstarke, sondern auch intelligente Netze.

Smarte Infrastrukturen und digitales Leitsystem

Smarte Infrastrukturen ermöglichen in Zukunft die optimale Steuerung und permanente Beobachtung des Netzes. Sensoren und intelligente Messsysteme liefern Informationen zu Verbrauch und Einspeisung in Echtzeit. Es können dann genaue Aussagen darüber getroffen werden, wann und wo das Verteilnetz ausgelastet ist. Mit diesem Wissen können fokussiert Umleitungen eingerichtet oder Ausbaumaßnahmen angestoßen werden. Darüber hinaus profitiert das Verteilnetz vom zunehmenden Einsatz Künstlicher Intelligenz, die nicht nur dazu beiträgt, die Infrastrukturen intelligenter zu machen, sondern vor allem auch die Effizienz im Bereich der Instandhaltung deutlich erhöht.

Neben einem intelligenten Energienetz bedarf es auch eines digitalen Leitsystems, das die Stromeinspeisung aus Erneuerbaren Energien in großem Umfang sowie den Austausch zwischen den bisher getrennten Energiewelten Strom, Wärme und Mobilität ermöglicht. Intelligente Netze und ein smartes Netzleitsystem bilden damit die Grundlage für die Transformation zu einem zukunftsfähigen Energieversorgungssystem und der erfolgreichen Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr.

Dieser nächste Schritt in der Energiewende ist im Hinblick auf die aktuelle Situation zwingend erforderlich. Das Erreichen der ambitionierten Klimaschutzziele ist angesichts des weltweit angestiegenen Energieverbrauchs und der kaum sinkenden CO2-Emissionen in Gefahr. Mit einem Anteil der Erneuerbaren Energien von 38 Prozent im Stromsektor, 16 Prozent im Wärmesektor und lediglich sechs Prozent im Bereich Verkehr, war die Energiewende bisher lediglich eine Stromwende. An diesen Zahlen zeigt sich, hier sind neue Schritte zu gehen.

Sektorkopplung ist zwingend erforderlich

Der zu Beginn des Jahres veröffentlichte Kohlekompromiss der Bundesregierung wird nicht ausreichen, um die Klimaschutzziele mittelfristig, also bis 2030, zu erreichen. Maßnahmen in den einzelnen Sektoren sowie die Kopplung von Strom-, Wärme- und Verkehrssektor sind daher erforderlich, um wesentlich zur Reduktion von Treibhausgasen beizutragen und die ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen. Durch eine konsequente Kopplung der Sektoren könnten CO2- Emissionen bis zum Jahr 2050 um bis zu 95 Prozent gesenkt werden.

Insbesondere im Verkehrssektor sind Maßnahmen dringlich, dort sind die Treibhausgasemissionen seit knapp 30 Jahren nicht nennenswert gesunken und sollen bis 2030 um mindestens 40 Prozent gemindert werden. Dieses Ziel ist nur erreichbar, wenn im Mobilitätsbereich verstärkt Erneuerbare Energien eingesetzt werden. Aktuell liegt der Anteil Erneuerbarer Energien im Sektor Verkehr bei nur 6 Prozent, was bedeutet, dass rund 94 Prozent (!) der Energie für Mobilität konventionell erzeugt wird.

Die Energiewende im Verkehrssektor ist daher zwingend notwendig. Ein erster Schritt ist der Umstieg auf Elektromobilität und dabei die Vernetzung von E-Fahrzeug, Stromnetz und Erneuerbarer Energieanlagen. Denn nur wenn Elektrofahrzeuge mit grünem Strom betankt werden, fahren sie auch klimaneutral.

Stadtquartiere bieten ebenfalls eine hervorragende Gelegenheit, Sektorkopplung im urbanen Raum umzusetzen. Moderne Blockheizkraftwerke, Wärmepumpen, Erneuerbare Energie, Energiespeicher und Ladeinfrastrukturen können in einer Smart City intelligent miteinander vernetzt werden und einen relevanten Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasemissionen leisten.

Hemmnisse für Power-to-Gas abbauen

Zu weiteren Beispielen der Sektorenkopplung zählen der netzdienliche Betrieb von Speichern (insbesondere im Verteilnetz), flexible KWK-Anlagen (auch verbunden mit Wärmeund Stromspeichern) und die Nutzung der Gasinfrastruktur für synthetische Gase.

Als aussichtsreichste Technologie gilt die Herstellung von Wasserstoff und die darüber hinaus erfolgende Herstellung von synthetischem Methan. Wasserstoff kann vielfältig eingesetzt werden und besitzt ein hohes Anwendungspotential vor allem in den Sektoren Wärme, Industrie und im Schwerlastverkehr. Power-to-Gas ist die am besten verfügbare Technologie zur langfristigen Speicherung von erneuerbarem Strom im Erdgasnetz und der effizienten Nutzung in den anderen Sektoren Wärme und Verkehr.

Auch wenn die Power-to-Gas-Technologie noch keine Marktreife besitzt – diese kann die Schlüsseltechnologie über Reallabore erreichen. Während Elektromobilität in den letzten Jahren gerade beim Aufbau der Ladeinfrastruktur und in der Steigerung der Akzeptanz von E-Fahrzeugen stark gefördert wird, existieren ähnliche Maßnahmen für Power-to- Gas bislang nicht. Hier müssen regulatorische Hemmnisse abgebaut und über zeitlich befristete Maßnahmen Anreize geschaffen werden, um die technologische und wirtschaftliche Bereitschaft anzuregen, den „grünen“ Wasserstoff in großem Maßstab zu produzieren und zu nutzen.

CO2-Preisgestaltung nicht nur diskutieren

Damit die Klimaziele eingehalten werden und die Sektorenkopplung gelingen kann, muss der Strompreis sinken und der Ausstoß von CO2 aus fossilen Quellen einheitlich und höher bepreist werden. Neben der Förderung einzelner Technologien zur Kopplung von Sektoren, gelingt die deutschlandweite Dekarbonisierung durch einen einheitlichen CO2-Preis. Damit würden Energieträger, mit denen viel CO2 ausgestoßen wird, entsprechend an den Kosten der Energiewende beteiligt. Die CO2- Bepreisung der Sektoren, verbunden mit einer Entlastung des Strompreises, kann als Treiber der Elektrifizierung der Sektoren Wärme und Verkehr wirken. Der Einsatz sauberer Energie muss sich lohnen, umweltschädigende Emissionen müssen stärker belastet werden. Nur eine CO2-Bepreisung über alle Sektoren sichert daher die Erreichung der Klimaziele.

Wenn wir also mehr Klimaschutz und weniger CO2-Emissionen erreichen wollen, dann wird dies nur über eine effiziente Kopplung der Sektoren Energieerzeugung, Wärme und Verkehr gelingen. Unter Einsatz von sauberem und wettbewerbsfahigem Strom.

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