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< Energieeffizienz lässt sich von EU-Politik nicht aufhalten
19.11.2014 10:26 Alter: 10 yrs

„Schlafender Riese“ mit viel Potenzial

Die Energiebranche muss den Blick stärker auf den Wärmemarkt richten, wo enorme Effizienz- und Modernisierungspotenziale schlummern. Der flächendeckende Austausch alter Heizungsanlagen eröffnet für Erdgasversorger spannende Geschäftsfelder und Ansatzpunkte – vor allem, wenn auch die Politik entscheidende Schritte mitgeht. Wenn der Wärmemarkt „aufwacht“, kann es sich für Versorger lohnen, meint Martin Heun, Geschäftsführer RhönEnergie Fulda GmbH.


Grafiken: www.zukunft-erdgas.info

Der Wärmemarkt hat mit 40 Prozent den größten Anteil am Energieverbrauch Deutschlands und bietet damit ein riesiges Potenzial, CO2- Emissionen zu reduzieren – ein Hauptziel der Energiewende. Konsequenterweise hat die Politik für den Wärmemarkt ebenso ambitionierte Ziele gesetzt wie für den Strommarkt: Durch erhöhte Energieeffizienz, Senkung der CO2-Emissionen und des Energieverbrauches sowie durch den verstärkten Einsatz von Erneuerbaren Energien soll bis 2050 ein „nahezu klimaneutraler Gebäudebestand“ erreicht werden.

 

Bis 2020 will Deutschland seinen CO2- Ausstoß gegenüber 1990 um 40 Prozent reduzieren – durch Gebäudesanierung, Dämmung, Effizienzmaßnahmen und den Austausch alter Heizungsanlagen.

Trotzdem wird der Wärmemarkt oft als „schlafender Riese“ bezeichnet, weil sein enormes Potenzial bislang meist brachliegt. Wenn von Energiewende gesprochen wird, ist heute meist der Strommarkt gemeint: EEG-Umlage, Stromtrassen und Fotovoltaik-Anlagen werden kontrovers und breit öffentlich diskutiert. Heizungsanlagen scheinen von nachgelagerter Wichtigkeit zu sein.

 

Erdgas ist ein fester Teil der Energiewende

Dabei sprechen die Zahlen eine völlig andere Sprache: Laut Umweltbundesamt werden rund 92 Prozent der in Privathaushalten verbrauchten Energie für Heizung und Warmwasseraufbereitung benötigt. 75 Prozent aller Gebäude in Deutschland stammen aus einer Zeit, in der Energiekosten so gut wie keine Rolle spielten. Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass rund zehn Millionen Heizungen bis 2020 modernisierungsbedürftig sind, um 45 Millionen Tonnen CO2 einsparen zu können. Dieser Modernisierungsdruck wird in den kommenden Jahren die Debatte zur Energiewende buchstäblich „vom Kopf auf die Füße stellen“. Die wirkliche Baustelle der Energiewende ist dann eher der Keller als das Dach.

Bisher ist wenig passiert: Die Modernisierungsrate bei Heizungsanlagen liegt gerade einmal bei drei Prozent jährlich. Ein Grund für diesen Sanierungsstau ist einerseits die hohe Investition. Andererseits schrecken Richtlinien, Vorschriften und der teilweise hohe bürokratische Aufwand ab. Der Wärmemarkt ist zudem gekennzeichnet von einem komplexen Nebeneinander von Ordnungs-, Miet- und Baurecht. 50 Prozent der Besitzer von Eigenheimen, die vor 1990 gebaut wurden, sind heute älter als 60 Jahre: Aufgrund der Amortisationsdauer schrecken sie häufig vor einer Heizungssanierung zurück.

Technologieoffen fördern bringt am meisten

Ausreichende Fördermöglichkeiten und Anreize fehlen. Es existiert etwa keine Lösung, wie Vermieter Investitionen in Heizungssanierung und Wärmedämmung refinanzieren können, ohne dass Mieter unangemessen belastet würden. Stattdessen wird im Wärmemarkt propagiert, was für den Stromsektor zu unpopulär scheint: Sparen sei billiger als erneuerbar zu produzieren. In Neubau und Bestand dreht sich die Diskussion oft nur um Dämmung und Fenstertausch. So verwundert es nicht, dass Branchenkenner oft hämisch kommentieren, der Wärmemarkt sei kein schlafender Riese, sondern liege seit Jahren im Koma.

Aber der Riese wird erwachen müssen. Fakt ist: Ohne eine Energiewende im Wärmemarkt lassen sich die Klimaziele der Bundesregierung nicht erreichen. Die Politik muss sich fragen, ob nicht die technologieoffene Förderung aller Heizungsalternativen wieder Türen öffnet, die in den letzten Jahren zu Unrecht geschlossen wurden. Im Anlagenvertrieb – oder bei Energieversorgungsunternehmen – gilt es, dem Kunden schlüssige, aber auch machbare Konzepte anzubieten.

 

Versorger: Rückbesinnung auf Stärken

Im deutschen Wärmesektor geht der Trend hier klar zu Erdgas: Bei den Neuinstallationen im Jahr 2013 entschieden sich rund 77 Prozent der Bauherren für den Brennstoff, dabei mehr als 60 Prozent für effiziente Erdgas- Brennwertthermen. Diese können mit Erneuerbaren Energien und Effizienzmaßnahmen, zum Beispiel auch mit Gebäudedämmung, kombiniert werden. Ein wichtiges Vertriebsargument sind auch die Kosten: Eine Erdgas- Brennwerttherme schlägt mit einem Fünftel der durchschnittlichen Kosten für eine Fassadendämmung zu Buche.

Eine Möglichkeit für Gasversorger, ihr Kerngeschäft neu zu beleben und für ihre Kunden zum „Problemlöser“ in Sachen Heizungssanierung werden: Die Umstellung auf eine Gas-Brennwerttherme bietet für den Versorger den höchsten Kosten-Nutzen-Wert und erschließt ein großes Kundenpotenzial. Für den Netzbetreiber lohnt sich die Verdichtung ebenfalls. Der Neuanschluss inklusive Beratung lässt die Energieversorger so wieder ihr Kerngeschäft aufnehmen: Die gezielte Kundenansprache und -betreuung entlang der Trassen können mit minimalen Streuverlusten realisiert werden und stärken im Idealfall die Kundenloyalität.

www.re-fd.de