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21.12.2022 12:48 Alter: 2 yrs

Sachsens Zukunftsreviere – Regionen im Wandel

Mit dem Lausitzer Revier und dem Mitteldeutschen Revier ist der Freistaat Sachsen zweifach vom Kohleausstieg der Bundesrepublik Deutschlandes betroffen. Zwei Regionen die unterschiedlicher nicht sein könnten. Strukturwandel ist dort angesagt. Die Sächsische Agentur für Strukturentwicklung (SAS) begleitet und unterstützt diesen Veränderungsprozess auf vielfältige Weise. Einblick in die Arbeit der SAS gibt Geschäftsführer Prof. Dr. Norbert Menke im Gespräch mit THEMEN!magazin.


Prof. Dr. Norbert Menke, Geschäftsführer Sächsische Agentur für Strukturentwicklung Foto: SAS

„In der sächsischen Lausitz sind Konzepte gefragt, wie sie als Energieregion erhalten werden kann, mit Wertschöpfung und Arbeitsplätzen in der Umwandlung Erneuerbarer Energien zu Strom, Wärme, Wasserstoff und Versorgungssicherheit. Eine Entwicklung hin zu Zukunftsrevieren.“ Prof. Dr. Norbert Menke.

Herr Prof. Menke, welche Aufgabenstellung hat die SAS?

Sachsen ist mit dem Mitteldeutschen Revier im Westen und dem Lausitzer Revier im Osten des Freistaates an zwei von drei Braunkohlerevieren in der Bundesrepublik Deutschland beteiligt. Die Herausforderung besteht darin, die betroffenen Regionen als Zukunftsreviere zu stärken für die Zeit nach dem Wegfall der Braunkohlewirtschaft. Dazu gehören zukunftsfeste Arbeitsplätze, neue Wertschöpfungsketten, Fachkräfte und attraktive Lebensbedingungen. Mit rund 10 Milliarden Euro unterstützt die Bundesregierung diesen Veränderungsprozess im Freistaat Sachsen verteilt über 18 Jahre bis 2038. Bundesweit mit bis zu 40 Milliarden Euro. Die SAS unterstützt und begleitet die Initiatoren von Vorhaben, die mit ihren Ideen zur Zukunftsentwicklung in den Revieren beitragen wollen – von der Idee bis zum erfolgreichen Abschluss der Umsetzung.

Können Sie kurz die Ausgangsbedingungen skizzieren?

Betrachten wir zunächst das Lausitzer Revier, das sich vom Süden Berlins bis in das Dreiländereck in Zittau erstreckt. Die Lausitz ist das zweitgrößte deutsche Braunkohlerevier, in dem heute noch etwa 24.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt von der Braunkohle abhängig sind. Davon im sächsischen Teil der Lausitz rund 4.000. Die überwiegend ländlich geprägte Region ist von der Braunkohlewirtschaft und einem überdurchschnittlichen Bevölkerungsrückgang gezeichnet. Einmal mehr konfrontiert der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung die Region mit gravierenden strukturellen Veränderungen. Es geht um Diversifikation der Wirtschaftsstruktur durch Ansiedlung von neuen Wertschöpfungsketten sowie Zukunftstechnologien und die Entwicklung des Lausitzer Reviers als Wirtschafts-, Innovations- und Wissenschaftsregion zu forcieren. Die Verfügbarkeit von Fachkräften und Bevölkerungswachstum sind zwei Seiten der gleichen Medaille und ein Erfolgsfaktor für die Strukturentwicklung.

Im sächsischen Teil des Mitteldeutschen Reviers sind etwa 2.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Braunkohleausstieg betroffen. Auf Grund anderer starker Wirtschaftszweige wie Optik, Mikroelektronik, Biotechnologie und chemische Industrie ist die Region insgesamt unabhängiger von der Braunkohleindustrie. Zudem ist das Mitteldeutsche Revier stark geprägt durch die dynamisch wachsende Stadt Leipzig und die günstige Lage an wichtigen Verkehrsachsen. Hier sind insbesondere Konzepte gefragt die zu einer erfolgreichen Transformation als Energieregion und Chemieregion beitragen. Dazu zählen auch Infrastrukturen zur Produktion und Versorgung der industriellen Zentren mit Wasserstoff sowie Konzepte, die zur Transformation der Chemieindustrie beitragen.

Welche Aufgabenfelder leiten sich daraus für die SAS ab?

Als Sächsische Agentur für Strukturentwicklung entwickeln wir mit den vom Kohleausstieg betroffenen Landkreisen und Kommunen Projekte, die den Strukturwandel zielgerichtet befördern. Als Berater, Förderlotse und Impulsgeber unterstützen wir die vielfältigen Akteure von Strukturwandelvorhaben. Wesentlich für die Arbeit der SAS sind die Qualifizierung der Projekte im Sinne der Förderfähigkeit und die Bewertung der Förderwürdigkeit. Eine zentrale Rolle nimmt die SAS auch in der Koordination des umfassenden Beteiligungsprozesses ein. Auf diese Weise unterstützt die SAS die Arbeit des Sächsischen Staatsministerium für Regionalentwicklung (SMR), das auf Ebene des Freistaates Sachsen für den Strukturwandelprozess verantwortlich zeichnet. In den zurückliegenden zwei Jahren wurden so über 130 Projekte in einem umfassenden und transparenten Beteiligungsprozess für den Strukturwandel qualifiziert. Diese Projekte drängen jetzt zunehmend in die Umsetzung und verändern auch die Schwerpunktsetzung im Aufgabenprofil der SAS.

Können Sie einige Informationen zum aktuellen Projektstand geben?

Gut 1,3 Milliarden Euro sind als Bundesmittel für die 130 ausgewählten Projekte vorgesehen. Grundlage ist ein offener, transparenter und mehrstufiger Prozess nach Vorgaben der sächsischen Förderrichtlinie zur Umsetzung des Investitionsgesetzes Kohleregionen (InvKG). Projektträger sind überwiegend Gebietskörperschaften und deren Unternehmen. Eine direkte Förderung privatwirtschaftlicher Unternehmen lässt das InvKG nicht zu. Auch die sächsischen Universitäten und Hochschulen sind stark engagiert, um die Infrastruktur für Forschung, Entwicklung und Bildung in den Revieren durch Ansiedlung neuer Institute zu stärken.

Betrachtet man die ausgewählten Projekte zum Stichtag 30. September 2022 aus dem Blickwinkel der fünf Schwerunkte des SMR für die Strukturentwicklung, so ergibt sich folgende Zwischenbilanz. Mit 90 Projekten und rund 585 Million Euro Bundesmitteln nimmt der Schwerpunkt „Tourismus und lebenswerte Regionen“ die Spitzenposition ein. Dahinter folgt „Mobilität und IT“ mit 16 Projekten und Finanzmitteln von gut 365 Millionen Euro. Gut 270 Millionen Euro und 9 Projekte entfallen auf „Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie“. Die restlichen Finanzmittel verteilen sich auf „Energiemodellregion“ mit 7 Projekten und „Gesundheitsmodellregion“ mit 8 Projekten.

Aktuell ist auch die Entscheidung zur Gründung von zwei Großforschungszentren in der Lausitz und im mitteldeutschen Revier gefallen ...

Der Freistaat Sachsen setzt in der Strukturentwicklung sehr stark auf Forschung, Entwicklung und Technologietransfer. Das wird mit dieser Entscheidung besonders deutlich. In einem offenen und mehrstufigen Ideenwettbewerb hat eine hochrangig besetzte Kommission rund 100 Vorschläge für zwei Großforschungszentren im Freistaat Sachsen qualifiziert. Im September wurden die beiden Vorhaben zur Gründung von je einem Großforschungszentrum im Lausitzer Revier und im Mitteldeutschen Revier bekannt gemacht.

Das „Center for the Transformation of Chemistry“ (CTC) wird im Mitteldeutschen Revier im Landkreis Nordsachsen entstehen, in unmittelbarer räumlicher Nähe zu Sachsen-Anhalt. Im Fokus des CTC stehen Forschung und Entwicklung für die Transformation der Chemieindustrie hin zu einer klimafreundlichen und ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft. Dabei setzt CTC auf einen transdisziplinären Ansatz und auf strukturierte Kooperation von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Das CTC wird in Kooperation und mit finanzieller Beteiligung des Landes Sachsen-Anhalt entstehen. Mit dem „Deutschen Zentrum für Astrophysik“ (DZA) entsteht ein zweites Großforschungszentrum in der sächsischen Lausitz. Im Fokus dort stehen grundlagenorientierte Forschung und Entwicklung, die wichtigen Teilgebieten der Mikroelektronik dient. Beispiele sind Materialforschung, Sensortechnik oder Quantencomputing. Von beiden Großforschungszentren kann man starke Impulse für die Zukunft von wichtigen Schlüsselindustrien im Freistaat Sachsen erwarten und weit darüber hinaus. Bis 2038 stellt der Bund je Großforschungszentrum mehr als 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung. Dem Lausitzer Revier und dem Mitteldeutschen Revier geben sie damit als Zukunftsregionen ein unverwechselbares wissenschaftliches Profil.

Foto: SAS

Findlingspark Nochten: In der sächsischen Lausitz ist eine einzigartige Parklandschaft entstanden. Der Lausitzer Findlingspark Nochten ist ein Zeugnis gelungener Rekultivierung zerklüfteter Hinterlassenschaften des Braunkohlentagebaus. 7000 skandinavische Findlinge, eingebettet in sieben malerisch angelegte Gartenwelten, lassen immer wieder neue, faszinierende Parkbilder entstehen. Fast 1,5 Millionen Besucher haben das in Europa einmalige Steinreich seit seiner Eröffnung im Jahr 2003 erkundet.