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Quo vadis Wasserstoff – ein energiegeladener Impuls
„Wir haben in Deutschland zu viele Ziele in einer Strategie!”
Wasserstoff: eine Schlüsseltechnologie zwischen Hype und Realitätsschock, war ein stark diskutiertes Thema auf dem Handelsblatt Energie-Gipfel 2025 Ende Januar in Berlin. Einen energiegeladenen Impuls zur Diskussion gab Dr. Gerhard Holtmeier, Vorsitzender der Geschäftsführung des Dortmunder Energieversorgers DEW21. Für THEMEN!magazin spiegelt er die wesentlichen Aussagen seiner Keynote.
In den Mittelpunkt der gesellschaftlichen und fachlichen Diskussion sollten wir die Frage stellen, wie steht es um Wasserstoff als Schlüsseltechnologie für die Energiewende und Klimaneutralität? Eine weitere Fragestellung ist die nach der grundsätzlichen Relevanz von Wasserstoff und die Erfahrungen bzw. Lehren, die sich aus der Vergangenheit für einen erfolgreichen Aufbau eines Wasserstoffmarktes ziehen lassen.
Eine Kurzfassung der Meilensteine
Sowohl auf deutscher wie auf europäischer Ebene wurden bereits Anfang der 2020er Jahre die Fundamente für eine Wasserstoffstrategie gelegt. Richtungsweisend betont hier die EU-Wasserstoffstrategie vom 08. Juli 2020 unter dem Titel „hydrogen strategy for a climate-neutral Europe“ die Bedeutung von Wasserstoff zur Unterstützung von Industrie, Verkehr, Stromerzeugung und Gebäuden in Europa in einem integrierten Energiesystem. Es geht nicht darum die einzig glückselig machende Energiequelle zu nutzen, sondern sektorübergreifend und diversifizierend eine nachhaltige Energieversorgung aufzubauen.
Zur weiteren Information siehe: Powering a climate-neutral economy (zuletzt abgerufen am 18.02.2025).
Die EU-Kommission hat 2020 ein 3-stufiges Vorgehen festgelegt. Es zeigt sich heute, Anfang 2025, dass die wesentlichen Meilensteine der 1. Stufe erreicht wurden. Zwischen 2020 bis 2024 war die Installation von mind. 6 GW erneuerbare Wasserstoff-Elektrolyseure geplant, errichtet wurden ca. 4,5 GW und für die Erzeugung waren bis zu 1 Mio. Tonnen erneuerbaren Wasserstoff geplant, erreicht wurden sogar ca. 1,8 Mio. Tonnen Wasserstoff. Nicht schlecht!
Wie geht es weiter?
Für die Zeit zwischen 2025 bis 2030 wurde 2020 die Installation von mind. 40 GW erneuerbarer Wasserstoff-Elektrolyseure bei einer Erzeugung von bis zu 10 Mio. Tonnen erneuerbarem Wasserstoff geplant. In der 3. Stufe von 2030 bis 2050 steht die Erzeugung von bis zu 10 Mio. Tonnen erneuerbarem Wasserstoff an. Die EU erwartet, dass dann die Technologien für erneuerbaren Wasserstoff ausgereift sind und in großem Maßstab in allen schwer zu dekarbonisierenden Sektoren eingesetzt werden.
Zur Unterstützung hat die EU-Kommission im Juli 2020 die Europäische Allianz für sauberen Wasserstoff, die „European Clean Hydrogen Alliance“, gegründet. Sie soll die großmaßstäbliche Einführung sauberer Wasserstofftechnologien bis 2030 unterstützen.
Zudem hat die EU-Kommission am 29. November 2024 einen Bericht veröffentlicht und eine erste Einschätzung über Hindernisse und Best Practices bei der Genehmigung von Wasserstoffprojekten in Europa geben.
Sehr interessant. Permitting study on clean hydrogen projects document date: 03/12/2024 - created by GROW.I.3 - publication date: n/a - Last update: 05/12/2024
Und wie steht es um Deutschland?
- Genehmigtes Wasserstoff-Kernnetz 2032 Grafik: FNB Gas
Wie ist die Lage in Deutschland einzuschätzen, nachdem das Jahr 2024 von vielen Marktteilnehmern als kein gutes Jahr für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft angesehen wird? Auch die Bundesregierung hat im Juni 2020 eine Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) verabschiedet nach der mind. 5 GW (aktuell 10 GW) erneuerbare H2-Elektrolyseure bis 2030 geplant waren. Der aktuelle Stand: ca. 0,3 GW.
Für einen Überblick siehe: BMVU Nationale Wasserstoffstrategie
Es folgte dann noch 2022 die Fortschreibung der nationalen Wasserstoffstrategie und im Juli 2024 die Importstrategie für Wasserstoff und -Derivate. Bei Letzterer wird der erwartete Bedarf an Wasserstoff bzw. -Derivaten auf rd. 96-130 TWh bei einem Importanteil von 50-70 % angenommen.
Im 4. Quartal 2024 überraschte das BMWK dann vor allem die Marktteilnehmer, die eine grüne Wasserstoffwirtschaft aufbauen mit der Bitte an die EU-Kommission, die Übergangsfrist im Delegated Act der REDII zu verlängern. Nahezu gleichzeitig wurde im Oktober 2024 durch die Bundesnetzagentur der Bau des Wasserstoff-Kernnetzes genehmigt. Also mit anderen Worten: „Rein in die Kartoffeln und raus aus den Kartoffeln“.
Dieses widersprüchliche Verhalten hat definitiv nicht den Markthochlauf grünen Wasserstoffs gefördert! Anders als die EU-Kommission hat Deutschland mal wieder versucht „alles“ auf einmal zu regeln. Neben der Frage nach den Wasserstofftechnologien als Kernelemente der Energiewende und der Vorgabe regulatorischer Voraussetzungen für den Markthochlauf ging es auch um die Stärkung deutscher Unternehmen und deren Wettbewerbsfähigkeit sowie der Sicherung der zukünftigen nationalen Versorgung mit CO2-freiem Wasserstoff und dessen Folgeprodukte.
Viele Ziele in einer Strategie
Für mich eindeutig zu viele Ziele in einer Strategie. Die EU-Kommission macht im Energiebereich seit der Marktliberalisierung 1998 aus meiner Sicht immer wieder mit eindeutigen Vorgaben klar, welche Prioritäten sie gedenkt umzusetzen und ist damit auch noch erfolgreich gewesen.
Für uns in Deutschland sollte das bedeuten, dass es nur ein Ziel geben kann. Und das heißt Klimaneutralität; im übrigen sollte jede Bundesregierung hier auf weitere steuernde (regulatorische) Eingriffe verzichten: Stattdessen den Weg frei machen, grobe mittelfristige Leitplanken schaffen, um Unternehmertum, dem Markt die Chance zur Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft zu geben. Förderung sollte nur noch für den Einstieg erfolgen und Gesetze nicht zur Verhinderung von Missbrauch, sondern zur Unterstützung von Unternehmertum.
Wirklich positiv ist der Bau des Wasserstoff-Kernnetzes mit erheblichem privatwirtschaftlichem Engagement zu sehen. Allerdings befinden sich an diesem nur 500 Kunden, wenn auch Große. Wesentlich relevanter wird die Frage, in welchem Umfang das Kundenpotential auf regionaler und lokaler Ebene gehoben werden sollte (1.8 Mio. Unternehmen und 19 Mio. Haushaltskunden)? Auch die Frage der Wettbewerbs- bzw. Sozialverträglichkeit ist essentiell und darf von einer künftigen Bundesregierung nicht ausgeblendet werden.
Und neben der Diversifizierung des Importes auf Basis von Pipelines und Schiffen steht auf regionaler und lokaler Ebene der Ausbau erster Wasserstoff-Cluster und lokaler H2-Projekte bei Industrie und EVU’s im Fokus. Soweit ein kurzer Überblick zu Eckpunkten der bisherigen Entwicklung in Deutschland.
Richtige Schlussfolgerungen ziehen
Zwei Lehren aus dem Umstieg von Stadtgas auf Erdgas und dessen Erfolgsgeschichte in den 70er/80er Jahren des letzten Jahrhunderts halte ich für wichtig.
Den Preis wird der Kunde bestimmen. Zu Zeiten der Ruhrgas AG galt das Primat des sog. anlegbaren Preises. Mit anderen Worten: der Kunde wird nur das bezahlen, was er wettbewerblich für vertretbar hält. Irgendwelche Kostendiskussionen oder Annahmen bei der Preisfindung helfen da nicht weiter. Die Energiewirtschaft muss also in diesem Markt investieren, bedarf aber eines stabilen Rechtsrahmens, der weit über vier normale Legislaturperioden hinaus reicht. Hierzu gehören auch Nachweissysteme und Grüngasquoten.
Um für den einzelnen Verbraucher die Kosten der notwendigen Infrastruktur möglichst gering zu halten, bedarf es eines konzertierten Vorgehens. Was meine ich? Die Ruhrgas AG hat damals z.B. zuerst einen Industriekunden in einer Stadt angeschlossen und ist dann sofort links und rechts in die Straßen und hat weitere Kunden akquiriert. Später wurden dann zur weiteren Absicherung Marktabfragen bei potenziellen Kunden gemacht und Kunden angeschlossen, wenn mindestens 50-70 % von diesen hierfür bereit waren. Die Amortisierung dieser Investitionen wurde damals langfristig, also mit 25 bis 30 Jahren und mehr angenommen.
Zusammengefasst:
- Status Quo – Vom Import zum Kunden Grafik: DEW21-KI generiert
Es geht um eine Konzertierte Aktion für politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Akzeptanz eines grünen und damit klimaneutralen Wasserstoffhochlaufes!