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04.12.2024 09:12 Alter: 24 days

Prozesse im Blick – Von der Digitalisierung zur Automatisierung

„Die Transformation zur »Grünen Fernwärme« wird nur dann nachhaltig sein, wenn es gelingt, diese auch kosteneffizient umzusetzen.”


Christian Rühmann, Geschäftsführer, Naotilus GmbH, Foto: Roland Michels

Die Energiewende braucht Wärmenetze, welche Eigentümer und Kunden durch Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit überzeugen. Die Naotilus GmbH aus Lübeck stellt passgenaue Entscheidungsgrundlagen bereit, um den optimalen Betrieb vom Erzeuger bis zur Übergabestation sicherzustellen. Christian Rühmann ist Geschäftsführer von Naotilus und beleuchtet in seinem Gastbeitrag wesentliche Anforderungen für den optimalen Betrieb von Wärmenetzen.

Bis Ende des Jahres 2026 soll der Rollout der fernauslesbaren Wärmemengenzähler abgeschlossen sein. Wärmenetze wären dann nach dem Willen des Gesetzgebers die erste Sparte mit einer vollständig digitalisierten Zählerinfrastruktur. Damit werden statt einer jährlichen Zählerkarte oft mehr als 50.000 Messwerte pro Zähler und Jahr die Regel.
Potenzielle Mehrwerte der Daten für Automatisierung, Transformationsplanung und Energieeffizienz sind schnell aufgezählt. Auf dem Weg dorthin gilt es jedoch einige Hürden zu überwinden.

Arbeit mit den Daten

Zum einen sind diese technischer Art. Die Arbeit mit den Daten ist zeitaufwändig und erfordert Expertenwissen. Viele Unternehmen haben bereits damit begonnen, neue Fähigkeiten für die Nutzung der eigenen Daten aufzubauen. Eine oft unterschätzte Hürde ist vielfach organisatorischer Art. Menschen und Prozesse beeinflussen, wie Daten im Unternehmen entstehen und wirken sich damit unmittelbar auf die Fähigkeit aus, Daten effektiv einzusetzen.

Ein Beispiel: Standardprozesse wie Abrechnung und Netzbilanzierung sind naheliegende Kandidaten für Automatisierung. Von Zählerdaten wird zu Recht eine hohe Verlässlichkeit erwartet. Unsere Analysen ergeben regelmäßig, dass gut 3 % der fernausgelesenen Zähler Störungen aufweisen und damit auch Auswirkungen auf Abrechnung und Bilanzierung haben.
Unsachgemäße Montage, Manipulation, defekte Zähler, nicht kommunizierte Zählerwechsel oder Probleme auf der Übertragungsstrecke führen zu einer schlechten Qualität der Rohdaten und der Prozesse, die auf Zählerdaten aufbauen.

Datenfehler erkennen und beheben

Datenfehler zu erkennen und zu beheben ist eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Prozessbeherrschung. D. h., gelangen fehlerbehaftete Daten bis dahin, wo diese zum Einsatz kommen, obliegt der betreffenden Abteilung auch die Qualitätskontrolle.
Das reduziert die Effektivität und verfehlt möglicherweise auch die Kernkompetenz der Abteilung. Darüber hinaus führt es zu einem Kontrollverlust, denn jede Abteilung bedarf eigener Mechanismen zur Datenaufbereitung. Statt eines einheitlichen Datenmanagements etablieren sich so viele Insellösungen, deren Qualität und Verlässlichkeit schwer messbar ist.

Die Lösung liegt darin, an einem zentralen Knotenpunkt alle relevanten Daten zu sammeln, die Qualität zu überwachen, Probleme schnell und einheitlich zu kommunizieren, um dann verlässliche und den Anforderungen entsprechend aggregierte Daten in das Unternehmen zu speisen.

Mitarbeiter-Wissen digitalisieren

Aber nicht nur Zählerdaten bedürfen gründlicher Überlegungen, sondern auch die Stammdaten. Diese sind ein wichtiger Bestandteil zukünftiger, automatisierter Datenpipelines. Bei Naotilus arbeiten wir gemeinsam mit unseren Kunden daran, ressourcenintensive Arbeitsroutinen zu automatisieren. Die Automatisierung der Verbrauchsmitteilungen nach FFVAV (Verordnung über die Verbrauchserfassung und Abrechnung bei der Versorgung mit Fernwärme oder Fernkälte) sind dafür beispielhaft.

Besonders herausfordernd an dieser Arbeit ist, dass elektronische Datensätze mit Stamm- oder Anlagendaten sehr häufig an individuelles Mitarbeiterwissen gekoppelt sind. „Im System steht es zwar anders, aber wir behandeln das wie folgt…“. Dieses Wissen lässt sich nicht automatisieren und wird zum Showstopper eines jeden Digitalisierungsversuchs!

Einen Großteil unserer Projektzeit verwenden wir deshalb darauf, individuelles und damit flüchtiges Wissen nachhaltig in digitale Systeme einzupflegen, damit eine Automatisierung überhaupt erst möglich wird. Hinzu kommt, dass eine formelle Anforderung an die Dateneingabe häufig nicht existent ist und damit ein gewisser Raum für Kreativität vorhanden ist. Soll jedoch auf Grundlage dieser Daten automatisiert, oder gar ein KI-Modell trainiert werden, dann wird es knifflig. „Datendisziplin“ kann zwar von den Mitarbeitenden eingefordert werden, aber auf lange Sicht ist es empfehlenswert in die Formalisierung, Standardisierung und Plausibilisierung von Systemeingaben zu investieren. Standardisierung ist der Schlüssel zu weniger Komplexität, mehr Kontrolle und leichter zu automatisierenden Routinen.

Relevanz der Zählerdaten für die Transformation der Wärmenetze

Auch bei der Transformation der Wärmenetze spielen Zählerdaten eine wichtige Rolle. Die Wärmetransformation erfordert nämlich, mit Blick auf die Eigentumsgrenzen, eine enge Zusammenarbeit von Versorgern und Gebäudeeigentümern. Die Zähler helfen dabei, den aktuellen Zustand der Hausstationen zu erfassen und Handlungsbedarfe zu priorisieren. Unserer Erfahrung nach performen zwischen 30% und 50% der Hausstationen sehr gut. Nur bei 5% bis 8% der Stationen treten Störungen auf, die sich besonders negativ auf die Rücklauftemperaturen und Volumenströme im Netz auswirken. Die gute Nachricht: Besonders in diesen Fällen liegt der Grund meist auf der Primärseite und lässt sich zu sehr geringen Kosten beheben!

Schon durch stündliche Zählerdaten, die neben dem Zählerstand auch den Volumenstrom und die beiden Temperaturen enthalten, können Störungen an Gebäude und Station nicht nur symptomatisch erkannt, sondern oftmals auch deren Ursache bestimmt werden. KI gestützte Ferninspektion statt Kundenansprache, Anfahrt und Vor-Ort-Inspektion. Das ist kein Allheilmittel, aber ein guter Anfang, um Vertrieb, Asset Management und Instandhaltung zu entlasten.

Klar ist aber auch, dass sich der Nutzen der Daten für die Fachbereiche anfangs sehr unterschiedlich darstellt. So profitiert der Vertrieb durch die Automatisierung von Verbrauchmitteilungen und Abrechnungsprozessen unmittelbar. Anders stellt es sich in der Instandhaltung dar. Dort hat die Nutzung der Daten das Potenzial, mehr Steine umzudrehen, als einem lieb ist. Wo wenig Personal viel Arbeit stemmen muss, ist die Sorge groß, dass mehr Wissen zu noch mehr Arbeit führt.

Grafik: Naotilus

Instandsetzung einer defekten Hausstation. Nach der Instandsetzung sinkt die Rücklauftemperatur um 45 °C und der Volumenstrom sinkt um den Faktor 6! Zusätzliche Wärmeverluste und Pumpenergie machen gut ein Drittel des Umsatzes aus, der mit dieser Station erwirtschaftet wurde.

Klares Bild vom Ist-Zustand

Ein klares Bild vom Ist-Zustand zu haben, erscheint gerade mit Blick auf die Transformationsplanung und der damit verbundenen Kosten wichtig. Umfangreiche Kosten-Nutzen-Analysen sind möglich, da die Ursache aus der Ferne bestimmt werden kann. Sie hilft dabei den Fokus auf unmittelbare und schwerwiegende Probleme zu lenken, während andere Vorkommnisse mittelfristig ignoriert werden können – nach dem Motto: „Gräm dich nicht über das, was du nicht […wirtschaftlich] ändern kannst“ (Unbekannt).

www.naotilus.de