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Power to Gas: Rechtsrahmen zur Stärkung von Anlagen der Sektorenkopplung
Welche Schwächen der aktuelle Rechtsrahmen hat und wie er weiterentwickelt werden könnte, soll nachfolgend aufgezeigt werden. Ein Gastbeitrag von Dr. Max Peiffer, Rechtsanwalt in der Münchener Kanzlei ASSMANNPEIFFER.
Im November 2016 hat sich das Bundeskabinett im Klimaschutzplan 2050 diverse Maßnahmen vorgenommen, wodurch die Energieversorgung bis Mitte des Jahrhunderts emissionsfrei werden soll. Als eines der zentralen Mittel hierfür wird die Sektorenkopplung u. a. durch Power to Gas genannt. Angesichts dieser politischen Zielvorgabe wird der Gesetzgeber den Rechtsrahmen für Sektorenkopplungsanlagen zukünftig nachjustieren.
Sektorenkopplung als Instrument zur Dekarbonisierung
Das im Klimaschutzplan vorgesehene Langfristziel einer „weitgehenden Treibhausgasneutralität bis 2050“ gilt für alle Sektoren. Dabei lassen sich nach Vorstellung der Bundesregierung die Sektoren Wärme, Verkehr und Industrie insbesondere durch deren Kopplung mit der Energieerzeugung dekarbonisieren. Diese Kopplung ermöglicht es, die bereits erreichte und zukünftig weiter voranschreitende Dekarbonisierung der Stromerzeugung in anderen Sektoren nutzbar zu machen. Immerhin wurden im Jahr 2015 schon 32 Prozent des Gesamtstrombedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt. Zukünftig wird der Anteil erneuerbaren Stroms weiter wachsen. Zur Überführung des erneuerbaren Stroms in andere Sektoren lassen sich technisch zwei alternative Wege beschreiten: Zum einen ist eine rein strombasierte Sektorenkopplung möglich durch den Ausbau strombetriebener Verbraucher und die Ersetzung von Anlagen, die gasförmige oder flüssige Energieträger einsetzen. So könnten etwa Gaskessel durch Power to Heat-Anlagen oder Verbrennungsfahrzeuge durch Elektroautos ersetzt werden. An die Stelle petrochemischer Prozesse könnten elektrochemische Verfahren treten.
Zum anderen ist aber auch eine energieträgerüberschreitende Sektorenkopplung möglich durch den Einsatz von Technologien zur Überführung elektrischer Energie in gasförmige oder flüssige Energieträger (power to gas oder power to liquid). Diese „Energieträger- Kopplung“ ist technisch aufwändiger, hat aber auch Vorteile gegenüber einer rein strombasierten Sektorenkopplung: Zum einen bewältigt sie zusätzlich das Problem der schlechten Speicherbarkeit von Strom. Insbesondere bei der E-Mobilität ist die Energiespeicherung eine zentrale Herausforderung, die durch gasförmige oder flüssige Kraftstoffe leichter bewältigt werden kann. Außerdem hat eine energieträgerüberschreitende Sektorenkopplung den Vorteil, dass bereits vorhandene gas- und flüssigkraftstoffbasierte Verbrauchseinrichtungen nicht ausgetauscht werden müssen. Die aus Strom gewonnenen flüssigen oder gasförmigen Energieträger können in den vorhandenen Anlagen verwendet und über die bestehenden Strukturen verteilt werden.
Im Klimaschutzplan kommt die Vorstellung zum Ausdruck, dass die Sektorenkopplung primär rein strombasiert erfolgen soll. Dies macht Power to Gas-Anlagen allerdings nicht überflüssig. Vielmehr anerkennt auch der Klimaschutzplan, dass zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit Gaskraftwerke auch zukünftig unerlässlich bleiben. Um auch deren emissionsneutralen Betrieb zu ermöglichen, muss ein CO2-neutrales regernatives Gas eingesetzt werden, was insbesondere Power to Gas-Anlagen aus erneuerbarem Strom erzeugen können.
Rechtliche Hindernisse
Der aktuelle Rechtsrahmen erschwert einen wirtschaftlichen Betrieb von Sektorenkopplungsanlagen. Dies gilt insbesondere bei der „energieträgerüberschreitenden Sektorenkopplung“, also in erster Linie für Power to Gas-Anlagen, und hat seinen Grund primär darin, dass diese Anlagen als Letztverbraucher eingeordnet werden. Infolge dieser Einordnung ist der eingesetzte Strom in voller Höhe mit Abgaben und Umlagen belastet – auch wenn die im Strom enthaltene Energie im nächsten Schritt in das Erdgas- bzw. wieder in das Stromnetz gelangt.
Was die EEG-Umlage betrifft, hat der Gesetzgeber nun die Problematik erkannt und teilweise nachgebessert: So ermöglicht es § 61j Abs. 2 EEG 2017, aus Grünstrom Speichergas zu erzeugen, ohne dass EEGUmlage zu zahlen ist. Voraussetzung ist allerdings, dass das Speichergas (ggf. andernorts und zeitlich versetzt) wieder verstromt wird. Ohne Rückverstromung und damit in allen Fällen, in denen der gasförmige Energieträger in anderen Sektoren genutzt wird, ist eine Befreiung von der Umlage nicht möglich. Das ist jedenfalls insofern problematisch, als die Umlage „im Stromsektor hängen bleibt“, obwohl die Energie dort eigentlich gar nicht final genutzt wird. Die Speichergas-Regelung erschwert die energieträgerüberschreitende Sektorenkopplung schließlich auch deshalb, weil sie wohl nicht solchen Fällen gilt, in denen der Grünstrom über das Netz transportiert wird. Dabei läge gerade in derartigen Konstellationen ein besonderes Potenzial. So ließen sich in etwa die Strommengen aus verschiedenen – ggf. weit voneinander entfernten – Anlagen über das Netz in einem Elektrolyseur zusammenführen und gemeinsam in Gas umwandeln.
Auch die Regeln zur Strom- und Energiesteuer behindern eine energieträgerüberschreitende Sektorenkopplung. Die Steuerentstehung ist im Grundsatz an die Entnahme aus dem Netz geknüpft. Innerhalb des Netzes erfolgt ein steuerfreier Transport, so dass Netzverluste nicht besteuert werden. Dort aber, wo Energie zwischen dem Strom- und dem Gasnetz übertragen wird, fällt nach aktueller Rechtslage Steuer an, obwohl auch die finale Entnahme aus dem zweiten Netz steuerpflichtig ist. Eine solche doppelte Besteuerung ist systematisch jedenfalls fragwürdig.
Auch die Netzentgeltregelungen sind nicht auf den Fall zugeschnitten, dass Energie über zwei (gekoppelte) Netzsysteme transportiert wird. Die Entgelte fallen bei der Entnahme aus dem Stromnetz an, auch wenn die Energie anschließend (gasförmig) in das Gasnetz gelangt und dort ebenfalls netzentgeltpflichtig transportiert wird. Das erscheint nur eingeschränkt sachgerecht, weil die Sektorenkopplung als netzübergreifendes Anliegen durchaus als einheitlicher Transportvorgang gesehen werden könnte. Insoweit schafft § 118 Abs. 6 Satz 7 EnWG jedenfalls vorläufig Abhilfe und enthält eine Entgeltbefreiung, wenn das Gas aus einer Power to Gas-Anlage in das Erdgasnetz eingespeist wird.
Es besteht allerdings die rechtliche Unsicherheit, ob diese Befreiung auch greift, wenn das Gas nicht anschließend zur Rückverstromung eingesetzt wird.
Weiterentwicklung des Rechtsrahmens
Will aber der Gesetzgeber – entsprechend der Ankündigungen im Klimaschutzplan – die energieträgerüberschreitende Sektorenkopplung zukünftig stärken, muss er durch veränderte Rahmenbedingungen sicherstellen, dass der Elektrolyseur mit geringeren Stromnebenkosten belastet ist. Darüber hinaus müssten die Bedingungen, zu denen Power to Gas-Anlagen für Systemdienstleistungen im Stromnetz eingesetzt werden können, verbessert werden.
Es ist beispielsweise nur eingeschränkt nachvollziehbar, warum durch Regelleistungsabrufe induzierte Stromlieferungen mit EEG-Umlage belastet sind. Schließlich wären verbesserte Absatzmöglichkeiten für das erzeugte Gas notwendig. Insoweit zeichnen sich aktuell allerdings Verbesserungen ab, weil zukünftig das synthetisch erzeugte Methan bzw. der Wasserstoff auf die sog. THG-Quote nach dem BImSchG anrechenbar sein soll.
Systematische Verortung der Sektorenkopplung
Insgesamt stellt sich zukünftig auch die Frage der sachgerechten Verortung der Sektorenkopplung zwischen Markt und Netz. Heute werden Power to Gas-Anlagen ausschließlich außerhalb des Netzes errichtet und betrieben. Zukünftig ist es aber durchaus denkbar, die Sektorenkopplung, bzw. den sektorenüberschreitenden Energietransport als Teil des Netzbetriebs einzuordnen. Dies wäre jedenfalls mit dem Argument begründbar, dass solche Anlagen als Baustein für die Dekarbonisierung aller Sektoren notwendig sind. Es geht darum, emissionsneutral gewonnen Strom in andere Sektoren zu überführen – gleichsam als eine Transportdienstleistung über die Sektorengrenze hinweg.