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18.11.2014 12:11 Alter: 10 yrs

Power to Gas: Königs- oder Irrweg für die Energiewende?

Das deutsche Gasnetz transportiert jährlich etwa zweimal so viel Energie wie das Stromnetz. Ein Viertel des jährlichen Gasbedarfs lässt sich langfristig speichern. Damit bietet die Gasinfrastruktur optimale Möglichkeiten für die Power to Gas Technologie (PtG). Wird nicht verwendbarer Regenerativstrom in Größenordnungen zum Erzeugen von Regenerativgas eingesetzt und ins Gasnetz eingespeist, ließen sich die wegen Überlastung der Übertragungsnetze nicht verwendbaren Strommengen aus Windparks und Photovoltaikanlagen größtenteils regional nutzen. PtG könnte damit einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten, da weniger konventionelle Kraftwerke für Regenerativstrom einspringen müssten. Im Gespräch dazu Uwe Ringel, Geschäftsführer der ONTRAS Gastransport GmbH, Leipzig.


Mit Power to Gas könnten Strom- und Gasnetze künftig zusammenwirken. Ein wichtiges Detail dabei: Die Regelung der Gasströme - hier auf der Verdichteranlage Bobbau (Sachsen- Anhalt).

Mit einem über 7.200 km Leitungen umfassenden Leitungssystem ist der Fernleitungsnetzbetreiber ONTRAS Gastransport schon seit Jahren ein wichtiger Partner für die Integration regenerativer Energieträger ins Gasnetz. So speisen derzeit 17 Biogasanlagen jährlich bis zu 135 Millionen Kubikmeter Bioerdgas in dieses Netz ein (Stand: November 2014). Die erste Power to Gas Anlage im brandenburgischen Falkenhagen liefert bereits seit August 2013 jährlich bis zu 3,1 Mio. m3 Wasserstoff ins ONTRAS-Netz. Eine zweite Anlage bei Prenzlau wird voraussichtlich noch in diesem Jahr ans Gasnetz angeschlossen. Die dritte Power to Gas Anlage bei Grapzow soll noch 2015 erstmals Wasserstoff einspeisen.

Was haben Power to Gasund Biogasanlagen gemeinsam?

Regenerative Gase aus PtG-Anlagen sind rechtlich dem Einspeisen von Biogas gleichgestellt. Glücklicherweise gelten jedoch die 2014 im Erneuerbaren Energien Gesetz festgeschriebenen Restriktionen für die Erzeugung von Strom aus Biogas nicht für das Einspeisen von Regenerativgas ins Gasnetz, wenn es mit überschüssigem, derzeit nicht zeitgleich nutzbarem Strom aus Windkraftoder Solaranlagen erzeugt wurde. PtG nutzt Regenerativstrom, um aus Wasser mittels Elektrolyse Sauerstoff und Wasserstoff zu erzeugen. Der Wasserstoff lässt sich direkt ins Gasnetz einspeisen und dem vorhandenen Erdgas bis zu einem bestimmten Prozentanteil zumischen. Unter Zusatz von CO2 wird daraus synthetisches Methan, Hauptbestandteil von Erdgas. Dieses lässt sich wie Erdgas ins Gasnetz einspeisen, nutzen und langfristig speichern. In Verbindung mit der gut ausgebauten Erdgas-Infrastruktur (Netze und Speicher) bietet PtG schon jetzt die Möglichkeit, Überschussstrom durch stoffliche Umwandlung längerfristig und in großen Mengen zu speichern. Damit könnte PtG die Energiewende wesentlich voranbringen.

Kosten für Regenerativgase auf alle Schultern verteilen

Regenerativgase im Erdgas und die zusätzliche Nutzung von Wind- und Solarstrom statt konventioneller Kraftwerke verringern den Kohlendioxyd-Ausstoß. Zudem wirkt PtG primär als chemischer Stromspeicher und entlastet damit vor allem die Übertragungsnetzbetreiber.

Die jährlichen Kosten für das Einspeisen von Regenerativgasen (Biogas, Wasserstoff, synthetisches Methan u. a.) ins Gasnetz werden für alle Netzbetreiber in Deutschland ermittelt. Aus den Ist-Kosten des Vorjahres und der Prognose für das Folgejahr errechnen sich die bundesweiten Gesamtkosten für das laufende Kalenderjahr. Diese Kosten werden auf definierte Ausspeisepunkte der Fernleitungsnetzbetreiber umgelegt. Den jeweiligen Betrag legen Weiterverteiler und direkt angeschlossene Letztverbraucher dann ihrerseits auf ihre Kunden um. So tragen am Ende allein die Gasverbraucher Kosten für die Einspeisung regenerativer Gase ins Gasnetz, obwohl dies allen zu Gute kommt.

Der Wettbewerbsnachteil von Gas konterkariert auch die angestrebten volkswirtschaftlichen und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung. Zudem belastet die Einspeisung von Wasserstoff ins Gasnetz die Gaskunden zusätzlich, weil die Messtechnik angepasst werden muss. Für die PtG-Anlage in Falkenhagen hat ONTRAS diese Anpassungen im Netz erstmals vorgenommen.

Einspeisen von Wasserstoff begrenzt

Wasserstoff lässt sich lediglich in begrenzten Mengen als Zusatz ins Gasnetz einspeisen. Naturgegeben variiert die Einspeisemenge und damit der Volumenanteil von Wasserstoff im Erdgas je nach verfügbarer Wind- oder Sonnenenergie sowie ungenutzter Strommenge.

Deshalb überwachen Netzbetreiber den maximalen Grenzwert der Wasserstoffbeimischung und unterbrechen die Einspeisung, sobald dieser erreicht wird. Entscheidend dabei sind neben der Gasinfrastruktur die maximalen Wasserstoff- Toleranzen der Endkundenanwendungen. Im ONTRAS-Netz definieren die internationalen Normen für Kraftstoffe und Fahrzeugtanks den Grenzwert für den Wasserstoffanteil im Erdgas. Aktuell darf dieser daher zwei Volumenprozent nicht übersteigen.

 

Grenzenlos: Synthetisches Methan

Im Gegensatz zu den Restriktionen beim Einspeisen von Wasserstoff lässt sich regenerativ erzeugtes Methan ohne Netzanpassungen unbegrenzt ins Gasnetz einspeisen, speichern und analog zu Erdgas überall anwenden. Die Methanisierung benötigt lediglich eine zusätzliche CO2-Quelle. Allerdings ist die Umwandlung mit einem ca. 20 %igen Wirkungsgradverlust verbunden. Die Forschung strebt jedoch danach, diesen Wirkungsgradverlust zu verringern. Nutzt man die bei der Methanherstellung anfallende Prozesswärme, lässt sich schon heute die Energieausbeute deutlich erhöhen und damit der Wirkungsgradverlust relativieren. ONTRAS wird sich im Rahmen des HYPOS-Projekts als Netzbetreiber an der PtG-Forschung beteiligen.

Standort-Präferenzen

Bisherige PtG-Projekte befinden sich im Einzugsbereich großer Windkraftanlagen. Soll PtG wirkungsvoll zur Energiewende beitragen, muss eine Anlage das Stromnetz optimal entlasten aber auch jederzeit die technologisch maximal mögliche Menge Regenerativgas ins Gasnetz einspeisen und idealerweise auch Prozesswärme absetzen können. Entsprechend muss die Politik darauf hin wirken, dass bei der Standortwahl die Belange von Strom- und Gasnetzen gleichermaßen zu berücksichtigen sind.

Aus Sicht eines Gasnetzbetreibers wie auch im Interesse der Gasanwender ergeben sich für die Wasserstoff- wie die Methaneinspeisung klare Standortpräferenzen. Reine Wasserstoffeinspeisungen sollten an Netzpunkten mit ganzjährig hohen Einspeise- bzw. Durchflussraten liegen. Dort werden auch Beimischungen größerer Wasserstoffmengen einen nur unbedeutenden Anstieg der Wasserstoffkonzentration verursachen. PtG-Anlagen mit Methanisierung sollten idealer Weise an Standorten mit CO2- Quelle sowie ausreichendem Wärmebedarf entstehen, damit die anfallende Prozesswärme mit genutzt werden kann. Im Sinne der Gasverbraucher ist dies ohnehin zu bevorzugen, da keine Mehrkosten für die Umrüstung von Gasnetzen und -geräten anfallen.

 

 

Ausblick

Die Politik sollte Anreize schaffen, damit PtGAnlagen nur an Standorten entstehen, welche eine optimale Einspeisung der Regenerativgase ins Gasnetz ermöglichen, um damit die Stromnetze zu entlasten. Ohne eine angemessene Berücksichtigung von Gegebenheiten der Strom- und Gasnetze läuft PtG Gefahr, ein teurer Irrweg zu werden. Ob PtG am Ende erfolgreich zur Energiewende beitragen kann, hängt auch davon ab, ob Erzeugung und Einspeisung regenerativ erzeugter Gase für die Gesellschaft bezahlbar bleibt. www.ontras.com