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Porthos bietet eine Lösung für Klimaziele
Rotterdam setzt sich gegen den Klimawandel ein und will eine Vorreiterrolle bei der weltweiten Energiewende spielen. Rund 15 % der CO2-Emissionen in den Niederlanden finden im Hafengebiet von Rotterdam statt, deshalb sind die Senkung des CO₂-Ausstoses und effiziente Nutzung der Roh- und Reststoffe wichtige Aufgaben. Exklusiv fur THEMEN!magazin berichtet Wim van Lieshout, Projektdirektor „Porthos“ – uber das groste niederlandische Projekt zur Senkung der CO2-Emissionen.
„Das Kohlendioxid wird von verschiedenen Unternehmen geliefert, die das Kohlendioxid während ihrer industriellen Prozesse abfangen werden. Das Porthos-System kann das Kohlendioxid ins Meer transportieren, wo es in leeren Gasfeldern unterhalb der Nordsee gelagert wird.“
Wim van Lieshout, Projektleiter bei Porthos
Herr van Lieshout, was ist Porthos?
Porthos steht für Port of Rotterdam CO2 Transport Hub and Offshore Storage und ist ein Joint Venture von Energie Beheer Nederland (EBN), Gasunie und der Hafenbehörde von Rotterdam. Mit Porthos wird ein Projekt entwickelt, um CO2 aus der Industrie im Hafen von Rotterdam zu transportieren und in leeren Gasfeldern unter der Nordsee zu lagern. Die Erfassung soll bei den Wasserstoffproduzenten und Raffinerien in Rotterdam erfolgen. Für eine Laufzeit von 15 Jahren wird Porthos rund 2,5 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr – geliefert von den Rotterdamer Standorten Air Liquide, Air Products, ExxonMobil und Shell – im Nordseeboden lagern. Dies entspricht 10 % der Gesamtemissionen des Rotterdamer Industriesektors. Damit wird das Porthos-Projekt erheblich zur Erreichung der Klimaziele der Niederlande beitragen.
Welche Überlegung stand hinter der Projektidee?
Die Niederlande haben klare Klimaziele: Die Emission von Treibhausgasen muss 2030 um 49 % und 2050 um 95 % gegenüber 1990 gesenkt werden. Im niederländischen Klimaabkommen ist festgelegt, dass die Hälfte der CO2-Reduktion der Industrie bis 2030 durch die Abscheidung und Sequestrierung von Kohlendioxid - gemeinhin als „Carbon Capture and Storage“ bezeichnet (CCS) - erreicht werden soll. In der anderen Hälfte konzentriert sich die Industrie auf Effizienz, Elektrifizierung, Solar- und Windparks sowie grünen Wasserstoff. Die Lagerung von Kohlenstoff stellt sicher, dass dieses Gas nicht in der Atmosphäre landet. Die Industrie kann die mit dieser Maßnahme „gekaufte“ Zeit nutzen, um neue Lösungen und Prozessinnovationen zu entwickeln. Das motivierte die Hafenbehörde von Rotterdam zusammen mit Energie Beheer Nederland (EBN) und Gasunie, das Porthos- Projekt ins Leben zu rufen. Ziel ist es, Kohlendioxid in leeren Gasfeldern im Meeresboden zu speichern.
Warum CCS?
CCS ist für den Hafenbetrieb Rotterdam ein wichtiger Schritt in den Bemühungen, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Mit der Erfassung und Speicherung von CO2 ist eine wichtige kurzfristige Lösung gegeben, eine große Menge an CO2, die sonst in die Atmosphäre freigesetzt wird, zu vermeiden – und das zu relativ niedrigen Kosten. Die Lagerung von Kohlenstoff stellt sicher, dass dieses Gas nicht in der Atmosphäre landet. Die Porthos-Projektorganisation wird in diesem Jahr das Anlegen von Pipelines zu Lande und auf dem Meeresboden, die Kompressor- Stationen und die Modifikation der Meeresplattform technisch vorbereiten. Jeder Partner bringt eigene Erfahrung und Expertise in dieses CCUS-Projekt ein: Die Hafenbehörde von Rotterdam wird sich auf die lokale Situation und den lokalen Markt konzentrieren. Gasunie kann umfassende Erfahrungen mit Gasinfrastruktur und -transport anbieten, und EBN wird sein Know-how im Bereich tieferer Bodenschichten und Offshore-Infrastruktur teilen.
Wie läuft dies konkret ab?
Die Unternehmen liefern ihr CO2 einer Sammel-Pipeline, die durch das Hafengebiet von Rotterdam verläuft. Das CO2 wird dann in einer Verdichterstation unter Druck gesetzt und durch eine Offshore-Pipeline zu einer Plattform in der Nordsee transportiert, die etwa 20 Kilometer vor der Küste liegt. Von dieser Plattform aus wird CO2 in ein leeres Gasfeld gepumpt. Die leeren Gasfelder befinden sich mehr als 3 Kilometer unter der Nordsee in einem versiegelten Reservoir aus porösem Sandstein.
Was Porthos auszeichnet, ist, dass mehrere Kunden Kohlenstoff gleichzeitig liefern und speichern können. Möglich wird dies durch die spezielle CO2-Pipeline sowie durch unser „Open Access“-System. Dieses System stellt sicher, dass jedes Unternehmen teilnehmen kann. Wir gehen hier wirklich neue Wege: Dieser spezifische Ansatz wurde nirgendwo sonst auf der Welt verfolgt.
Worin liegt der Nutzen von Porthos für den Klimaschutz?
Mit einem Projekt wie Porthos ist es möglich, eine große Menge an CO2-Emissionen zu verhindern, und das innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums zu geringen Kosten pro Tonne CO2. Die meisten Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass wir CCS brauchen, um innerhalb der 1,5 bis 2 Grad-Grenze zu bleiben. Auch die IPCC-Modelle zeigen beispielsweise, dass CCS eine Notwendigkeit ist, um die globale Erwärmung einzudämmen.
Betrifft das in erster Linie nur den CO2-Ausstoß der Industrie in Rotterdam?
Wir beginnen mit CO2 aus der lokalen Industrie, aber die globale Erwärmung ist kein Rotterdamer oder niederländisches Problem. Eine Reihe von Unternehmen aus dem Inund Ausland hat uns kontaktiert, um zu sehen, ob wir ein zweites Projekt zur Speicherung von CO2 starten können. Darunter auch Firmen aus Deutschland. Die Niederlande haben eine große Anzahl von erschöpften Offshore-Gasfeldern und sind damit ein idealer Standort für CCS. Wir werden die Infrastruktur so aufbauen, dass wir nach dem ersten Projekt skalieren können. Dadurch wird vermieden, dass in Zukunft eine zweite Pipeline gebaut werden muss.
Liegt Porthos im Plan?
Ja, erwartungsgemäß werden die Lizenzierungsverfahren bis Ende 2021 abgeschlossen sein. Die Unternehmen werden 2021 vor allem nutzen, um sich auf den Bau der Fanganlagen vorzubereiten. In diesem Jahr wird die Projektorganisation Porthos an den technischen Vorbereitungen für die Verlegung von Rohren an Land und auf dem Meeresboden, den Bau der Verdichterstation und die Anpassung der Plattform auf See arbeiten. Die endgültige Investitionsentscheidung für Porthos ist für Anfang 2022 geplant. Der Bau der Infrastruktur von Porthos ist für 2022 und 2023 geplant, wobei das System im Jahr 2024 in Betrieb genommen wird.
Auf welcher Grundlage erfolgt die Finanzierung?
Für die Beförderung und Speicherung ihrer CO2-Emissionen durch das Porthos-Netz wird den Unternehmen eine Gebühr berechnet. Die genaue Höhe dieser Gebühr richtet sich nach den Kosten, die Porthos für den Bau und die Nutzung des Systems entstehen (einschließlich der Energiekosten für die unter Druck stehende CO2-Einspritzung in das tiefere Substrat). Die vier Unternehmen, die Porthos mit CO2 versorgen wollen, werden auch Kosten für die Abscheidung von Kohlenstoff an der Quelle verursachen. Andererseits werden sie nicht verpflichtet sein, EU-EHS-Zertifikate für den gespeicherten Kohlenstoff zu zahlen. Die niederländische Regierung ist bereit, die Differenz zwischen den Gesamtkosten und Einsparungen der Unternehmen über das SDE++-System zu decken. Auf diese Weise können Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben. Das SDE-System zielt darauf ab, die CO2-Emissionen zu den geringsten Kosten pro Tonne zu reduzieren.
Welche Rolle spielt die EU bei der Finanzierung von Porthos?
Die Europäische Kommission unterstützt Porthos finanziell, da die Abscheidung und Sequestrierung von CO2 durchweg als notwendige Maßnahme angesehen wird, um die Erderwärmung unter 2 Grad Celsius zu halten. Die Kohlenstoffspeicherung spielt auch eine Schlüsselrolle in dem kürzlich von der Europäischen Kommission ausgearbeiteten Green Deal. Porthos wird als das fortschrittlichste Projekt gesehen, das sich auf die großflächige Speicherung von CO2 in der EU konzentriert. Darum hat die Europäische Union versprochen, aus dem Haushalt der Fazilität „Connecting Europe“ 102 Mio. EUR für das Projekt bereitzustellen.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit den beteiligten Unternehmen aus?
Mit den vier Unternehmen aus dem Rotterdamer Hafen und Industriekomplex ExxonMobil, Air Liquide, Shell und Air Products haben wir vereinbart, wie viel Kohlendioxid sie liefern werden, welche Qualitätsstandards dieser Kohlenstoff erfüllen muss und wie die Unternehmen das Kohlendioxid liefern müssen. Die endgültigen Verträge werden noch in diesem Jahr unterzeichnet. Porthos wird die Verantwortung für den Bau, den Transport und die Lagerung des gelieferten Kohlenstoffs tragen, während die Unternehmen Anlagen zur Kohlenstoffabscheidung an der Quelle einrichten werden.
Danke für das Gespräch.
Weitere Informationen unter www.porthosco2.nl