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15.11.2016 10:25 Alter: 8 yrs

Planung und Optimierung von energieeffizienten Standorten

Auf dem 33. Deutschen Logistik-Kongress im Oktober in Berlin stellte das Fraunhofer IFF ein neues VR-Software Werkzeug zur Planung und Optimierung von energieeffizienten Standorten vor. Wir sprachen auf dem Kongress mit dem Institutsleiter des Fraunhofer IFF, Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E. h. Dr. h. c. mult. Michael Schenk. Foto: Viktoria Kühne, Fraunhofer IFF


Innovative Lösungen zur Unterstützung einer nachhaltigen, urbanen und regionalen Entwickung sind heute weltweit gefordert. In der Entwicklung und dem Einsatz innovativer VRTechnologien (Virtuelle Realität) ist das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, Magdeburg, bundesweit der Ansprechpartner für Planungs- und Entwicklungsprozesse von Großprojekten im industriellen und urbanen Umfeld.

Herr Prof. Schenk, welche Schwerpunktthemen bearbeitet das Fraunhofer IFF?

Das Fraunhofer IFF arbeitet hauptsächlich in den drei Forschungsfeldern Intelligente Arbeitssysteme, Ressourceneffiziente Produktion und Logistik sowie konvergente Versorgungsinfrastrukturen. Dabei setzen wir seit Gründung unseres Instituts vor 25 Jahren konsequent auf das Digital Engineering als zentrales Werkzeug für unsere Forschungsfragen. Aufgrund dieser Expertise sind wir damit unter anderem bei den strategisch bedeutsamen Themen wie die Digitalisierung der Wirtschaft und Industrie 4.0 sowohl in Bezug auf das notwendige Knowhow als auch technologisch und infrastrukturell hervorragend aufgestellt.

Ein immer wiederkehrendes Motiv in allen unseren Forschungsfragen ist dabei die Herstellung von mehr Effizienz, sei es in Produktions- oder Logistikprozessen, in der Produktentwicklung, in der Planung oder der Mitarbeiterqualifizierung. Darum arbeiten wir daran, immer möglichst prozessübergreifende digitale Lösungen für unsere Kunden und Forschungspartner anzubieten. Dazu zählt auch die Entwicklung von virtuellen Umgebungen und Werkzeugen für praxisbezogene Virtual-Reality-Anwendungen.

Wie kam es zur Produktentwicklung für ein VR-Werkzeug zur Planung und Optimierung energieeffizienter Standorte?

Die optimale Verfügbarkeit und Versorgung mit Energie ist für die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit eines Standortes von essenzieller Bedeutung. Planerische Ansätze gehen heute sogar noch einen Schritt weiter. Sie fokussieren die Unabhängigkeit von externen Quellen mit dem Ziel einer Entwicklung hin zu einem energieautarken Standort, der überwiegend erneuerbare Energie nutzt. Hinzu kommt, der effiziente Einsatz energetischer Ressourcen wird auch von der Bevölkerung sensibel registriert. Zudem müssen vermehrt gesetzliche Rahmenbedingungen beachtet werden.

Für die effiziente Planung und transparente Kommunikation von Standorten sind heute Technologien der Virtuellen Realität (VR) das Werkzeug der Wahl. Damit lassen sich auch mehrdimensionale Planungen deutlich beschleunigen und komplexe Inhalte für alle Ansprechpartner schnell und verständlich darstellen. Zu diesem Zweck wurde am Fraunhofer IFF ein leistungsstarkes und zugleich kostengünstiges VR-Softwaretool zur Planung und Optimierung von energieeffizienten Standorten entwickelt.

Was macht dieses VR-Softwaretool besser als herkömmliche Methoden?

Unter Einsatz einer bereitgestellten Objektbibliothek kann der künftige Standort virtuell-interaktiv geplant und dargestellt werden. Unser Werkzeug fungiert dabei als Visualisierungssystem und bildet den Standort sowie die entsprechenden Verbrauchs- und Erzeugungswerte der ausgewählten Gebäude, ausgewählter Bereiche bzw. des gesamten Standortes ab. Es erleichtert insbesondere die Optimierung der Energiebilanz auf individueller Gebäude-, Gebäudecluster- und Gesamtstandort-Ebene.

Zugleich wird die Berechnung und Analyse aller energetischen Parameter (z.B. Energie- und Wärmeverbrauch) der geplanten Komponenten (Gebäude) möglich. Darauf aufbauend erfolgt die Kopplung der berechneten Werte mit der virtuellen Darstellung für eine skalierbare, systemgestützte Nullenergieberechnung. Denn die Energieeffizienz ist heute ein wesentlicher Baustein der Gesamtbetrachtung bei der Standortplanung und -optimierung.

Darüber hinaus dient das System als Wissensbasis, um den Endanwendern die zur Verfügung stehenden Technologien und deren wichtigste Kennzahlen, wie z. B. Anschaffungs- und Betriebskosten, Realisierungsaufwand, Einsparungspotential, Ausbaustufen, Wartungsaufwand, sowie deren Vor-und Nachteile, aufzeigen zu können.

Wie vollzieht sich ein solcher Effizienzprozess?

Die Entwicklung einer geeigneten Energiestrategie erfolgt nach festgelegten Prozessschritten. Zuerst wird erst eine virtuelle Abbildung des Standortes erstellt, dann wird dieser mit energetischen Verbrauchswerten und anschließend mit Erzeugungs- bzw. Lieferkennzahlen gekoppelt. Technische und rechtliche Rahmenbedingungen sowie die natürlichen Standortvoraussetzungen können ebenfalls berücksichtigt werden.

Ein Beispiel für Letzteres ist etwa das Aufstellen von Windkraftanlagen. Sie müssen stets einen jeweiligen Mindestabstand zu Siedlungen aufweisen und können nicht an windstillen Positionen aufgestellt werden. Ähnliche Gesetzmäßigkeiten gelten für Biomassekraftwerke und Solaranlagen. Das kann mit Hilfe der virtuellen Standortplanung sehr frühzeitig und transparent geplant werden. Der Anwender kann mit der Software selbstständig arbeiten, hat so die Möglichkeit, diese Planung zur Entwicklung der neuen Versorgungsstrategie des Standortes selbst vorzunehmen. Alternativ kann das System eigenständig Optimierungsvorschläge anzeigen. So macht es zum Beispiel für die Ausstattung eines Gebäudes mit Solarpanels Vorschläge für die effizienteste Aufbauvariante.

Gibt es weitere Funktionen zur energetischen Optimierung?

Neben der Planung lassen sich die Funktionen des Softwaretools zusätzlich nutzen, um bestehende Standorte energetisch zu optimieren. Hierzu wird zunächst eine Analyse des Ist-Zustandes durchgeführt, um die aktuellen energetischen Verbräuche und Bedarfe zu ermitteln. Anschließend können anhand der Standortvoraussetzungen, eventueller Gesetzesvorgaben und der verfügbaren Technologien Potenziale zur autarken Energieerzeugung des jeweiligen Standortes aufgezeigt werden. Diese lassen sich mit den Verbrauchswerten kombinieren, so kann eine Nullenergieberechnung vorgenommen werden.

Kann das VR-Softwaretool bei Akzeptanzproblemen helfen?

Wir erleben ja bundesweit an vielen Beispielen den Stellenwert der Akzeptanz von Standort-Projekten bei Bürgern und Kommunen. Akzeptanz durch Transparenz ist daher mehr als ein methodisches Instrument zur Verhinderung von Konfliktsituationen.

Mit Hilfe virtueller Standortplanung lässt sich nicht nur bei industriellen Großprojekten, sondern auch bei scheinbar kleineren Vorhaben allen Beteiligten auf sehr anschauliche Weise die Faktenlage näherbringen. Als Diskussions- und Planungsplattform erzeugt sie hohe Transparenz. Sie erleichtert die Kommunikation und den Dialog mit allen Gesprächspartnern.

Es bildet somit insgesamt ein Standortinformationssystem für Planung und Marketing, für Analyse und Berechnung der Energieeffizienz, zur Steigerung von Energieeffizienz und Energieautarkie sowie bei der Planung und Begleitung von Kommunikationsprozessen.

Das Gespräch führte René Maresch
www.iff.fraunhofer.de