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09.09.2016 16:17 Alter: 8 yrs

Offshore-Windindustrie Deutschlands gerät in schwere See

Die aktuellen Zahlen zum Ausbau Windenergie auf See zum Halbjahr 2016 in Deutschland belegen, von Boom-Zeiten ist gerade nicht zu sprechen. Für Hermann Albers, Präsident des Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE) haben die Diskussionen rund um die Novelle zum EEG 2017 gezeigt, dass eine breite gesellschaftliche Diskussion sowohl zum künftigen Energiekonzept als auch zur Schrittfolge der Energiewende mehr als notwendig ist.


Im ersten Halbjahr 2016 gingen 43 Offshore-Windenergieanlagen mit einer Leistung von 258 Megawatt neu ans Netz. Auf See speisten damit zum 30. Juni 2016 insgesamt 835 Anlagen mit einer Leistung von 3.552,2 Megawatt Strom ein. Zudem sind 54 Anlagen mit einer Leistung von 324 Megawatt bereits errichtet und stehen vor ihrem Netzanschluss. Für 142 weitere Anlagen wurden bereits Fundamente errichtet. In der deutschen Nord- und Ostsee werden zum Jahresende demnach Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung knapp 4 Gigawatt am Netz sein. Die durchschnittlich ans Netz angeschlossene Leistung pro Anlage ist von gut 4 auf 6 Megawatt gestiegen. Effizientere Anlagen mit längeren Rotorblättern setzen sich durch.

Gesellschaftliche Realität vs. Ausbauforderungen

Die Branche rechnet damit, dass in Deutschland im Jahresverlauf insgesamt Offshore- Windenergieanlagen mit einer Leistung von etwa 700 Megawatt erstmals ins Netz einspeisen. Die Branchenorganisationen und Verbände, welche die Zahlen durch die Deutsche WindGuard zusammenstellen lassen, werten den Ausbau 2016 als maßvollen Beitrag für einen steten Ausbau. Die Stetigkeit des Offshore- Windenergie-Ausbaus auf substanziellem Niveau hat weiterhin die höchste Priorität, auch um Kostensenkungen durch Skaleneffekte zu erreichen.

Mit dem jüngst beschlossenen EEG gerät die Offshore-Windindustrie Deutschlands nach Ansicht des BWE in schwere See. Geringe Ausschreibungsvolumen werden den Standort insgesamt teurer zu stehen kommen und Arbeitsplätze kosten. Im Sinne der Energiewende sollte deshalb der Netzausbau an Land beschleunigt werden. Demgegenüber fallen die mit dem EEG 2017 beschlossenen jährlichen Ausbaumengen weit hinter die Möglichkeiten zurück. Die für die Jahre 2021 und 2022 in Deutschland vorgesehenen Mengen von je 500 Megawatt sind viel geringer als die jährliche Ausbaumenge von 700 Megawatt der vergleichsweise kleinen Niederlande.

Die mit dem EEG 2017 gekappte Ausbaumenge in den frühen 2020er Jahren ist daher – auch angesichts stetig wachsender Turbinen- und Windparkgrößen – schlichtweg unsinnig und teuer, so die Position des BWE. Die Argumentation: Es liegt auf der Hand, dass sich mit einem um ein Drittel geschrumpften Markt die aktuell rund 20.000 Arbeitsplätze bei Herstellern, Zulieferern und Dienstleistern für die Offshore-Windindustrie nicht erhalten lassen. Zumal der größte Exportmarkt nach dem Brexit erheblich weniger sicher erscheint.

Forderungen der Branche

Für die Windbranche stellen sich mehrere Forderungen, deren Systemrelevanz jedoch zu hinterfragen ist. So soll die Stichtagsregelung für die anspruchsberechtigten Projekte im Übergangssystem für die Ausschreibungen auf Ende 2016 verschoben werden, um ausreichend Wettbewerb zu gewährleisten. Nach der aktuellen EEG Novelle müssen die Projekte

bis zum 1. August dieses Jahres eine Planfeststellung, eine Genehmigung oder eine Erörterung erreicht haben, um an Ausschreibungen in 2017 und 2018 teilnehmen zu können.

Auch müsste der bisher sträflich vernachlässigte Ausbau der Übertragungsnetze an Land beschleunigt werden, anstatt als Begründung für das Bremsen des Offshore-Windenergie- Ausbaus zu dienen. Für den BWE ist belegt, dass erhebliche Beschleunigungs- und Kostensenkungspotenziale bei Offshore-HGÜ-Netzanbindungen (Hochspannungsgleichstromübertragung) bestehen. Zur kurzfristigen Überbrückung von Netzengpässen an Land sollten technische Innovationen zur besseren Netzauslastung genutzt werden. Die Offshore-Organisationen und Verbände verweisen in diesem Zusammenhang auf die im Juni veröffentliche Branchenstudie „Beschleunigungs- und Kostensenkungspotenziale bei HGÜ-Offshore-Netzanbindungsprojekten“.

Nachteile bei Ausschreibungen?

Die Debatte rund um das EEG 2017 habe Diskrepanzen zwischen den Zielen der Länder und der Herangehensweise des Bundes offengelegt, so die Meinung von Branchenvertretern. Neben unterschiedlichen Zielsetzungen beim Ausbau der Erneuerbaren Energien findet sich ein konkreter Konflikt in den neuen gesetzlichen Regelungen des EEG. Der Bundesgesetzgeber sorge nämlich über die Verschiebung des Referenzstandortes bei Wind an Land für einen erheblichen Druck, möglichst Windkraftanlagen mit einer Nabenhöhe über 135 Meter und größeren Rotordurchmesser zu errichten.

Anlagen unterhalb einer Nabenhöhe von 135 Metern werden im EEG 2017 wirtschaftlich deutlich schlechter gestellt. Sie werden damit im Ausschreibungsverfahren benachteiligt“, beschreibt Hermann Albers die Situation ab Januar 2017. Dieser bundesgesetzliche Druck stehe bisher konträr zu den Wünschen von Kommunen und dem Vorgehen der Genehmigungsbehörden. Hier gibt es eine starke Tendenz unter dem Fokus der Akzeptanz, die Höhe von Windkraftanlagen zu beschränken. Für Hermann Albers wurde „dieser offensichtliche Widerspruch nicht ausreichend diskutiert. Wir befürchten, dass dieser bundesgesetzlich erzwungene Konflikt die Debatten vor Ort erschwert und der Energiewende nicht hilft“, meint der Präsident Bundesverband WindEnergie.

Einen realistischen Blick bewahren

Seitens der Offshore-Windbranche wird postuliert: Wenn schleppender Netzausbau den Ausbau der Windenergie auf See und anderer erneuerbaren Energien weiterhin bremst, wird die Energiewende scheitern. In öffentlichen Wortmeldungen vermelden Branchenvertreter, aktuell agiere die Bundespolitik noch auf Basis eines Energiekonzeptes aus dem Jahr 2010, welches nach dem Atomausstieg in Folge von Fukushima nicht mehr ausreichend konkret ist. Die Organisationen und Verbände fordern, mit Blick auf die in letzter Minute des Gesetzgebungsverfahrens und ohne ausreichenden Diskurs getroffenen Änderungen, Korrekturen vorzunehmen bezüglich der Ausschreibungsmodalitäten der Jahre 2021 und 2022. Realistischer zeigt sich hier Präsident Albers: „Wir wünschen uns eine politisch getragene öffentliche Debatte für einen echten Energiekonsens. Das planlose Laborieren steht der erfolgreichen Energiewende im Wege und ist für alle Akteure hoch unbefriedigend. Der nächsten Bundesregierung muss es gelingen, in vernünftigen Strukturen die Dekarbonisierung vorzubereiten. Die Strategie dafür sollte zwischen Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbänden im Rahmen eines öffentlichen Diskurses erarbeitet werden“.

Das Beispiel EEG 2017 zeigt, wie notwendig ein Grundkonsens ist, der dann quer durch die politischen Ebenen getragen wird und unabhängig von Legislaturperioden hält. So lässt sich „zudem Verlässlichkeit für die Akteure der Energiewirtschaft sichern“, macht Hermann Albers deutlich.