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< „Die deutsche Energiewirtschaft verfügt über die notwendige Innovationskraft, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten“
08.05.2013 15:59 Alter: 12 yrs
Kategorie: Wirtschaftsfaktor Energie

Neue Netze für neue Energien

Deutschland steigt ein in das Zeitalter regenerativer Energien. Bis 2050 sollen sie den größten Teil der nationalen Energieversorgung sicherstellen. Die Übertragungsnetze bilden das Rückgrat der Energieinfrastruktur, die diesen Wandel erst ermöglicht.


Inbetriebnahme der 380-kV-Nordleitung zwischen Schwerien und Hamburg im Dezember 2012. Erwin Sellering, Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommern (li.) und Boris Schucht, Vorsitzender der Geschäftsführung 50Hertz (re.) vollziehen diese Übergabe gemeinsam mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel; Foto: 50Hertz

Im Gespräch mit THEMEN:magazin Energie gibt Boris Schucht, Vorsitzender der Geschäftsführung des für den Norden und Osten Deutschlands zuständigen Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz, Einblicke zum aktuellen Stand.

Herr Schucht, reflektiert die von 50Hertz vorgelegte Geschäftsbilanz 2012 die Entwicklung der Energiewende?

Die Energiewende ist im Netzgebiet von 50Hertz im Jahr 2012 wirklich gut vorangekommen. Hierzu eine bemerkenswerte Zahl: Der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in den neuen Bundesländern sowie Berlin und Hamburg lag letztes Jahr bei 35 Prozent. Bei relativ konstantem Stromverbrauch in der Regelzone von 50Hertz in den vergangenen drei Jahren von rund 98 Terawattstunden stieg der Anteil der erneuerbaren Energien in 2012 auf rund 35 Terawattstunden. Damit wurde in unserem Netzgebiet das klimapolitische Ziel der Bundesrepublik für das Jahr 2020, den Anteil der Regenerativen am Stromverbrauch auf 35 Prozent zu erhöhen, bereits 2012 erreicht.

Auch unsere Geschäftsbilanz zeigt diese Fortschritte bei der Energiewende. Das hohe Investitionsniveau verdeutlicht dies zum Beispiel, denn unsere Investitionen stiegen 2012 auf 254 Millionen Euro an und spiegeln den voranschreitenden Netzausbau zur Integration der erneuerbaren Energien wider. Hiervon entfielen 144 Millionen Euro auf Onshore- und 110 Millionen Euro auf Offshore-Investitionen.

Insgesamt konnten wir im letzten Jahr ein gutes Ergebnis aufgrund dieser positiver Geschäftsentwicklung und regulatorischer Sondereffekte aufweisen. Die Umsätze stiegen auf rund 8,6 Milliarden Euro in 2012 und das Ergebnis nach Steuern lag bei 111 Millionen Euro. Neben dem voranschreitenden Netzausbau waren aber in erster Linie der Abbau regulatorischer Benachteiligungen und daraus resultierende, einmalige Nachholeffekte für das positive Ergebnis verantwortlich.

Zu diesen Sondereffekten zählen die Abschaffung des Zeitverzuges bei der Anerkennung von Investitionskosten und regulatorische Fortschritte zur Ermittlung der Kapitalkosten von Investitionen.

Kann 50Hertz Fortschritte beim Netzaus- und umbau verzeichnen?

Mit der Inbetriebnahme der Nordleitung zwischen Schwerin und Hamburg und der innovativen Neubeseilung der hochbelasteten Leitung von Remptendorf (Thüringen) nach Redwitz (Bayern) mit Hochtemperaturseilen im Abschnitt Südthüringen konnten zwei wichtige Projekte zum Netzausbau und zur Netzverstärkung verwirklicht werden.

Zudem gab es bei mehreren Leitungsbauvorhaben deutliche Fortschritte in den Genehmigungsverfahren, der Bau der wichtigen Südwestkuppelleitung wurde im zweiten Abschnitt zwischen Erfurt und Altenfeld genehmigt und begonnen. Auch die Netzanbindung des Offshore-Windparks Baltic 2 in der Ostsee befindet sich in der Bauphase.

Für die kommende Dekade bis 2022 planen wir Investitionen in Höhe von rund vier Milliarden Euro, speziell zur weiteren Integration der Erneuerbaren Energien, zum Erhalt eines hohen Niveaus der Versorgungssicherheit und zur Entwicklung des europäischen Strombinnenmarktes. 

Wie sehen sie das Problem der Netzstabilität?

Angesichts der hohen Netzauslastung und stetig wachsenden erneuerbaren Energien muss unser Netz weiter entwickelt werden. Auch 2012 musste 50Hertz wieder sehr häufig aus Gründen der Systemstabilität ins Netz und damit in den Markt eingreifen. An insgesamt 77 Tagen (gegenüber 45 Tagen in 2011) mussten erneuerbare Anlagenbetreiber angewiesen werden, ihre Produktion temporär zu drosseln, um Netzüberlastungen zu vermeiden.

Dieses Instrument wird immer als allerletztes Werkzeug zur Systemstabilisierung angewendet, nachdem zuvor bereits schalttechnische Eingriffe durchgeführt und konventionelle Anlagen reduziert worden sind. Und all diese Eingriffe kosten Geld, das letztlich in die Netzentgelte eingepreist wird. Allein im Jahr 2012 musste 50Hertz für die temporäre Einsenkung von erneuerbaren Erzeugungsanlagen rund 10 Millionen Euro an Entschädigung an die Betreiber zahlen, der sogenannte Redispatch, also das Eingreifen in die Fahrweise konventioneller Kraftwerke, belief sich auf rund 120 Millionen Euro in Summe. Jährliche Kosten, die nur entstehen, weil der Netzausbau nicht schnell genug vorankommt. Hätten wir bereits jetzt die Südwestkuppelleitung von Halle/Saale nach Schweinfurt in Betrieb, würde ein Großteil dieser jährlich anfallenden und steigenden Summen gar nicht mehr anfallen. Netzausbau ist volkswirtschaftlich also sehr effizient.

Welchen Stellenwert hat für Sie die Akzeptanz der Bevölkerung?

Die größte Gefahr für die Energiewende ist eine schwindende Akzeptanz in der Bevölkerung. Diese grundlegende Akzeptanz ist nur aufrechtzuerhalten, wenn wir nach wie vor ein Höchstmaß an Versorgungssicherheit zu bezahlbaren Energiepreisen zur Verfügung stellen können. Und genau hieran muss sich auch die künftige Weiterentwicklung des EEG orientieren.

Bei der Akzeptanzgewinnung in den Netzausbauregionen gehen wir seit dem letzten Jahr neue Wege und haben die Projektkommunikation deutlich ausgebaut. Bei der Uckermark-Leitung haben wir zum Beispiel ein mobiles Bürgerbüro eingesetzt. Dieses wird auf den zentralen Plätzen in den
Kommunen aufgebaut, so dass sich die Bürgerinnen und Bürger vor Ort unmittelbar informieren können. Hinzu kommen zahlreiche Dialogveranstaltungen, zum Teil gemeinsam mit den kritischen Bürgerinitiativen organisiert, Vor-Ort-Gespräche in den Kommunalparlamenten, Informationsbroschüren, eine Telefon-Hotline und Informationsangebote auf unserer Website.

Als einen weiteren Schritt in Richtung Akzeptanz leisten wir Ausgleichszahlungen an Kommunen. 50Hertz zahlt Kommunen, die vom Netzausbau unmittelbar betroffen sind, einen finanziellen Ausgleich für damit verbundene Lasten. Die Voraussetzungen wurden mit der Stromnutzungsentgeltverordnung (StromNEV §5 Abs. 4) geschaffen. Damit wird den Belastungen ein Stück weit Rechnung getragen, die sich für Bürger aus dem für die Energiewende notwendigen Ausbau des Übertragungsnetzes ergeben.

Abschließend die Frage, welche Erwartungen haben sie an die Politik?

Notwendig ist mehr zeitliche Synchronisierung zwischen EEG- und Infrastrukturausbau. Der stetige Ausbau der erneuerbaren Energien muss zeitlich stärker mit dem Ausbau der erforderlichen Infrastruktur synchronisiert werden. Die Investitionen in den Umbau des Energieversorgungssystems bedürfen eines politischen Rahmens, der für Planungs- und Investitionssicherheit sorgt. Fortschritte bei der Umsetzung der Energiewende sehe ich in der bundesweiten Netzentwicklungsplanung sowie in weiteren gesetzlichen Maßnahmen zur Systemsicherheit (Systemstabilitäts- und Abschaltverordnung) und zur Verbesserung des
Offshore-Investitionsrahmens. Mit der Verabschiedung des Bundesbedarfsplangesetzes in diesem Jahr wird sicher ein wichtiger Meilenstein für den Netzaus- und -umbau in Deutschland gesetzt.

Gleichzeitig ist aber auch eine grundlegende Novelle des Erneuerbare-Energien- Gesetzes nötig, um den aktuellen Entwicklungen bei den erneuerbaren Energien gerecht zu werden.

Wir danken für das Gespräch.

 

 

50Hertz sorgt mit knapp 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den Betrieb und den Ausbau des Übertragungsnetzes. Darüber hinaus ist das Unternehmen für die Führung des elektrischen Gesamtsystems auf den  Gebieten der Bundesländer Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg- Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen verantwortlich.  Insgesamt nimmt die Integration der erneuerbaren Energien 90 Prozent  des Investitionsvolumens von 50Hertz ein, das übrigens im Jahre 2012 von der Bundesnetzagentur als einziger vollständig eigentumsrechtlich entflochtener deutscher Übertragungsnetzbetreiber zertifiziert wurde.
Als Übertragungsnetzbetreiber im Herzen Europas steht 50Hertz für die sichere Integration der erneuerbaren Energien, die Entwicklung des europäischen Strommarktes und den Erhalt eines hohen Versorgungssicherheitsstandards.

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