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Neue Finanzierungsmodelle für die Energiewende nutzen
„Neue Beteiligungs- und Finanzierungsstrukturen sind geeignet, um neue Eigenkapitalgeber einzubinden.“
Die Energiewende ist ein sehr kapitalintensives Vorhaben. Für die Kapitalbereitstellung gilt, alle Optionen zu prüfen – also auch, wie privates Kapital einbezogen werden könnte. Ein Plädoyer für besondere Maßnahmen in besonderen Zeiten. Ein Gastbeitrag von Steffen Apfel, Partner bei PwC Deutschland und Leiter Deals Energiewirtschaft.
Die globale Energiewende ist eine der herausforderndsten Aufgaben unserer Zeit. Soll Deutschland einen wirksamen Beitrag dazu leisten, muss das Energiesystem grundlegend verändert werden. Der Umbau wird teuer: Diverse Wirtschaftsinstitute prognostizieren, dass in den kommenden Jahrzehnten bis zu einer Billion Euro nötig sind, um das deutsche Energiesystem klimaneutral zu gestalten.
Stadtwerke in entscheidender Position
Davon werden kommunale Energieversorgungsunternehmen (EVUs) einen bedeutenden Anteil aufbringen müssen: für Investitionen in Stromerzeugungs- und Speicheranlagen, in Stromnetze, in eine klimaneutrale Wärmeversorgung, in Wasserstoffinfrastruktur, neue Endanwendungen, Gebäudesanierungen und, und, und. Ein Großteil des Investitionsbedarfs wird in Städten anfallen. Deshalb spielen Stadtwerke eine bedeutende Rolle, wenn es um die Umsetzung der politischen Ziele geht. Einerseits direkt – als Betreiber von und Investoren in dezentrale Strom-, Gas-, Wasserstoff- und Wärmeinfrastrukturen. Andererseits indirekt – als wichtiges Bindeglied zu Kommunalpolitik und Öffentlichkeit.
Finanzierungslücken sind absehbar
Allerdings müssen die Stadtwerke die Investitionen auch finanzieren und zugleich die Versorgungssicherheit aufrechterhalten. So geht es für sie darum, ausreichend Energie aus regenerativen Quellen zu beschaffen, um Deutschland zügig weniger abhängig von fossilen Energieträgern zu machen. Und was die Finanzierung betrifft: Die Stadtwerke werden nicht jeden Euro, den sie im Tagesgeschäft erwirtschaften, in Energiewendeprojekte investieren können. Dies gilt alleine schon deshalb, weil viele Kommunen als Eigentümer die Gewinne zur Finanzierung des kommunalen Querverbundes benötigen. So oder so sind also Finanzierungslücken absehbar. Dies wurde deutlich, als PwC die Jahresabschlüsse von rund 300 Stadtwerken aus den Jahren 2020 und 2021 analysiert hat. Dabei zeigte sich, dass sie die anstehenden Investitionen allein mit Fremdkapital nicht werden stemmen können. Dafür reicht ihre aktuelle Finanzierungskapazität schlicht nicht aus. Wollen die Stadtwerke den Herausforderungen gerecht werden, müssen sie auch neue Finanzierungskonzepte und -strukturen nutzen.
Steigende Verschuldungsgrade seit 2017
Die Grafik zeigt die Verschuldungsgrade der untersuchten Stadtwerke in den Jahren 2011 bis 2021. Die Nettofinanzschulden sind ins Verhältnis zum EBITDA gesetzt; das Verhältnis ist relevant für die Ermittlung der Verschuldungskapazität. Der Median der Kennzahl steigt seit 2017 kontinuierlich an. Das heißt, die Fähigkeit, zusätzliches Fremdkapital aufzunehmen, sinkt seither.
Wie ließe sich dieses Finanzierungsproblem lösen?
Zwei Ansätze: Die Stadtwerke müssten ihre operativen Erträge steigern. Dabei sollte die Politik sie unterstützen, indem sie die Rahmenbedingungen so gestaltet, dass die Stadtwerke mit neuen, die Energiewende vorantreibenden Geschäftsmodellen angemessene Renditen erwirtschaften können. Denn nur profitable Unternehmen können die Energiewende finanzieren. Würden die Stadtwerke ihr EBITDA verbessern, würden ihre Verschuldungsgrade in der Tendenz wieder sinken – und die Fähigkeit zur Fremdkapitalaufnahme entsprechend steigen. Ein weiterer Ansatz wäre zusätzliches Eigenkapital, bereitgestellt von Gesellschaftern und neuen Investoren. Doch auch hier gibt es Beschränkungen. Zudem ist Eigenkapital teurer als Fremdkapital. Das fällt umso mehr ins Gewicht, je höher die Zinsen sind. Und die Branche kann nicht warten, bis die seit 2022 stark gestiegenen Zinsen wieder sinken, sondern muss jetzt und weiterhin investieren.
Der Verschuldungsgrad (Nettofinanzverschuldung / EBITDA) ist die zentrale Kennzahl für die Ermittlung der Verschuldungskapazität von Unternehmen. Diese Kennzahl wird von Banken als Financial Covenant zur Bonitätsbeurteilung herangezogen. Der Verschuldungsgrad ist für die Gruppe der analysierten Stadtwerke über die Jahre angestiegen, damit sinkt die Fähigkeit, zusätzliches Fremdkapital aufzunehmen.
Projektfinanzierungen als Teil der Lösung
Um externe Eigenkapitalgeber einzubinden, sind neue Beteiligungs- und Finanzierungsstrukturen geeignet: Projektfinanzierungen außerhalb der eigenen Bilanz zum Beispiel. Hierbei haben Stadtwerke die Chance, einzelne zu finanzierende Assets – Kraftwerke, Energienetze und Fernwärmeanlagen etc. – sowie Fremdkapital in die Projektgesellschaft einzubringen. Beteiligte Investoren bringen Eigenkapital ein. Stadtwerke können solche Gesellschaften für weitere Stadtwerke öffnen, die ebenfalls Assets einbringen. So können kommunale Versorger projektspezifisch externes Kapital für Energiewendeinvestitionen einbinden und dies in Größenordnungen, die für private Investoren hochinteressant sind. Ebenfalls wichtig: Eigenkapitalinvestoren haben unterschiedliche Verzinsungsansprüche und suchen deshalb individuelle Ertrags-Risiko-Profile, also individuelle Investitionsmöglichkeiten in den verschiedenen Wertschöpfungsstufen. Oder anders ausgedrückt: Die einzelnen Wertschöpfungsstufen ziehen unterschiedliche Investorenklassen an. Für Stadtwerke ist das von Vorteil. Und auch, um Fremdkapital einzuwerben, können Projektgesellschaften vorteilhaft sein: insbesondere, um ESG-Anforderungen zu erfüllen.
Energiewende-Fonds auch für Privatleute vor Ort
Ein zweites Beispiel ist der „Energiewende-Fonds“. Dieses Modell funktioniert so: Ein oder mehrere kommunale Versorger legen einen Fonds auf, der Projektgesellschaften finanziert. Am Fonds beteiligt sind private und öffentliche Kapitalgeber. Auch die gründenden Stadtwerke können Eigenkapital einbringen. Zudem können die Projektgesellschaften Fremdkapital aufnehmen. Sogar Privatpersonen können damit die Energiewende vor Ort mitgestalten: indem sie kleinere Anteile am Fonds zeichnen. So steigt die Akzeptanz der Energiewende vor Ort und auch die Bürger der Kommune partizipieren am Erfolg.
Verlässliche Rahmenbedingungen sind essenziell
Privates Kapital für Investitionen in den Green Deal liegt grundsätzlich bereit; insbesondere von institutionellen Investoren. So haben Private Equity- und andere Infrastrukturinvestoren weltweit mehrere Billionen Euro für weitere Investitionen allokiert. Sie investieren das so dringend benötigte Kapital allerdings nur, wenn die Rahmenbedingungen langfristig verlässlich sind. Auch hier kommt wieder die Politik ins Spiel: Die Bundes- und Europapolitik sollte rasch geeignete rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen schaffen, um Investoren anzuziehen. Dabei ist die Schnittstelle zwischen dem regulierten Bereich (Netz) und dem Wettbewerbssegment (Erzeugung, Speicher, Vertrieb) besonders bedeutsam.
Stadtwerke in starker Verhandlungsposition
Fazit: Stadtwerke und ihre Stakeholder besitzen die Erfolgsfaktoren für die Energiewende vor Ort. Sie verfügen über langjährig etablierte Kundenzugänge und genießen das Vertrauen ihrer Kunden. Allein dies ist schon ein wesentliches „Pfund“ für die Kooperation mit privaten Partnern. Investoren suchen aktuell – und perspektivisch wahrscheinlich noch mehr – nach planbaren, sicheren Infrastrukturinvestitionen. Vor diesem Hintergrund sind Stadtwerke auch mit ihrer kommunalen Eigentümerstruktur und ihrem vertrauensvollen Zugang zur Politik in einer starken Verhandlungsposition. Kollaborieren sie mit privaten Investoren, bleibt die Energiewende zwar eine Mammutaufgabe. Doch besser und schneller umsetzbar würde sie allemal.
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Anfragen an den Autor unter: steffen.apfel@pwc.com