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Netzausbau in Ostdeutschland – für eine nachhaltige Versorgung
In Verantwortung für eine künftige sichere Stromversorgung haben jetzt die sechs großen Verteilnetzbetreiber der ARGE Ost einen gemeinsamen Netzausbauplan bis 2027 (NAP2017/2027) für das Hochspannungsnetz (110-Kilovolt-Netz) in Ostdeutschland vorgelegt.
Wir sprachen darüber mit Dr. Adolf Schweer, Geschäftsführer MITNETZ STROM (Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom mbH).
Foto: Michael Bader
Die nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes verlangt eine sichere Energieversorgung, auch im Hinblick auf den Zuwachs an dezentralen Erneuerbare-Energien-Anlagen. Verteilnetze in Deutschland werden weiterhin eine Schlüsselrolle in der Energiewende einnehmen. Die Volatilität erneuerbarer Energien bleibt langfristig eine Herausforderung. Mehr als 95 Prozent der dezentralen Erzeugungsanlagen sind heute und zukünftig in den regionalen Verteilnetzen integriert. Hinzu kommt, in keiner anderen Region in Deutschland sind so viele Erneuerbare-Energien-Anlagen im Vergleich zur Last angesiedelt wie in Ostdeutschland.
Herr Dr. Schweer, warum ein Netzausbauplan bis 2027?
Die Flächennetzbetreiber Ostdeutschlands (FNB Ost) erleben einen nach wie vor stetigen dezentralen Zubau von Erzeugungsanlagen und eine spürbare Dynamisierung und Lastverlagerung in den Verteilnetzen. Diese Dynamisierung des Netzbetriebs in den Verteilnetzen wird begleitet durch einen weiteren stetigen Rückbau und dem nicht realisierten Neubau von konventionellen Erzeugungsanlagen mit Anschluss an die Übertragungsnetze. Bereits heute übersteigt die erzeugte Energiemenge aus regenerativen Quellen in bestimmten Netzregionen der FNB Ost den Energiebedarf um bereits deutlich mehr als 100 Prozent.
Dieser enorme weitere Zubau von Erzeugungsanlagen hat die Situation an vielen Stellen weiter verschärft. Durch den überwiegenden Anschluss großer Anlagenparks an die 110- Kilovolt- Netzebene und dem nicht zeitgleich möglichen Netzausbau haben sich in den Hochspannungsnetzen zahlreiche Netzengpässe gebildet, denen aktuell mit der bedingten Reduzierung der Einspeiseleistung begegnet wird. Deshalb ist es erforderlich, vor allem in den Schwerpunktregionen, die durch eine besonders geringe Bezugslastdichte und einen überproportionalen Zubau von Erzeugungsanlagen geprägt sind, neue Hochspannungsnetze zu errichten bzw. vorhandene Netze massiv zu verstärken sowie Übergabe-Umspannwerke zum Höchstspannungsnetz zu erweitern oder neu zu bauen.
Aus diesem Grund haben die sechs großen Verteilnetzbetreiber in Ostdeutschland - ENSO NETZ GmbH, Dresden, E.DIS Netz GmbH, Fürstenwalde/Spree, Avacon Netz GmbH, Helmstedt, MITNETZ STROM mbH, Halle (Saale), TEN Thüringer Energienetze GmbH & Co. KG, Erfurt, und WEMAG Netz GmbH, Schwerin -in Verantwortung für eine künftig sichere Versorgung von Kommunen und Industrie einen Netzausbauplan für das Hochspannungsnetz (110-Kilovolt-Netz) in Ostdeutschland vorgelegt.
Hat sich der Netzausbauplan aus dem Jahr 2013 überholt?
Es stimmt, wir hatten als ostdeutsche Verteilnetzbetreiber bereits im Jahr 2013 erstmals gemeinsam einen Netzausbauplan erarbeitet. Dieser musste wegen des hohen Anteils volatiler Einspeisung von Erneuerbaren Energien bereits 2015 überarbeitet werden. Mit dem Voranschreiten der Energiewende ist er auch zu einem Fahrplan für Forschung und Entwicklung in den Verteilnetzen geworden. Jetzt wurde er noch einmal an die gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für 2017 angepasst. Mit dem Netzausbauplan für Ostdeutschland liegt nun in Deutschland ein unternehmens- und länderübergreifender Fahrplan der Verteilnetzbetreiber für das Hochspannungsnetz vor.
Von Vorteil ist, dass sich Verteilnetzbetreiber, regionale Planungsgemeinschaften und Übertragungsnetzbetreiber noch besser zum Netzausbau abstimmen können. Denn unser gemeinsames Ziel ist es, den Netzausbaubedarf insgesamt zu senken.
Die Ergebnisse des Netzausbauplanes zeigen, dass trotz Optimierung der Netze und der Novellierung des Erneuerbare–Energien- Gesetzes (EEG) der Netzausbau weiterhin notwendig ist. Wir gehen als Verteilnetzbetreiber für 2027 von einer Einspeiseleistung von rund 47.200 Megawatt für Ostdeutschland aus, wobei den wesentlichen Beitrag Windenergie und Photovoltaik liefern.
Ist allein der Zuwachs an Erneuerbaren-Energie-Anlagen Grund für den Netzausbau?
Sicher sind die bisherigen Ausbaumaßnahmen wesentlich durch die enorme Zunahme der Einspeisung erneuerbarer Energien notwendig geworden. Aber in den nächsten Jahren stehen mit der Digitalisierung, der Sektorkopplung und der Elektromobilität neue Herausforderungen auf der Verbraucherseite bevor. Hier sind zukünftig weitere Netzausbaumaßnahmen und die intelligente Nutzung flexibler Lasten und Erzeugungen nötig. Ebenso sind bei der Stromnetzplanung zunehmend auch die Möglichkeiten des Energieaustauschs vornehmlich mit Gas- und Wärmenetzen zu berücksichtigen.
Ein wichtiger Ausgangspunkt des NAP2017 ist deshalb eine umfangreiche Prognose der Last- und Einspeiseentwicklung, bei welcher insbesondere die dem Netzbetreiber bekannten Netzanschlussbegehren einschließlich dessen Erfahrungen mit Realisierungswahrscheinlichkeiten, das Erzeugungspotenzial, - es ergibt sich aus den raumplanerischen und raumordnerischen Festlegungen nach dem jeweiligen Landesrecht - und sonstige im zu beplanenden Netzgebiet vorhandenen Erzeugungsanlagen und Stromspeicher Berücksichtigung finden.
Von Bedeutung werden auch die regionale wirtschaftliche und demografische Entwicklung und die daraus zu erwartende regionale Strom- und Leistungsnachfrage sein.
Was sieht der Netzausbauplan konkret vor?
Der gemeinsame Netzausbauplan 2017 sieht vor, bis zum Jahr 2027 rund 2.600 Kilometer Hochspannungsleitungen neu zu bauen und zu verstärken sowie 39 Übergabe-Umspannwerke zum Höchstspannungsnetz zu erweitern oder neu zu bauen. So soll weiterhin eine reibungslose Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien gewährleistet werden. Hierbei berücksichtigt der Netzausbauplan die modellhaft abschätzbare Wirkung der Spitzenkappung, die gleichzeitige Einspeiseleistung aus Wind- und Photovoltaikanlagen sowie die geplanten Ausschreibungsverfahren für Windenergieanlagen. In den vergangenen vier Jahren wurden bereits neun Übergabe-Umspannwerke zum Höchstspannungsnetz erweitert oder neu gebaut und rund 450 Kilometer Hochspannungsleitung realisiert. Der Ausbaubedarf ist bislang konstant. Weitere Kostensteigerungen haben die Verteilnetzbetreiber deshalb nicht eingerechnet.
Welche Ziele werden mit dem NAP2017 der FNB Ost angestrebt?
Durch eine Formulierung von Szenarien, Treibern und Prämissen unserer Netzausbauplanung, eine adäquate Visualisierung der zu verstärkenden oder neu zu errichtenden Umspannwerke sowie durch eine Angabe der zu verstärkenden oder neu zu errichtenden 110-Kilovolt-Leitungstrassen soll ein hohes Maß an Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz der notwendigen Ausbaumaßnahmen erreicht werden.
Zusätzlich sind die Themen notwendig, um eine Abstimmung der Arbeit der ARGE Ost mit dem Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz zu erreichen, auch in Hinblick auf die Handhabung der Flexiblität. Während in der Vergangenheit der größte Anteil der Erzeugung und der allergrößte Teil der Flexibilität von diesen Kraftwerken am Verbundnetz erbracht wurde, ändert sich dieses rapide. Zunehmend müssen sich die am Verteilnetz angeschlossenen Einspeiser ebenfalls an den Regelaufgaben beteiligen - eine ungleich kompliziertere Aufgabe als in der Vergangenheit.
Ein abgestimmtes Vorgehen zwischen den Netzbetreibern ist also notwendig. Der gemeinsame Netzausbauplan 2017 der FNB Ost leistet dazu einen wichtigen Beitrag.
www.mitnetz-strom.de; www.avacon-netz.de; www.e-dis.de; www.enso-netz.de; www.thueringerenergienetze.com; www.wemag-netz.de