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Mehrwert durch ein Datenökosystem im Energiesektor
Die Umsetzung der EU-Digitalstrategie nimmt auch im Energiesektor zunehmend Gestalt an. Eine Schlüsselposition hat in diesem Kontext die Entwicklung eines EU-weiten, branchenübergreifenden Datenökosystems. Dr. Volker Flegel, Geschäftsführer, Celron GmbH und Oliver Warweg, Gruppenleiter Energieinformatik/ Domänenpate Domäne Energie, Fraunhofer IOSB-AST, informieren für die Leser von THEMEN!magazin über die erzielbaren Mehrwerte durch ein Datenökosystem im Energiesektor und für die in diesem Marktsegment tätigen Unternehmen.
Durch den Ausbau offener Standards für digitale Strukturen strebt die EU eine signifikante Steigerung der digitalen Souveränität an, um die Abhängigkeit von internationalen Tech-Unternehmen zu reduzieren und einen signifikanten Beitrag zur Klimaneutralität Europas zu leisten. Die EU-Initiative Gaia-X AISBL bezeichnet dementsprechend geplante Ökosysteme als „… ein verteiltes System, das durch einen Governance-Rahmen definiert ist, der sichere und vertrauenswürdige Datentransaktionen zwischen Teilnehmern ermöglicht und gleichzeitig Vertrauen und Datenhoheit unterstützt.“ In einigen Schlüsselbranchen werden Datenökosysteme bereits entwickelt, z. B. im Automobilsektor (Catena-X), im Immobiliensektor (iECO) oder im Mobilitätssektor (MDS). Die Entwicklung eines branchenweiten Datenökosystems für den Energiesektor und die Erörterungen über die erforderlichen Anpassungen des regulatorischen Rahmens wurden durch das Entwicklungsprojekt energy data-X aufgenommen. Nachfolgende Abbildung vermittelt einen Gesamtüberblick über die erzielbaren, nachfolgend näher erläuterten Mehrwerte.
Mehrwert durch ein Datenökosystem für den Energiesektor
Datenökosysteme bieten ein breites Mehrwertspektrum, vornehmlich durch Förderung der Nachhaltigkeit, Zukunftsfähigkeit und Souveränität. Nachfolgend wesentliche, sektorenspezifische und -übergreifende Nutzenkategorien (ohne Wertung): Gesicherte Verfügbarkeit aktueller Marktinformationen ermöglicht Politikern und Unternehmern eine evidenzbasierte Politik- und Strategiegestaltung, da Entscheidungen umfassender auf realen Daten basieren. Über den Gegenpol zur Dominanz außereuropäischer TechKonzerne resultiert eine Steigerung der Gestaltungshoheit der Technologieentwicklung, die für den Betrieb kritischer Infrastrukturen unabdingbar ist. Die umfassende Verfügbarkeit von validen Daten in Kombination mit leistungsfähigen, KI-basierten Analyseinstrumenten stärkt die Innovations- und Kooperationsförderung bei der Entwicklung individualisierter Energiedienstleistungen. Durch kontinuierliche Erfassung und Analyse von Treibhausgas-Emissionsdaten können Gebietskörperschaften und Unternehmen Emissionsquellen systematischer sondieren und den Klimaschutz durch gezielte Maßnahmen erheblich intensivieren. Interoperabilität fördert synergetische Effekte zwischen der Energiewirtschaft und angrenzenden Bereichen im Rahmen der Sektorenkopplung durch den Austausch von Daten, Best Practices und die Entwicklung interdisziplinärer Lösungen. Investitionen in Datenökosysteme erfordern und fördern gleichzeitig den Ausbau und die Stärkung der digitalen Infrastruktur. Effizienter unternehmensübergreifender Datenaustausch liefert Anreize für Startups, die zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und die Erschließung neuer Märkte besonders erfolgskritisch sind. Insgesamt erfordert Datensouveränität leistungsfähige Mechanismen zur Kontrolle des Zugriffs, der Verarbeitung und Verwendung von Daten. Offene Gaia-X Spezifikationen schaffen Vertrauenswürdigkeit, Transparenz der Infrastruktur und Regeln für den Datenaustausch.
Mehrwert durch ein Datenökosystem für Unternehmen
Über sektorumfassende Effekte hinaus stellt sich für Gesellschafter und Management der Unternehmen im Energiesektor die entscheidende Frage: „What´s in for my Company?“ Wesentliche, unternehmensspezifische Nutzenkategorien (ohne Wertung) sind hier benannt: Datenökosysteme ermöglichen erhebliche Abhängigkeitsreduzierung von internationalen Plattformbetreibern und einen Wechsel zwischen konkurrierenden ITDienstleistungsanbietern mit geringem Aufwand. Durch Nutzung von Echtzeit-Daten können Energieunternehmen ihre Betriebsabläufe optimieren, Ausfallzeiten reduzieren, Wartungseffizienz verbessern und signifikante Effizienzsteigerungen durch Kosteneinsparungen sowie höhere Zuverlässigkeit realisieren. In einem Datenökosystem ermöglicht der Einsatz von KIbasierter Datenanalytik eine erweiterte Kapazitätsund Nachfrageplanung durch genauere Vorhersagen von Energiebedarf und -angebot, effizientere Kapazitätsplanung und Lastverteilung sowie die Optimierung des Spitzenlastmanagements. Die integrierte Verfügbarkeit von Energiesysteminformationen bietet signifikante Vorteile für die Geschäftsmodellentwicklung, so zur Virtualisierung von Kraftwerken und Speichern oder marktpreisbasierter Flexibiltätsvermarktung. Durch kontinuierliche Analysen von Verbrauchsdaten in hoher Auflösung können Energieunternehmen und Verbraucher ein intelligentes Energiemanagement implementieren, das effizientere Energienutzung und Energieeinsparungen unterstützt. Erweiterte Datengrundlagen ermöglichen kundenorientiertere Lösungen, die durch maßgeschneiderte Energielösungen, Tarife und Produkte auf die spezifischen Präferenzen der Kunden ausgerichtet sind. Datenökosysteme bevorteilen die Beherrschung der komplexen Anforderungen zur regelkonformen Marktkommunikation (MaKo). Dabei profitieren insbesondere kleinere Marktakteure durch vereinfachten Marktzugang und geringere IT-(Anpassungs-)Kosten. Erste Untersuchungen zeigen, dass der von der BNetzA angestrebte werktägliche 24h-Lieferantenwechsel (LFW) durch den Einsatz eines Datenökosystems effizienter umgesetzt werden kann. Verbesserte Überwachung und Steuerung der Energieinfrastruktur steigern die Befähigung zur Anomalieerkennung sowie prädiktiven Instandhaltung und ermöglichen eine signifikante Energienetzsicherheits- und -zuverlässigkeitssteigerung. Analog zur MaKo unterstützen Datenökosysteme das zunehmend komplexere Regulierungs- und Compliance-Management durch automatisierte Datensammlung, -analyse und Berichterstellung. Zuverlässige und geschützte IT-Systeme sind im Bereich kritischer Infrastrukturen unabdingbar. Offene Strukturen mit höherer Diversität und Flexibilität der Lösungsanbieter, vereinfachter und vertrauenswürdiger Datenaustausch sowie bessere Risikobeherrschbarkeit bewirken eine betriebliche Resilienzsteigerung des gesamten Energiessystems. Umfassende Datenanalysen führen zu einer Verbesserung der Entscheidungsfindung der Führungskräfte über Investitionen, Infrastrukturentwicklung und strategische Ausrichtungen. Fazit Durch signifikante Mehrwerte tragen Datenökosysteme dazu bei, die Effizienz, Flexibilität und Nachhaltigkeit des Energiesystems zu verbessern und gleichzeitig den Übergang zu einer dezentralisierten, digitalisierten und erneuerbaren Energiezukunft zu unterstützen.
www.celron.de; www.iosb-ast.fraunhofer.de www.energydata-x.eu; www.gaia-x.eu www.gaia-x-hub.de