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28.04.2016 11:02 Alter: 9 yrs
Kategorie: Nachhaltigkeit

Mehr Rechtssicherheit bei Konzessionsvergaben

Viele Kommunen sind gegenwärtig oder zukünftig in der Situation, Strom- und Gaskonzessionen vergeben zu müssen. Mit einem Urteil des OLG Celle kommt jetzt Klarheit zu Streitfragen bei Konzessionsvergaben.   Zur Bedeutung dieses Urteils hinsichtlich künftiger Rechtssicherheit für Kommunen bei Konzessionsvergaben ein Gastbeitrag von Astrid Meyer-Hetling und Prof. Dr. Christian Theobald, Rechtsanwälte und Partner der führenden Energierechtskanzlei Becker Büttner Held (BBH).


Fotos: BBH

Erstmals liegt jetzt eine obergerichtliche Entscheidung zu zentralen Streitfragen rund um die Konzessionsvergabe vor, an der sich Kommunen orientieren können. Im Ergebnis will die Kanzlei Becker Büttner Held mit einem neuen Kriterienkatalog die Rechtssicherheit für Kommunen bei Konzessionsvergaben erhöhen.

Die Anforderungen an Konzessionsvergaben gemäß § 46 EnWG sind seit einer Gesetzesänderung 2011 in der Rechtsprechung umstritten, bis zum Sommer soll ein Gesetz zur Reform des Paragraphen vorgelegt werden. Zahlreiche Landgerichte haben in den vergangenen Jahren Konzessionsvergaben aufgrund von Rechtsfehlern aufgehoben. Da viele Fragen nicht abschließend geklärt sind, ist es für Kommunen nicht einfach, eine rechtssichere Vergabe durchzuführen. Nach den Grundsatzurteilen (Az. KZR 65/12 und KZR 66/12) des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 17.12.2013 haben Land (LG)- und Oberlandesgerichte (OLG) zahlreiche Konzessionsvergaben wegen Verfahrensmängeln aufgehoben; teilweise mit unterschiedlichen und sogar widersprüchlichen Begründungen. Es entstand eine immer größere Unsicherheit, wie Konzessionsvergaben rechtssicher durchgeführt werden können.

Jetzt hat mit dem OLG Celle durch Urteil vom 17.3.2016 (Az. 13 U 141/15 (Kart)) erstmalig ein Oberlandesgericht eine Konzessionsvergabe bestätigt. BBH hatte eine niedersächsische Kommune in diesem Vergabeverfahren beraten.

In dem konkreten Verfahren hatten sich die Altkonzessionärin und die örtlichen Stadtwerke um die ausgelaufene Stromkonzession beworben. Ein vorangegangenes Konzessionierungsverfahren musste wie bundesweit in hunderten Kommunen nach den Grundsatzurteilen des BGH vom 17.12.2013 wiederholt werden. Die Verfahrensbedingungen des neuen Verfahrens und insbesondere der Kriterienkatalog wurden an den Maßstäben des BGH orientiert. Nach einer ersten Angebotsrunde und Bietergesprächen gaben die beiden Unternehmen verbindliche Angebote ab. Das bessere Ergebnis erzielten dabei die örtlichen Stadtwerke.

Anforderungen an Verfahren wurden eingehalten

Die unterlegene Altkonzessionärin beantragte nach der Mitteilung der Auswahlentscheidung einstweiligen Rechtschutz gegen die beabsichtigte Konzessionierung und bekam vor dem LG Hannover (Az. 25 O 42/15) noch Recht. Auf die Berufung der Kommune hin wurde die Auswahlentscheidung vom OLG Celle jedoch bestätigt und der Weg für die Konzessionierung der Stadtwerke freigemacht. Dabei hat sich das Gericht sehr ausführlich mit den verschiedenen Streitfragen zur Konzessionsvergabe beschäftigt. Im Ergebnis stellte es fest, dass die Kommune die Anforderungen an ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren eingehalten hat.

Streitig in dem Verfahren waren unter anderem Kriterien, mit denen die Kommune vertragliche Zusagen, Informations- und Mitwirkungsrechte in Hinblick auf die zukünftige Netzbewirtschaftung bewertet hatte. Das OLG Celle hält die Bewertung derartiger vertraglicher Regelungen unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH für zulässig, da sie den Zielen des § 1 EnWG dienen. Das vom Altkonzessionär eingewandte Transparenzdefizit konnte das Gericht nicht erkennen.

Der Kriterienkatalog war in zwei Gruppen aufgeteilt, eine Gruppe zu den Zielen des § 1 EnWG (Gewichtung der einzelnen Kriterien mit insgesamt 65 Prozent) und eine Gruppe zur Ausgestaltung der Wegenutzung im Konzessionsvertrag (35 Prozent).

Das OLG hat entschieden, dass dieser Kriterienkatalog ausreichend transparent sei und die Kriterien, deren Gewichtung und die angewandte vergleichende Bewertungsmethode zulässig seien.

 

Bewertungsmethode wurde bestätigt

Schließlich sah das OLG Celle auch keine Mängel in der Bewertungsmethode und der konkreten Bewertung der Angebote bei den einzelnen Kriterien. Die vergleichende (relative) Bewertungsmethode hält das OLG Celle nicht nur für zulässig, sondern für besser vereinbar mit dem gewollten Ideenwettbewerb als die Vorgabe fester Maßstäbe (absolute Bewertungsmethode).

Bei der Bewertung der Angebote bestätigte das Gericht den Beurteilungsspielraum der Kommunen, der nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar sei. Sachfremde Erwägungen, willkürliche Bewertungen oder eine sonstige Überschreitung des Beurteilungsspielraums konnte das OLG Celle in dem ausführlichen Auswertungsvermerk der Kommune bei keinem Kriterium erkennen.

 

Auswahlkriterien dienen Rechtssicherheit für Kommunen

Die gesamte Konzessionsvergabe einschließlich Ablaufplan und Aufstellung der Auswahlkriterien hat der außerordentlich detaillierten Überprüfung eines Oberlandesgerichtes standgehalten. So könnte dieses Konzessionsverfahren Vorbildcharakter für viele weitere Verfahren entfalten.

Es bleibt zu hoffen, dass die eingangs erwähnten künftigen neuen gesetzlichen Regelungen diese Rechtsprechung nicht wieder in Frage oder gar auf den Kopf stellen.

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