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Leitungsbau braucht Koordination: Die „Smart City“ sucht einen digitalen Initiator
Im Kontext der Digitalisierungsoffensive des Bundes gewinnen Breitbandleitungen eine immer stärkere Bedeutung. Sie sind die Grundlage für die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie in Deutschland und erfordern ein Umdenken bei Bau und Betrieb von Leitungen. Ein Gastbeitrag von Jens Focke, Vorstand BIL eG.
„Eine frühzeitige Bekanntmachung des Bauvorhabens bereits in der Planungsphase bei Einholung einer Leitungsauskunft über BIL, stärkt die bundesweit zentrale Darstellung von Informationen zu geplanten und laufenden Bauarbeiten.“ Jens Focke
In einer Welt von wachsender digitaler Abhängigkeit und sensiblen Leitungssystemen, ist sowohl der Schutz von benachbarter Infrastruktur in der Bauphase erforderlich als auch die Koordinierung von sonst möglicherweise konkurrierenden Bauaktivitäten des Breitbandausbaus. Und dieses Risiko steigt mit Zunahme des Digitalisierungsgrades und den Interaktionen in der „Smart City“.
Schäden im Leitungsbau werden zu einem Großteil durch Fehler in der Informationsweitergabe verursacht und könnten somit durch optimierte, digitale Prozesse verhindert werden. Denn Bauschäden sind nicht nur abwendbar, sondern auch kostspielig, wie die britische Studie „What do utility strikes really cost?“ zeigt. Untersucht wurden 16 durch Tiefbauarbeiten verursachte Schaden- bzw. Störfälle aus den Bereichen Energieversorgung, Wasser und Telekommunikation. Neben den direkten Kostenindikatoren kamen auch die indirekten und sozialen Folgekosten zum Tragen – und die sind im Durchschnitt rund 29-mal größer als die direkten Kosten. Ein „kleiner“ Schaden in der Baugrube kann also massive weitere Kosten und Schäden nach sich ziehen.
Planer benötigen Kenntnis über Baumaßnahmen
Der Betrieb sensibler Breitbandnetze in Kommunen erfordert aktuell außerdem eine Beschleunigung der zu koordinierenden Verlegung der Leitungen und anschließend einen ausfallsicheren Betrieb. Ein Breitbandplaner hat also großes Interesse daran, über alle Baumaßnahmen in seinem Gebiet Kenntnis zu haben. Hier geht es um drei Dinge. Erstens um den Schutz von fremder Leitungs-Infrastruktur in der Bauphase. Zweitens um die eigene Sicherheit, wenn die einmal verlegte Leitung in Betrieb gegangen ist. Drittens um die zu koordinierenden Bauaktivitäten, sowohl seitens der Kommunen, deren Straßenkörper in Mitleidenschaft gezogen werden, als auch seitens des Bautätigen, der Interesse hat das eigene Vorhaben mit dem anderer Betreiber im Kontext der Mitverlegung zu synchronisieren.
Kommunen und Gemeinden sind verpflichtet, eine Liste der Träger öffentlicher Belange (TÖB) auf Nachfrage nach Leitungsbetreibern anzuzeigen. Allerdings bezieht sich die Erfüllung der Kommunen nur auf den öffentlichen Raum und Unternehmen der Versorgungsindustrie. Deshalb kann von der Gemeinde nicht erwartet werden, die Kenntnis von Leitungen aller privater Betreiber, auch der aller Kabel- und Breitbandnetzbetreiber, zu garantieren. Auch weiß die Kommune teilweise nichts von Planungen und Baumaßnahmen Dritter in ihrem Gemeindegebiet.
Ein zentrales Leitungsauskunftsportal kann die Lücke schließen
Der VHV-Bauschadenbericht Tiefbau und Infrastruktur 2020/21 beschreibt ein Leitungsauskunftsportal als ein Kommunikations- und Koordinierungs-Werkzeug, positioniert zwischen der Anfragemitteilung eines Planers/ Bautätigen und einem Betreiberregister, in dem sich die zuständigen Betreiber identifizieren lassen.
Das BIL-Portal ist eine solche Koordinierungs-Plattform für Leitungsausbau und Betriebssicherheit. Die betreibergeführte Genossenschaft basiert auf einem Konzept der Finanzierung durch Effizienzgewinne. Im Rahmen der Leitungsauskunftsverpflichtung müssen die angeschlossenen Betreiber nur noch auf die Anfragen reagieren, für die sie als zuständig ermittelt wurden. Nullbescheide werden automatisiert vom Portal erledigt.
Für viele Netzbetreiber, gerade kleinere, ist die Anforderung an eine zentrale Verwaltung und rechtssichere Archivierung aller Anfragen und deren Antworten neben dem störungsfreien Betrieb des Netzes eine zusätzliche Herausforderung. Oft ist die automatisierte Erstellung von Berichten und Auswertungen mittels Geodaten-Software sowie im Schadensfall ein konsistenter Nachweis des Prozesses nicht vorhanden. Diese rechtssichere Anfrage-, Beantwortungs- und Archivierungs-Infrastruktur unterhält der Betreiber entweder selbst oder nutzt die eingebundenen Funktionalitäten, die z.B. das BIL-Portal bereitstellt.
Die Statistiken des BIL-Portals sind darüber hinaus ein zuverlässiger Indikator für die Baukonjunktur. Durch die Vielzahl der bundesweit beteiligten Unternehmen über alle Sparten hinweg, kann man davon ausgehen, dass ein solches Portal eine annähernd „vollständige“ Übersicht der Bauaktivitäten hat. Oder haben sollte, wenn alle Bautätigen ihrer Sorgfaltspflicht nachkämen, sich schon während der Bauplanung nach der existierenden unterirdischen Infrastruktur zu erkundigen (Leitungsauskunft einholen).
Im Gemeinschaftsportal sorgt jede Anfrage für einen „Schneeballeffekt“, da die eine Anfrage an alle als zuständig ermittelten Betreiber automatisch weitergeleitet wird. Die Gesamtheit der Planungs- und Bauanfragen bildet quasi ein Prognosesystem für bevorstehende, potentielle „Bedrohungen“ an Leitungsnetzen. Das BIL-Portal ist derzeit die umfänglichste Quelle für die georeferenzierte Sammlung von Bauaktivitäten in Deutschland.
Abbildung: a) Anfragetypen: Was wurde im BIL-Portal 2020 geplant und gebaut? b) Verteilung der Anfragen auf Klassifizierungen im Bereich Leitungsbau im Jahr 2020; Anfragen vom Typ Breitband in orange
Was kann man aus den Portal-Daten für den Status des Breitbandausbaus ablesen?
Als Datenbasis kann die BIL eG auf knapp 150.000 erhaltene Planungs- und Bauanfragen im Jahr 2020 zurückgreifen. Insgesamt wurden davon fast 30.000 Anfragen zum Breitbandausbau (Leerrohrverlegung, Telekommunikation, Steuerkabel) verzeichnet, d. h. 20 % aller Anfragen im BIL-Portal wurden im Kontext des Breitbandausbaus gestellt (siehe Abbildung). Eine ab Oktober 2021 aktive Schnittstelle zur Bundesnetzagentur (BNetzA) wird relevante Bauanfragen aus dem Anfrageportal der BIL eG automatisch an den Infrastrukturatlas (ISA) melden.
Doch das BIL-Portal weiß sogar noch mehr. Beim genauen Hinschauen bzw. Übereinanderlegen der eingegangenen Bauanfragen mit dem Infrastrukturatlas lässt sich erkennen, dass für die sogenannten „Weißen Flecken“, also Gebiete ohne Netzabdeckung, bereits ein Planungsvorhaben eingegangen ist. Eine gute Nachricht für Deutschlands Digitalisierungsstrategie. Wenn Leitungsbetreiber das Maximale für das eigene Sicherheitsmanagement tun wollen, können sie die potentiellen „Bedrohungen“ durch Bauaktivitäten im BIL-Portal abholen. Ein Breitbandbetreiber hat den besonderen Vorteil, dass die Anfragefläche für das Ausbauvorhaben, automatisch seinem zukünftigen Interessensgebiet, also seinem zu schützenden Netz, entspricht. Die digitale Grundlage für seine Mitwirkung als Betreiber am BIL-Portal ist somit bereits vorhanden. Ein zusätzlicher Sicherheitsgewinn ist in jedem Fall gegeben. Aber auch jede Gemeinde und Behörde könnte über das BIL-Portal lokale Aktivitäten digital empfangen - ohne eigene Infrastruktur – eigentlich gar nicht so schwer, bei der volkswirtschaftlichen Pflichtaufgabe Digitalisierung mitzuwirken!