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Laden, wie es mir gefällt
Ist die Zukunft der Mobilität elektrisch? Das System Elektromobilität befindet sich ohne Zweifel auf einem Zukunftsweg. Hierbei braucht es Unternehmen, die mit Ihrer Erfahrung und Ihrem Know-how in der Lage sind, die technologischen und ingenieurtechnischen Herausforderungen zu meistern. Ein Schwerpunkt ist hierbei die Ladetechnik.
Zu den Anforderungen an die Ladetechnologien für Nutz- und private Fahrzeuge zur Durchsetzung der Elektromobilität informiert Raphael Görner, Leiter des Geschäftsbereichs Elektrische Infrastruktur und Umspannwerke bei ABB Deutschland, in einem Gastbeitrag.
Foto: ABB/Luca Siermann
Wer von uns erinnert sich nicht noch an die Zeiten der Schallplatte – unsere umfangreiche Sammlung haben wir gehegt und gepflegt, damit keine Kratzer den Musikgenuss einschränken. Plötzlich wurden CDs modern und wir konnten auf einem wesentlich kleineren Datenträger mit wesentlich besserer Qualität unsere Musik genießen.
Heute ist auch die CD schon wieder verschwunden und wir hören die MP3s schon nicht mehr mit dem zugehörigen Player, sondern streamen die Musik direkt online mit unserem Smartphone. Mehrere Evolutionsschritte in weniger als 20 Jahren – vor einem ähnlichen Wandel stehen wir nun in der Mobilität.
Das System Elektromobilität spielt nicht nur im Individualverkehr eine Rolle, sondern zunehmend auch im öffentlichen Nahverkehr. Verbraucher stellen die Frage: Möchte ich mein persönliches Nutzerverhalten ändern? Am Ende hat das System Elektromobilität nur dann eine Chance auf Erfolg, wenn es sich konsequent an den Interessen der Nutzer ausrichtet.
Elektromobilität im Individualverkehr
Viele Trends strömen aktuell in unsere Fahrzeuge – Smartphone-Integration via Bluetooth, 3D-Navigationssysteme mit direkten Anbindungen an die Vielzahl unserer Fahrer-Assistenzsysteme und das teilautonome Fahren. Darüber hinaus sind wir uns alle sicher, in absehbarer Zeit wird sich auch das autonome Fahren als serienreif herausstellen und die rechtlichen Lücken werden geregelt werden.
Bei einem Trend sind wir uns aber derzeit noch unsicher, ob er sich wirklich durchsetzen wird – die Elektromobilität. Gründe hierfür sind nicht in der Leistung von Elektrofahrzeugen, dem Design oder der Zuverlässigkeit zu suchen, sondern vielmehr in der Frage: Möchte ich mein persönliches Nutzerverhalten ändern? Unsere Fahrzeuge heute haben über 500 km Reichweite, sind in weniger als 5 Minuten vollgetankt und im Sommer kühlt unsere Klimaanlage den Innenraum. Viele Eckpunkte die ein Elektrofahrzeug heute gar nicht oder nur teilweise erfüllen kann.
Ein Elektrofahrzeug muss heute oft bereits nach nicht mal 200 km wieder vollgetankt werden und bei Nutzung der Klimaanlage oder sonstiger Komfortverbraucher sogar noch früher. Oft erfolgt dieses Laden heute noch jeden Tag über Nacht zu Hause und beim Laden unterwegs gibt es die ein oder andere Hürde zu überwinden. All dies schreckt noch davon ab ein Elektrofahrzeug zu kaufen, doch die Entwicklung geht auch hier rasant voran.
Die ersten Serienfahrzeuge mit 500 km Reichweite sind verfügbar, 350 kW High-Power- Ladesäulen die ein Fahrzeug in 8 Minuten für 200 km betanken werden an unseren Autobahnen aufgestellt. An vielen Supermärkten finden sich bereits Schnell-Ladesäulen mit 50 kW. So kann die Nutzerakzeptanz hinsichtlich der „harten Kennzahlen“ gelingen, aber auch die veränderte Mensch-Maschine- Schnittstelle spielt eine Rolle.
Mit Apps auf unseren Smartphones kontrollieren wir nicht nur unser Fahrzeug, sondern auch eine neuartige Lade-Infrastruktur. Neue Unternehmen mit innovativen, vorher nicht denkbaren Geschäftsmodellen werden die Marktzusammenhänge verändern. Am Ende hat das System Elektromobilität nur dann eine Chance auf Erfolg, wenn es sich konsequent an den Interessen der Nutzer ausrichtet.
Ladekonzepte im öffentlichen Nahverkehr
Das System Elektromobilität spielt nicht nur im Individualverkehr eine Rolle, sondern zunehmend auch im öffentlichen Nahverkehr. Während unsere Straßenbahnen heute schon rein elektrisch unterwegs sind, sind unsere Busse meistens mit Dieselmotoren ausgestattet. Nicht erst seit den Anforderungen an die Reduktion von Feinstaub in Innenstädten und Fahrverboten für Dieselfahrzeuge gilt es hier Alternativen zu finden. Auch hier bieten sich elektrische Antriebslösungen an, welche sich lediglich durch die verschiedenen Ladekonzepte unterscheiden.
Ein weit verbreitetes Konzept ist das Depot- Laden. Der Elektrobus wird je nach Größe mit einer Batterie von ca. 200 – 400 Kilowattstunden (kWh) ausgestattet. Abhängig von dieser Speicherkapazität der Batterie sind Reichweiten von über 180 km möglich, ohne auf Ladeinfrastruktur oder Oberleitungen entlang der Linie angewiesen zu sein. Einmal vollgeladen kann die Strecke eines gesamten Tageseinsatzes ohne zusätzliche Zwischenstopps zum Nachladen durchgefahren werden – somit ähnelt der Betrieb dem eines Dieselbusses. Erst am Ende der Tagesumläufe werden die Batterien im Depot in einem definierten Zeitraum schonend mit bis zu 150 kW wieder aufgeladen. Da dies oft am Abend oder über Nacht geschieht, wird diese Art des Ladens auch Nachtladen (oder: Overnight Charging) genannt.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Elektrobusse zusätzlich an ausgewählten Haltestellen der Busroute zu laden. Ein geeigneter Platz für die Ladestationen sind die Endhaltestellen, da dort betriebsbedingt Pufferzeiten für unvorhergesehene Verspätungen sowie für die Pausen der Busfahrer eingeplant sind. Diese Zeit kann effizient genutzt werden: Der Elektrobus verbindet sich automatisch mit einem Pantographen, der sich von der Ladestation an der Haltestelle zum Busdach herabsenkt. Über die konduktive Verbindung werden die kleineren und dadurch auch günstigeren, dachmontierten Batterien innerhalb vier bis sechs Minuten mit 150 bis 600 kW geladen. Diese Technologie wird Opportunity Charging, kurz OppCharge, genannt.
Je nach Kundenanforderung kann OppCharge mit dem Depot-Ladesystem kombiniert werden: Nach dem Tageseinsatz kehrt der Bus zurück ins Depot und lädt seine Batterien wieder vollständig auf.
Flexibilität beim Laden
Noch mehr Flexibilität bietet das Flash-Laden, da hier ein Aufladen innerhalb weniger Sekunden ermöglicht wird. Busse halten in regelmäßigen, planbaren Abständen an und so werden die Ladepunkte einfach an mehreren Haltestellen entlang der Strecke integriert. Ähnlich wie bei OppCharge verbindet sich der Bus innerhalb von einer Sekunde mit dem Hochleistungs-Ladekontakt der speziellen Flash-Ladestationen an ausgewählten Haltestellen. Hier werden die dachmontierten Batterien bei 600 kW in 15 bis 20 Sekunden aufgeladen. Fahrgäste können in dieser Zeit bequem ein- und aussteigen, wodurch keine unproduktive Wartezeiten entstehen. Dies bedeutet zwar eine etwas aufwändigere Ladeinfrastruktur; durch das mehrfache Wiederaufladen können jedoch kleinere und leichtere Batterien eingesetzt werden, wodurch das Fahrzeug leichter, agiler und energieeffizienter wird oder aber auch länger – so sind hier auch 18 m- bzw. 24 m-Busse problemlos realisierbar.
Eingesetzt wird dieses System beispielsweise seit Ende 2017 in Genf, wo zwölf Busse regulär auf der Strecke zwischen Flughafen, Krankenhaus und einigen Wohnorten fahren. Die vollelektrischen Gelenkbusse können bis zu 133 Personen gleichzeitig transportieren und nutzen an 13 von 50 Halte stellen die Flash-Ladetechnologie. Auch bei winterlichen Wetterbedingungen hat sich das Ladekonzept auf dem Weltwirtschafts forum 2018 in Davos bewiesen. Zusätzlich zu den Flash-Lade stationen kann im Depot mit der gängigen Depot-Ladeinfrastruktur nachgeladen werden.
Evolution der Elektromobilität
Bisher sind es vor allem Lösungen auf Batteriebasis die man mit Elektromobilität verbindet, jedoch dürfen wir nicht vergessen auch bei Wasserstofffahrzeugen ist der Antrieb elektrisch. Die ersten 100 Wasser stofftankstellen werden bis 2020 in Deutschland errichtet sein und die Brennstoff zellentechnologie entwickelt sich ebenfalls mit hohem Tempo weiter.
Die Frage die sich stellt ist also nicht, ob unsere Fahrzeuge in Zukunft mit elektrischen Antrieben ausgestattet sind, sondern eher wie wir die Antriebsenergie in unseren Fahrzeugen speichern. Und so könnte es am Ende ähnlich rund laufen wie bei Schallplatten.
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