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Konzessionierungsverfahren – BGH schränkt Entscheidungsspielraum der Kommunen ein
Viele Konzessionierungsverfahren zur Wegenutzung für den Betrieb von Strom- und Gasverteilernetzen der allgemeinen Versorgung enden im Streit. Mit zwei Entscheidungen vom 17. Dezember 2013 schränkt der BGH den Spielraum der Kommunen bei ihrer Auswahlentscheidung ein und schafft für alle Beteiligten zumindest ein wenig Rechtssicherheit. Ein Fachbeitrag von Toralf Baumann, Rechtsanwalt und Partner bei SCHOLTKA & PARTNER, Berlin.
Konzessionierungsverfahren sind derzeit ein bestimmendes Thema der Energiewirtschaft. Grund hierfür ist ausnahmsweise einmal nicht die Energiewende, sondern das Auslaufen von Konzessionsverträgen in ganz Deutschland nach einer meist zwanzigjährigen Laufzeit. Beim Abschluss der neuen Konzessionsverträge kommt es regelmäßig zum Streit. Schließlich steht für die Beteiligten viel auf dem Spiel: Die Kommunen wollen ihre Einnahmen aus den Konzessionsabgaben sichern; teilweise streben sie auch weitere Einnahmen durch eine Kommunalisierung der Energieversorgung an. Der bisherige Konzessionär will sein Energieversorgungsnetz behalten und den Netzbetrieb fortführen. Andere Energieversorgungsunternehmen wollen neue Netzgebiete hinzugewinnen bzw. das für sie neue Geschäftsfeld „Netzbetrieb“ entwickeln. Nach vielen Entscheidungen von Instanzgerichten hat nun der BGH in zwei Urteilen zu Konzessionierungsverfahren in SchleswigHolstein (Az. KZR 65/12 und KZR 66/12) den vom Gesetzgeber nur vage geregelten Rechtsrahmen für Konzessionierungsverfahren konkretisiert.
Diskriminierungsfreies Konzessionierungsverfahren und Transparenzgebot
Ausgangspunkt für den BGH ist, dass die Kommunen auf dem Markt für die Einräumung entgeltlicher Wegenutzungsrechte eine beherrschende Stellung einnehmen, weshalb sie Adressaten kartellrechtlicher Verbotstat bestände sind. Daraus ergebe sich ihre Pflicht, die Konzessionierungsverfahren nichtdiskriminierend durchzuführen, was auch mit der verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Selbstverwaltung vereinbar sei. Die am Netzbetrieb interessierten Unternehmen müssten erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Auswahl entscheidung ankommt. Das Transparenz gebot, das aus dem Diskriminierungsverbot folge, verlange, den Bewerbern die Entschei dungs kriterien und ihre Gewichtung rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitzuteilen. Diese Pflicht habe die Stadt Heiligenhafen (Az. KZR 65/12) in ihrem Konzessionierungsverfahren nicht erfüllt.
Zulässige Kriterien: Ziele von § 1EnWG
In dem anderen Fall zu den Konzessionierungsverfahren der Ämter Sandesneben-Nusse und Berkenthin (Az. KZR 66/12) hat sich der BGH ausführlich zu den zulässigen Auswahlkriterien geäußert: Die Auswahl des Konzessionärs sei vorrangig an den Zielen des § 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) auszurichten. In dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Wettbewerb um den Netzbetrieb sei derjenige Netzbetreiber zu ermitteln, der nach seiner personellen und sachlichen Ausstat tung, fach lichen Kompetenz und nach seinem Betriebskonzept am besten geeignet sei, den Netzbetrieb sicher, preisgünstig, verbraucherfreundlich, effizient und umweltverträglich zu gewährleisten. Dabei seien unterschiedliche Konkreti sierungen möglich, wodurch die Kommunen die Ziele des § 1EnWG gegeneinander abwägen könnten. Die Versorgungssicherheit sei aber von besonderer Bedeutung und entsprechend hoch bei den Auswahlkriterien zu gewichten. Nach Auffassung des BGH gilt dies auch für Konzessionierungsverfahren, die noch vor Erlass von § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG 2011 durchgeführt wurden. In dem Fall der Ämter Sandesneben-Nusse und Berkenthin erkannte der BGH keine vorrangige Berücksichtigung der Ziele des § 1EnWG. Ausdrücklich gebilligt hat der BGH aber die Kriterien „Konzessionsabgabe“, „Gemeinde rabatt“, „Abschlagszahlungen“, „Folgekostenübernahme“, „Endschaftsbestimmung“, „Kaufpreisabrede“, „Vertragslaufzeit“, „Aus kunftsansprüche“ und „Zusatzleistungen“ in den Grenzen des Nebenleistungsverbots des § 3 der Konzessionsabgabenverordnung (KAV).
Unzulässige Kriterien
Hingegen stehe etwa die bloße regionale Präsenz nicht im sachlichen Zusammenhang mit dem Konzessionsvertrag, wenn es vorrangig um die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen gehe. Nicht ortsansässige Bewerber würden hierdurch diskriminiert. Dasselbe gelte für ein Zustimmungserfordernis für die Rechtsnachfolge auf Seiten des Konzessionärs durch Unternehmen, die über keine regionale Präsenz verfügten. Ein „Geschäftsmodell Netzgesellschaft“ sieht der BGH ebenso kritisch wie die Aussicht auf eine Geschäftsfelderweiterung. Mit Kriterien wie „Höhe des kommunalen Anteils an Net zen“, „Kommunaler Vermögenszuwachs“ und „Höhe des kommunalen Kapitaleinsatzes für den Netzerwerb“ verfolge die Kommune allein fiskalische Interessen, die über das nach der KAV zulässige Maß hinausgingen. Zudem dürften kommunale Beteiligungsunter neh men nicht bevorzugt werden, weil sich die Kommu nen weder auf das „Konzernprivileg“ noch auf die Grundsätze des im Vergaberecht anerkannten "In-House-Geschäfts" berufen könnten.
Rechtsfolgen von Verstößen
Wenn das Konzessionierungsverfahren diesen Anforderungen nicht genügt, liegt nach Auffassung des BGH eine unbillige Behinderung derjenigen Bewerber vor, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt wurden. Diese unbillige Behinderung führe zur Unwirksamkeit des neuen Konzes sionsvertrages mit der Folge, dass der bisherige Konzessionär nicht zur Übertragung seines Netzes verpflichtet sei. Eine andere Beurteilung komme allenfalls dann in Betracht, wenn alle Bewer ber um die Konzession ausreichend Ge le genheit hätten, ihre Rechte zu wahren, diese Möglichkeit aber nicht nutzten. Dies werde etwa dann in Betracht zu ziehen sein, wenn die Kommunen in An lehnung an den im Vergaberecht geltenden Rechts gedanken des § 101a des Gesetzes gegen Wettbewerbs beschränkung (GWB) alle Bewerber um die Konzession in Textform über ihre beabsichtigte Auswahlentscheidung unterrichten und den Konzessionsvertrag erst 15 Kalen der tage nach Absendung dieser Information abschließen.
Fazit und Ausblick
Nach den Entscheidungen des BGH besteht zwar weitgehend Klarheit, welche Auswahlkriterien unzulässig sind. Es bleibt aber weiter eine anspruchsvolle Aufgabe, die Inter essen der Kommunen und die Ziele des EnWG in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen und ein rechtssicheres Konzessio nierungsverfahren durchzuführen. Auf diesem Weg geben die Entscheidungen des BGH zumindest „Leitplan ken“. Dementsprechend laut ist der Ruf nach dem Gesetzgeber, den Rechtsrahmen für Konzessionierungs verfah ren eingehender als bislang in § 46 EnWG zu regeln. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber diesen Ruf erhört. Bis dahin wird der BGH vermutlich mindestens noch einmal entscheiden, und zwar in der Revision gegen das Urteil des OLG München vom 26. September 2013 (Az. U 3589/12 Kart). Dabei wird es um die Konkretisierung des Nebenleistungsverbots gemäß § 3 KAV gehen, also um die Frage, welche Leistungen im Zusammenhang mit der Konzessionierung vereinbart und gewährt werden dürfen. Auch in diesem Zusammen hang dürfte das Spannungs ver hältnis zwischen den Interessen der Kommu nen und den Zielen des § 1 EnWG eine Rolle spielen. Man darf gespannt sein, ob bzw. wie der BGH es auflöst. Ebenso spannend ist, ob die bereits vorliegende Recht sprechung des BGH Be stand haben wird. Denn die Stadt Heiligen hafen hat das Bundesverfassungsgericht angerufen.
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