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Kommunikationsplattform für die Energiewende
Der hohe Handlungsdruck der Energiewende erfordert modernste IT-gestützte Verfahren der Leitungsauskunft. Als genossenschaftliche Initiative von Leitungsbetreibern in Deutschland stellt die BIL eG (Bundesweites Informationssystem zur Leitungsrecherche) seit Online-Start im Februar 2016 erstmals in Deutschland ein für Nutzer kostenfreies Online-Bauanfrageportal in einem durchgängigen digitalen Prozess bereit. Inzwischen werden mehr als 100.000 Leitungsanfragen im Jahreszyklus über das BIL-Portal abgewickelt.
Wir sprachen mit Jens Focke, Vorstand der BIL eG zu den Herausforderungen an die Leitungsauskunft in aktuellen Infrastrukturfragen.
Foto: BIL eG
Herr Focke, warum muss Leitungsauskunft neu gedacht werden?
Deutschland, als Land mit einer der höchsten Infrastrukturdichten von Energie- und Datennetzen auf der Welt befindet sich aktuell in einer Situation, in der es gilt, den Rückstand gegenüber Entwicklungen im übrigen Europa aufzuholen. Im Kontext der Energiewende und des Breitbandausbaus sind Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, um Informationen zu Planung, Bau und Betrieb dieser leitungsgestützten Infrastrukturen besser verfügbar zu machen.
In der Versorgungswirtschaft galt schon immer, dass Leitungsbetreiber generell die Pflicht zur Erteilung von Auskünften haben und umgekehrt die Bauwirtschaft bzw. das ausführende Unternehmen entsprechende Auskünfte einzuholen hat. Doch um die zeitgemäße Anpassung dieses recht komplexen Prozesses hat sich in der Vergangenheit kaum jemand gekümmert. So war es gängige Praxis, dass Leitungs- oder Netzbetreiber bestenfalls Anfragemöglichkeiten auf den Unternehmens- Webseiten in Form von E-Mail-Adressen anbieten oder zentrale Faxnummern kommunizieren. Eine digitale Anfragemöglichkeit besteht lediglich bei ca. 20 % der Unternehmen. Zum Vergleich bieten die in Nachbarländern staatlich betriebenen Portale eine Abdeckung von bis zu 100 %.
Bei Betreibern kritischer Leitungsinfrastrukturen erhöhte sich zudem die Sorge, nicht alle relevanten Leitungsanfragen zu erhalten. Der Anfragende betreibt einen nahezu unmöglichen Rechercheaufwand, da sich viele potentiell betroffene Unternehmen umbenennen, übernommen werden oder als Betreiber nicht bekannt sind. Was nutzt dann das beste unternehmenseigene Online-Portal, wenn es nicht gefunden wird oder die Leitungsbetreiber im angefragten Gebiet unbekannt sind? Das Sicherheitsbedürfnis der Leitungsbetreiber erfordert aber, dass die Möglichkeiten zeitgemäßer Kommunikation genutzt werden und dabei die Prozesse der Auskunftseinholung an der entscheidenden Stelle vollständig digitalisiert gestaltet und kurzfristig Antworten und Rechercheergebnisse generiert werden können.
Mit welchen Angeboten kann BIL punkten?
Das Gemeinschaftsportal der Betreiber bündelt das Anfrageaufkommen, identifiziert die zuständigen Betreiber und stellt ihnen die Anfrage zu. Dies führt zu Datenvermeidung und Arbeitsreduktion und beschleunigt gleichzeitig den Auskunftsprozess. Die einfache Erstellung einer Anfrage basiert auf dem hohen verabredeten Standardisierungsgrad von Anfrageinhalt und Workflow zwischen Bauwirtschaft und Leitungsbetreiber. Eine intuitive und stringente Menüführung leitet den Anfragenden eindeutig durch den Erstellungsprozess und motiviert ihn dazu, eine Anfrage überhaupt zu formulieren. Über das BIL-Portal erfolgt die gesamte Kommunikation der Anfragen und Antworten. Durch die geographische Lokalisierung unter Nutzung von Luftbildern und amtlichen Karten des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie und die Baustellenklassifizierung ist gewährleistet, dass die Kritikalität des Vorhabens in der Zuständigkeitsprüfung berücksichtigt ist.
Die Betroffenheitsprüfung und ggf. Planauskunft verbleibt in der Eigenverantwortung des Betreibers. Dieser muss für die Antworterstellung lediglich die Antwortunterlagen als digitales Dokument in das Portal einstellen. Ein Internetzugang darf heute auf der Anfrage- und Antwortseite vorausgesetzt werden.
Das BIL-Portal in seiner Rolle als zentrale Informations- und Kommunikationsplattform positioniert sich als „Beschleunigungsfaktor“ in dieser Aufgabenstellung. BIL kennt keine Leitungsdaten und versteht sich als Mittler zwischen Anfrage und Leitungsbetreiber.
Für Übertragungsnetzbetreiber bietet BIL auch die sogenannte „Spannfeldanalyse“ an?
Seit 2018 unterstützt BIL die Betreiber von Hoch- und Höchstspannungsleitungen bei der sicheren Identifikation von benachbarten Betreibern erdverlegter Rohrleitungssysteme. Die Regelwerke der Branchenverbände Strom und Gas erwarten die Kommunikation der Betreiber, um induktive Wechselwirkungen auf den Anlagen zu prüfen, die im Rahmen der Kapazitätserhöhungen auf den Freileitungen als Alternative zum Netzausbau denkbar sind.
Dem über das BIL-Portal anfragenden Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) wird in einem speziell für ihn entwickelten Reporting eine Liste der betroffenen Rohrleitungsnetzbetreiber zur Verfügung gestellt, deren Rohre sich „in der Nähe“ der Stromleitung befinden und somit induktiver Beeinflussung ausgesetzt sein können. Die zu untersuchende Fläche, das sog. Spannfeld zwischen zwei benachbarten Maststandorten, listet die bekannten Betreiber von dort liegenden Stahlrohrleitungen.
Mit weiteren Geodatenanalysen lässt sich leicht herausfinden, welche Rohrleitungen und wie viele Leitungsbetreiber sich in einem Spannfeld befinden. Vergleicht man diese Situation mit benachbarten Spannfeldern, lassen sich so Rohrleitungen identifizieren, die parallel zur Stromleitung laufen oder diese nur kreuzen. Auch hier beschleunigt BIL die Ergebniserzielung durch die fokussierte Nutzung der durch die Betreiber auf der BIL-Plattform bereitgestellten Daten.
BIL hat kürzlich eine Kooperation mit dem Recherchedienst ALIZ vereinbart, mit welchem Ziel?
Die anfangs beschriebenen Gründe haben zu einer starken Zunahme von Bauaktivitäten in den letzten Jahren geführt. Die höchste Akzeptanz zur Formulierung der Anfrage ist gegeben, wenn der Anfragende keinen Rechercheaufwand hat. Deshalb haben wir als BIL eG seit Juli 2019 mit dem führenden Unternehmen zur Leitungsrecherche der Bauwirtschaft, der ALIZ GmbH & Co. KG eine umfassende Zusammenarbeit zur Zentralisierung der Bauanfragen in Deutschland vereinbart.
Mit Inkrafttreten der Kooperationsvereinbarung können spartenübergreifend alle bekannten Leitungsbetreiber der beiden etablierten Leitungsauskunftsportale mit einer einzigen Bauanfrage erreicht werden. Durch die Zusammenarbeit beider Dienste wird der Anfrageprozess für den Bauanfragenden signifikant vereinfacht und die Recherche liefert alle bekannten Leitungsbetreiber im Anfragegebiet. Dadurch wird die Sicherheit im Tiefbau sowie die Versorgungssicherheit durch die Vermeidung von Leitungsschäden deutlich erhöht. Hiermit erfüllen BIL und ALIZ die Sicherheitsbedürfnisse der Netzbetreiber und tragen ebenso den Forderungen der Bauwirtschaft Rechnung, die bisher dezentral und zeitaufwändig ihre Recherche und Anfrageformulierung vorgenommen hat. Weitere Informationen: www.bil-leitungsauskunft.de