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< Eine erfolgreiche Energiewende benötigt ein neues Mindset
08.04.2025 11:43 Alter: 11 days

Kommunen fordern mehr Pragmatismus und Verlässlichkeit

„Wir sind in den vergangenen Jahren bei der Energiewende in Deutschland deutlich vorwärtsgekommen. Doch vor allem den enormen Investitionsbedarf in den kommenden Jahren gilt es effizient zu meistern. Dabei muss die Bundespolitik die Kommunen im Blick halten.“


Udo Glatthaar, Oberbürgermeister, Große Kreisstadt Bad Mergentheim

„Pragmatisch. Versorgungssicher. Finanzierbar“: Unter diesem Titel fordern Bürgermeister aus ganz Deutschland in einer Erklärung der Task Force Politische Willensbildung des Beirats der Thüga Aktiengesellschaft klare energiepolitische Weichenstellungen von der kommenden Bundesregierung. Udo Glatthaar, Sprecher der Initiative und Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Bad Mergentheim in Baden-Württemberg informiert für THEMEN!magazin zu Kernaussagen der Erklärung.

Damit die Energiewende bei den Bürgern nicht an Akzeptanz verliert, braucht es mehr Pragmatismus. Praktikable Lösungen für weniger Bürokratie und mehr Spielraum sind entscheidend. Die Klimaziele setzen den Rahmen, doch das Tempo der Umsetzung muss vor Ort bestimmt werden. In der 2. Münchner Erklärung, die von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus Städten und Gemeinden in ganz Deutschland unterzeichnet ist, geben wir deshalb als Kommunalpolitiker der nächsten Bundesregierung konkrete Handlungsempfehlungen für die künftige Ausrichtung der Energiepolitik.

Versorgungssicherheit bedeutet vielfältige Lösungen

Der Ausbau der Stromnetze ist essenziell, wird aber allein nicht ausreichen, um in Zukunft die Versorgung von Industrie, Gewerbe und Bürgern jederzeit zu garantieren. Zur Absicherung der fluktuierenden Erzeugung der Erneuerbaren Energien benötigt das künftige Energiesystem steuerbare Kraftwerke, Speicher und auch grüne Moleküle. Aus diesem Grund sind neben einer weiteren Verlängerung bis 2035 und einer Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes zusätzliche Maßnahmen notwendig. Dazu gehören beispielsweise die Einführung eines geeigneten Kapazitätsmechanismus und der Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur in der Fläche sowie langfristige Sicherheit für den Ausbau von Wärmenetzen.

Darüber hinaus muss die Energiewende stärker als bisher in einem europäischen Kontext gedacht werden. Der Vollendung eines funktionierenden EU-Strombinnenmarktes und insbesondere dem Ausbau des EU-Verbundnetzes kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Wir brauchen verlässliche, langfristige Rahmenbedingungen, damit wir als Kommunen zusammen mit der Thüga als dem größten Netzwerk kommunaler Energieversorgungsunternehmen die Energiewende gestalten können: Pragmatisch. Versorgungssicher. Finanzierbar.

Kommunen drängen auf Unterstützung bei Finanzierung

Der Investitionsbedarf für die Energiewende in den nächsten zwei Jahrzehnten ist enorm. Gleichzeitig sind die haushaltspolitischen Handlungsspielräume begrenzt. Daher setzen wir uns für eine kosteneffiziente Energiepolitik ein: langfristig verlässliche Rahmenbedingungen, marktwirtschaftliche Steuerungsinstrumente, mehr Technologieoffenheit, weniger Detailregelungen und weniger Subventionsbedarf.

Kommunen und kommunale Energieversorger sollten mit der Mammutaufgabe, die Energiewende zu finanzieren nicht allein gelassen werden. Vielmehr erwarten die Kommunalpolitiker der Task-Force von der Bundesund Europapolitik energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen, die zur kommunal geprägten Versorgungsstruktur in Deutschland passen.

Klare Leitplanken erforderlich

Die Akzeptanz der Energiewende steht und fällt mit der finanziellen Belastung der Bürger. Die Kosteneffizienz bei der Dekarbonisierung sollte auch aus diesem Grund oberstes Gebot sein. Dem steht aber eine Vielzahl von Normen für die Energiewirtschaft entgegen. Deshalb:

Klare, einfache und dauerhaft belastbare Rahmenbedingungen und eine attraktive, marktgerechte Verzinsung des eingesetzten Kapitals sind die Grundvoraussetzung, um Energieprojekte für Investoren attraktiv zu gestalten. Notwendig sind klare Leitplanken, innerhalb derer Energieversorger, Kommunen sowie Kunden, die für ihr jeweiliges Umfeld passende Lösung im Markt finden können. Das Fundament für diesen Markt sind solide und zukunftsorientierte Energieinfrastrukturen in den Bereichen Strom, Wasserstoff und Wärme.

Pragmatismus und marktlicher Wettbewerb notwendig

Um nicht zu riskieren, dass Bürger sowie die Umsetzer der Energiewende vor Ort abgehängt werden und die Akzeptanz der Energiewende ins Wanken gerät, sollte bei der Energiewende pragmatisch vorgegangen werden: Wir brauchen weniger bürokratische Vorgaben und mehr Freiraum für handhabbare Lösungen. Dazu geben die Klimaziele die Richtung vor, aber das Schrittmaß muss vor Ort gefunden werden. Dies gilt insbesondere für die Wärmewende. Diese muss technologieoffen sein und den Kommunen mehr Entscheidungsfreiheit einräumen.

So müssen die ausufernden Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zugunsten eines ergebnisoffenen Ansatzes reformiert werden, der die vielfältigen Gegebenheiten im Gebäudebestand und in der Wärmeversorgung berücksichtigt. Statt überbordender bürokratischer Hürden braucht es Vertrauen in die Handlungsfähigkeit lokaler Akteure. Diese können pragmatische Lösungen für eine klimafreundliche Wärmeversorgung entwickeln und schnell umsetzen.

Denn einseitige Eingriffe in den Wettbewerb und starre Vorgaben nach dem „One-size-fitsall“-Prinzip sind kontraproduktiv, teuer und machen im heterogenen Gebäudebestand wenig Sinn. Statt starrer Vorgaben durch das Gebäudeenergiegesetz braucht es bei der Wärmewende Technologieoffenheit und Vertrauen in die Kompetenz der Kommunen und Stadtwerke vor Ort. Entscheidungsfreiheit für die Kommunen und Bürger sowie die Nutzung aller klimafreundlichen Optionen sind entscheidend. Der Bund sollte einen belastbaren gesetzlichen Rahmen vorgeben, in dem dezentrale Besonderheiten berücksichtigt werden. Und Überregulierung muss abgebaut werden.

Lokale Lösungen sind gefragt

Bei der Energiewende sollte pragmatisch vorgegangen werden: Weniger bürokratische Vorgaben und mehr Freiraum für handhabbare Lösungen. Foto: freepick

Die beste Lösung wird lokal gefunden. Viele Energiewendemaßnahmen erfordern ein hohes Maß an Praxiswissen und sollten vor Ort jeweils passgenau geplant und umgesetzt werden. Einseitige Vorgaben und Eingriffe in den Wettbewerb der Energieträger, Technologien und Produktangebote lehnen wir daher ab. Um die Diversität und Vorteile des Energiemarkts für die Energiewende besser nutzen zu können, sollte der Wettbewerb in den Bereichen Erzeugung, Handel und Vertrieb wieder gestärkt werden.

Anstelle von aufwendigen, staatlichen Detailregelungen wie Technologie- oder Produktvorgaben, braucht es ein level-playing-field für alle Technologien. Preise und deren Entwicklung sollten unter Berücksichtigung der Systemkosten wieder transparent in den Mittelpunkt der Entscheidung rücken. Ein gesamtheitlicher Blick ist wichtig. Nur dort, wo Marktversagen droht oder aus der Struktur heraus kein Markt entstehen kann, wie beispielsweise bei den Energienetzen, sollte mit möglichst marktnahen Instrumenten eingegriffen werden.

Fazit

Wir haben in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte bei der Energiewende in Deutschland erzielt. Der größte und herausforderndste Teil des Weges liegt aber noch vor uns: Der Umbau unseres gesamten Versorgungssystems von der Energieerzeugung, über den Aus- und Umbau der Netze, bis zur Flexibilisierung des Verbrauchs. Aus unserer Sicht braucht die Energiewende jetzt — größeren Pragmatismus durch Vielfalt der Lösungen bei der Umsetzung vor Ort, — weniger bürokratische Vorgaben, größeren Entscheidungsspielraum und handhabbare Lösungen für die Kommunen sowie — mehr Mut zu Markt und Wettbewerb, wo dieser dazu beiträgt, die Klimaziele zu erreichen.

thuega.de