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28.11.2023 16:18 Alter: 361 days

Kommunale Wärmeplanung – Komplexität und Herausforderungen

„Die Wärmeplanung fordert von jeder Kommune die Entwicklung einer Umsetzungsstrategie mit konkreten Umsetzungsmaßnahmen.“


Martin Brück von Oertzen, Rechtsanwalt I Partner Wolter Hoppenberg Foto: Wolter Hoppenberg

Der Bundestag hat am 17.11.2023 das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (WPG) angenommen. Das Gesetz soll, wie die bereits im September beschlossene Novelle des Gebäudeenergiegesetzes („Heizungsgesetz“), am 01.01.2024 in Kraft treten. Zum Gesetz und seinen Auswirkungen ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Martin Brück von Oertzen, Wolter Hoppenberg Rechtsanwälte Partnerschaft mbB.

Das WPG bildet die rechtliche Grundlage für eine verbindliche Einführung einer flächendeckenden Wärmeplanung in Deutschland mit dem Ziel, die Versorgung mit Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme auf Treibhausgasneutralität umzustellen, damit die Klimaschutzziele der Bundesregierung bis 2045 erreicht werden können. Konkret werden die Bundesländer und hernach die Kommunen verpflichtet, auf ihrem Gebiet eine Wärmeplanung durchzuführen. Ergebnis dieser Wärmeplanung sind letztlich Wärmepläne, die in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern bis Mitte 2026 und in kleineren Städten und Gemeinden bis Mitte Juni 2028 erstellt werden müssen. In die Verantwortung der Länder wird es gestellt, ob für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern vereinfachte Wärmeplanungsverfahren gelten.

Komplexität der gestellten Aufgabe

Ziel ist, dass bis Ende 2044 jedes Wärmenetz vollständig mit Wärme aus erneuerbaren Energien, aus unvermeidbarer Abwärme oder aus einer Kombination daraus gespeist werden soll. Mit dem Wärmeplanungsgesetz erreicht nun auch die Wärmewende als Teil der notwendigen Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele des Klimaschutzgesetzes (Klimaneutralität 2045) die kommunale Ebene. Städten und Gemeinden wird nicht weniger aufgegeben, als zu einer kosteneffizienten, nachhaltigen, sparsamen, bezahlbaren, resilienten sowie treibhausgasneutralen Wärmeversorgung bis spätestens zum Jahr 2045 (Zieljahr) beizutragen. Ungeachtet der personellen, kapazitiven und haushalterischen Herausforderungen zur Umsetzung der Wärmeplanung liegt in der Bewältigung der Komplexität der gestellten Aufgabe wohl die größte Herausforderung für die kommunalen Akteure. Die Systematik der Wärmeplanung wird durch das Gesetz verbindlich vordefiniert und umfasst neben einer Eignungsprüfung zur Etablierung von Wärme- oder Wasserstoffnetzen, eine Bestandsanalyse, eine sich anschließende Potenzialanalyse sowie die Entwicklung und Beschreibung eines Zielszenarios, das letztlich in eine planerische Einteilung der Wärmeversorgungsgebiete sowie in eine Darstellung der Wärmeversorgungsarten für das Zieljahr mündet. Die Wärmeplanung macht jedoch hier nicht Halt, sondern fordert darüber hinaus von jeder Kommune die Entwicklung einer Umsetzungsstrategie mit konkreten Umsetzungsmaßnahmen, die innerhalb des beplanten Gebietes zur Erreichung des Zielszenarios beitragen sollen. Spätestens an dieser Stelle wird dann aus dem Wärmeplanungsgesetz in Teilen ein Wärmeplanungsumsetzungsgesetz.

„Am Rande sei angemerkt, dass das Gesetz die Frage, wie diese konkreten Umsetzungsmaßnahmen wirkmächtig werden sollen, insofern ungelöst lässt, als der Wärmeplan keine rechtliche Außenwirkung entfaltet und keine einklagbaren Rechte oder Pflichten begründet.”

Martin Brück von Oertzen

Anforderungen an Kommunen

Das Gesetz verpflichtet die planende Kommune nicht nur, die Öffentlichkeit sowie alle Behörden und Träger öffentlicher Belange, die durch den Aufgabenbereich Wärmeplanung berührt werden, an ihrem Verfahren zu beteiligen. Darüber hinaus „frühzeitig und fortlaufend“, auch jeden Betreiber eines Energieversorgungsnetzes im relevanten Gebiet sowie den Betreiber eines Wärmenetzes sowie jede natürliche und juristische Person, die sich zukünftig als Betreiber eines von beiden sieht, in das Verfahren einzubeziehen und ggf. die Immobilienwirtschaft. So richtig und wichtig für eine erfolgreiche Wärmeplanung eine breite Beteiligungsbasis ist, so herausfordernd ist indes ein Umgang mit ihr, insbesondere wenn sämtliche Akteure über eine weitaus dezidiertere Informationsbasis verfügen, als sie der Kommune zur Verfügung steht und auch ökonomisch divergierende Interessen ersichtlich sind. Die Kommunen haben zwar Zugriff auf Bestandsdaten als Grundlage für die Wärmeplanung, auf Informationen zu geplanten Aus- oder Umbauten von Strom-, Gas- oder Wärmenetzinfrastrukturen jedoch nur, wenn solche bestehen. Eine Kommune kann sich daher im schlechtesten Fall nur mit den von der Bundesnetzagentur genehmigten verbindlichen Fahrplänen gemäß § 71k Abs. 1 Nr. 2 des Gebäudeenergiegesetzes, den Transformationsplänen und Machbarkeitsstudien der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) behelfen. Eine besondere kommunale Herausforderung im Rahmen der Wärmeplanung dürfte darüber hinaus der Umstand sein, dass nicht nur „die allgemeinen physikalischen, technischen und energiewirtschaftlichen Grundsätze“, sondern auch „wissenschaftlich fundierte Annahmen zur Energieträgerverfügbarkeit“ zu berücksichtigen sind. Die aktuelle Diskussion zur Frage der perspektivischen Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff ist nur ein Bespiel für die Hürden, die an dieser Stelle zu nehmen sind. Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah darüber hinaus noch eine Berücksichtigung der „voraussichtlichen Preisentwicklungen“ vor, dessen Streichung jedoch durch den Verweis auf die „energiewirtschaftlichen Grundsätze“ und damit die Einbeziehung des energiepolitischen Zieldreiecks, welches gerade die Wirtschaftlichkeit und Preiswürdigkeit beinhalt, relativiert wird.

Ökonomische Auswirkungen durch akteursgeprägte Zielvorstellungen

Die Kommunen dürfen im Rahmen der Wärmeplanung nicht aus dem Blick verlieren, dass die Erreichung der nationalen Ziele des Bundesklimaschutzgesetzes ein übergeordnetes Ziel ist, hierunter verbergen sich jedoch eine Vielzahl von akteursgeprägten Zielvorstellungen, die nicht zuletzt ökonomischer Natur sind. Die Wärmeplanung ist auch ein politisches Momentum, weil die Festlegungen der Wärmeplanung nicht nur mittelbare, sondern unmittelbare Wirkung auf die Energieinfrastrukturplanung in jeder betroffenen Kommune hat. Die Wärmeplanung entscheidet daher nicht nur aber auch darüber, aus welcher Quelle und zu welchen Preisen die Bürger zukünftig ihren Wärmebedarf decken können. Die größte Herausforderung wird sein, unter Einbeziehung aller Akteure letztlich ein solches Zielszenario zu entwickeln, das unter Betrachtung unterschiedlicher, jeweils zielkonformer Szenarien, die insbesondere die voraussichtliche Entwicklung des Wärmebedarfs innerhalb des beplanten Gebietes sowie die Entwicklung der für die Wärmeversorgung erforderlichen Energieinfrastrukturen, berücksichtigt, dasjenige Zielszenario zu entwickeln, welches die unterschiedlichen Interessenlagen angemessen zum Ausgleich bringt. Hilfreich hierbei ist, dass die einmal entwickelte Wärmeplanung zukünftig alle fünf Jahre zu überprüfen und fortzuschreiben ist. Dies gibt die Möglichkeit, auf dem Weg bis hin zur Klimaneutralität 2045 den teilweise heutigen Tages noch nicht absehbaren Entwicklungen Rechnung tragen zu können. Zur Wahrheit der Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung gehört aber auch, dass kaum eine Kommune aus dem Stand heraus in der Lage sein wird, technisch, organisatorisch und fachlich den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen. Dies erkennend eröffnet das Gesetz ausdrücklich die Einbeziehung Dritter zur Unterstützung. Hier bietet sich ein breites Feld für eine aktive Unterstützung der Energie- und Immobilienwirtschaft sinnvollerweise mit dem Ziel, aus der gesetzlichen Aufgabe der kommunalen Wärmeplanung heraus eine kommunale und damit lokale Energiepartnerschaft im Sinne des Klimaschutzes entstehen zu lassen.

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