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Kommunale Energieversorger als lokaler Infrastrukturmanager
Fast alle kommunalen Energieversorger stehen vor der Frage, welche Rolle sie zukünftig als Unternehmen spielen wollen und welches Geschäftsmodell dauerhaft Erfolg verspricht. Kommunale Energieversorger prägen zugleich Qualitäten und Fähigkeiten, die gerade im lokalen Umfeld auch außerhalb der klassischen Sparten nutzbringend eingesetzt werden können.
Diesem Thema widmet sich der Gastbeitrag von Rechtsanwalt Martin Brück von Oertzen, Wolter Hoppenberg Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Hamm.
Foto: Susanne Kästner
Das Umfeld kommunaler Energieversorger ist geprägt von lokaler Verwurzelung, kommunalrechtlichen Limitationen und den Renditeerwartungen des meist kommunalen Mehrheitsgesellschafters. In dieser Gemengelage gilt es, strategische Linien und einen erfolgversprechenden Weg für die zukünftige Entwicklung zu finden.
Liberalisierung, Energiewende und Regulierung haben für kommunale Energieversorger in den letzten Jahren auf ihren klassischen Geschäftsfeldern immer härtere Marktbedingungen geschaffen. Die Branche denkt daher intensiv zwischen Disruption und Digitalisierung, Blockchain und Smart Metering über neue Geschäftsfelder in der Zukunft nach. Vielfach fokussiert man sich auf neue Vertriebsstrategien oder das Erschließen energienaher Dienstleistungen. Der Stein der Weisen, der dauerhaft in der Lage wäre, die schwindenden Margen zu kompensieren, wurde aber bislang nicht entdeckt.
Eigene Stärken erkennen
Ein Ansatz kann hierbei sein, sich der eigenen Stärken zu besinnen und zu ermitteln, wie diese im lokalen Umfeld nutzbringend eingesetzt werden können. Die enge Verbundenheit eines lokalen Versorgungsunternehmens mit seinem Standort nicht nur hinsichtlich seiner örtlichen Verhältnisse, sondern auch seiner meist überwiegend vor Ort wohnenden Mitarbeiter und die starke Einbindung in das kommunale und auch kommunalpolitische Tagesgeschäft schafft eine besondere Beziehung. Diese Nähebeziehung nutzen fast alle kommunalen Energieversorger schon seit Jahren für den Vertrieb, um mit der engen örtlichen Anbindung und dem damit einhergehenden Identifikationsmomentum die bestehenden Kundenbindungen zu stabilisieren oder gar auszubauen.
Netzbetrieb und Infrastruktur
Schaut man auf Unternehmensstruktur und Bilanz eines typischen lokalen Versorgungsunternehmens, dann zeigt sich, der wesentliche Teil seiner Tätigkeit dreht sich um den Netzbetrieb. Dieser bindet nicht nur die Masse des Kapitals an sich, sondern darüber hinaus auch einen maßgeblichen Teil des Humankapitals. Im Netzbetrieb ist auch das maßgebliche Know-how dieser Unternehmen verortet; getrieben von den Vorgaben des § 11 Abs. 1 EnWG, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz zu betreiben, zu warten, zu optimieren und bedarfsgerecht auszubauen - mithin die Schaffung, die Pflege und den Betrieb von Infrastruktur. Versorger und Kommune begegnen sich auf diesem Feld zwangsläufig im Rahmen der Nutzung des öffentlichen Verkehrsraums für die leitungsgebundene Energieversorgung. Gleichwohl man sich vielfach auch über Jahre und Jahrzehnte im Miteinander der Koordination von Tiefbaumaßnahmen fremd geblieben ist.
Infrastrukturerhaltung, -erneuerung und bedarfsgerechte Errichtung ist jedoch für Kommunen nicht nur ein stets aktuelles Thema, sondern eines, das in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewinnt. Nach einer Phase, die in den vergangenen 60 Jahren kriegs- und wachstumsbedingt maßgeblich von der Neuerrichtung kommunaler Infrastruktur geprägt war, beginnt nun eine Phase, in der Erneuerung und quartierbezogene Feinplanung eine immer größere Rolle spielen. Bedarfsermittlung, Planung und Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen setzen neben den reinen Realisierungskapazitäten umfassende Kapazitäten für Steuerung, Entwicklung und das Controlling der Maßnahmen voraus. Anforderungen, die Kommunen in vielen Fällen sowohl inhaltlich wie auch personell überfordern. In sachlicher Hinsicht lag in der Vergangenheit der Verwaltungsfokus häufig mehr auf der haushalterischen Abbildung von Infrastrukturmaßnahmen und deren Bewirtschaftung, als auf der Zustandserfassung und der Planung mittel- und langfristiger Ersatzinvestitionen. Versäumnisse wegen derer, wie z. B. der Zustand von Brückenbauwerken an deutschen Autobahnen zeigt, den kommunalen Verwaltungen keine individuellen Vorhaltungen zu machen sind. Aber auch in personeller Hinsicht ist die Ausstattung gerade mittlerer und kleiner Kommunen sehr oft beklagenswert. Eine Mischung aus Ingenieurmangel, öffentlichen Vergütungsstrukturen und einsparungsindiziertem Personalabbau haben vielerorts Spuren hinterlassen, die von den Kommunen kurzfristig nicht zu beseitigen sind.
Ausgangslage eröffnet Spielräume
Diese Ausgangslage eröffnet für lokale Energieversorger Spielräume in mehrfacher Hinsicht. Sie verfügen mit meist mächtigen GIS-Systemen und eingeübten Prozessen über die notwendige Erfahrung in der Erfassung und Zustandsbewertung von Infrastruktur. Zudem ist zumindest eine ausreichende Personaldecke vorhanden, die aufgrund von Anforderungen an Störungsbeseitigung und Bereitschaftsdiensten nicht reduziert werden kann. Darüber hinaus hat gerade die strenge staatliche Regulierung die Kompetenzen in den Bereichen Regulierungsmanagement und Assetplanung nachhaltig gestärkt.
Damit stehen dem typischen kommunalen Energieversorger zu passender Gelegenheit Mittel, Möglich- und Fähigkeiten zur Verfügung, um sie der Kommune vor Ort anzubieten. Für beide Seiten eine Win-Win-Situation; die Planungskapazitäten beheben die Engpässe auf kommunaler Seite und die Erfassungs- und Bewertungsmöglichkeiten ermöglichen einen klaren Blick auf den Status Quo sowie fundierte Entscheidungen für die Zukunft. Die vorhandene technische Ausstattung lässt sich in der Regel mit vergleichsweise wenig Aufwand für Erweiterungen herrichten. Im Gegenzug ist die Kommune nicht gezwungen, eigene möglicherweise nur kurz- bis mittelfristig benötigte Kapazitäten aufzubauen und kann auf einen Partner zurückgreifen, der zudem über beste lokale Kenntnisse verfügt.
Potenziale als Infrastrukturmanager
Jedoch auch über den reinen Leistungsaustausch hinaus ergeben sich hier Potenziale. Der Umstand einer Bündelung der Aufgaben, Anforderungen und Bedarfe in der Hand des Energieversorgungsunternehmens als eine Art „Infrastrukturmanager“ eröffnet darüber hinaus, die Möglichkeit einer Maximierung der Synergien bezogen auf erdverlegte bzw. erdnahe Assets zu haben. Werden alle Informationen an einer Stelle zentral vorgehalten, so bleiben sie im Rahmen der Maßnahmenplanung und -umsetzung nicht unberücksichtigt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, das Erkennen der Rolle eines kommunalen Infrastrukturmanagers und eine daraus abgeleitete Ausrichtung als ein Geschäftsfeld kann einen sowohl inhaltlichen wie ökonomischen Beitrag zur dauerhaften Bestandssicherung lokaler Energieversorger leisten.
Für Äußerungen an den Autor: www.wolter-hoppenberg.de