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< Sektorkopplung ist notwendiger nächster Schritt der Energiewende
03.09.2019 15:46 Alter: 5 yrs

Klimaziele effektiv und wirtschaftlich erreichen

Klimaschutz ist aktueller denn je. Allerdings fehlt eine Gesamtbetrachtung aller relevanter Sektoren.


Josef Hasler, Vorstandsvorsitzender der N-ERGIE Aktiengesellschaft, Nürnberg, hebt in seinem Gastbeitrag erneut hervor, wie dringend erforderlich eine in sich stimmige Gesamtstrategie ist, um die Energiewende in Deutschland so voranzubringen, dass sie der Zieltrias Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit wieder gerecht wird.

Fotos: N-ERGIE

Dank der Fridays for Future-Bewegung erfahren Klimaschutzthemen wieder ungeahnte Aufmerksamkeit – auch in Deutschland. Parteien überbieten sich mit Vorschlägen. Das Für und Wider von Strategien und Einzelmaßnahmen zur Zielerreichung wird heiß diskutiert. Allein, konkrete Ergebnisse, geschweige denn eine in sich stimmige Gesamtstrategie, sind noch immer in weiter Ferne. Zwar lag 2018 der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch mit rund 38 Prozent über der Zielmarke von 35 Prozent für das Jahr 2020. Aber bei den Wärme- und Verkehrssektoren verharrten die Anteile in den vergangenen Jahren bei knapp 14 bzw. knapp 6 Prozent.

Wärme- und Verkehrssektor: kaum erschlossenes Potenzial

Dabei entfallen fast zwei Drittel des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland auf den Wärme- und den Verkehrssektor – ein riesiges und bisher kaum erschlossenes Potenzial für das Erreichen der Klimaziele. Es geht also darum, die Wärme- und Verkehrswende nicht nur auszurufen, sondern auch umzusetzen. Die Technologie, um zumindest die Klimaschutzziele 2030 zu erreichen, besteht und hat sich bewährt.

Beispiel privater Wohnraum: Rund 85 Prozent der Energie im Haushalt wird für Heizwärme und Warmwasser benötigt. Das Durchschnittsalter der Heizungen beträgt knapp 18 Jahre, eine Million ist über 30 Jahre alt sind. Kein Wunder, dass rund zwei Drittel der Heizungen nicht effizient sind. Hier muss die Politik ansetzen und für die Hauseigentümer attraktive Anreize schaffen, alte Heizungen zügig gegen moderne Systeme auszutauschen. Damit können der Energieverbrauch und die CO2- Emissionen um 15 Prozent gesenkt werden

Im Gebäudebestand sind die Klimaziele ohne deutlichen Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung nicht zu erreichen. Die Verbindung aus Wärmeversorgung mit der effizientesten Form der brennstoffbasierenden Stromerzeugung leistet einen wichtigen Beitrag für die Netzstabilisierung. Allerdings muss auch ihre Dekarbonisierung zügig vorangetrieben werden: weg von der Kohleverstromung hin zu Gas mit zunehmender Grüngasquote und Biomasse.

Mit Blick auf den Verkehrssektor sehen wir eine deutliche Schieflage: Auf den deutschen Straßen sind rund 47 Mio. PKWs unterwegs, die jedoch durchschnittlich pro Tag lediglich knapp 40 Kilometer zurücklegen – sie werden also rechnerisch weniger als eine Stunde täglich genutzt. Der Bestand an PKWs könnte demnach deutlich gesenkt werden, wenn die übrigen Kapazitäten über Sharing-Modelle besser genutzt würden. Um insbesondere die Städte zu entlasten, muss auch der Öffentliche Personennahverkehr in einem durchgängigen Mobilitätskonzept eine größere Rolle spielen.

Attraktivität, Bezahlbarkeit und ein massiver Ausbau – auch von Bahnstrecken für den Pendlerverkehr – stehen dabei im Fokus.

Was der ÖPNV bereits leistet, steht dem Individualverkehr noch bevor: Zur Erreichung der Klimaziele muss Mobilität weitgehend emissionsfrei werden. Mit der wichtigsten emissionsfreien Mobilitätsform, der Elektromobilität, sind jedoch immer noch Ängste vor einem Blackout verknüpft. Dabei ist längst nachgewiesen, dass nicht alle E-Fahrzeuge gleichzeitig laden. Zudem fällt der Strombedarf für die Fahrzeuge kaum ins Gewicht: Wenn denn das von der Bundesregierung ausgerufene Ziel, bis 2020 eine Million E-Fahrzeuge auf die Straße zu bringen, erreicht wird, entspricht deren Strombedarf gerade einmal einem halben Prozent der Jahresstromerzeugung in Deutschland. Der Berechnung liegt die Annahme zugrunde, dass die Elektrofahrzeuge 20 Kilowattstunden pro 100 Kilometer verbrauchen und pro Jahr durchschnittlich 14.200 Kilometer zurücklegen. In diese Überlegungen nicht einbezogen ist die im Zuge der Digitalisierung zunehmende räumliche Flexibilisierung der Arbeitswelt, die das Potenzial hat den Pendlerverkehr zum Arbeitsplatz künftig deutlich zu reduzieren.

Ausbau erneuerbarer Energien mit Bürgerbeteiligung vorantreiben

Der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch soll bis zum Jahr 2030 auf 65 Prozent steigen. Will die Bundesregierung dieses bei der Weltklimakonferenz in Paris vereinbarte Klimaziel nicht verfehlen, müssen die Anstrengungen massiv erhöht werden.

Um das strukturelle Ungleichgewicht in Deutschland nicht noch weiter zu verschärfen, sollte die Erzeugung lastnah und damit überproportional im süddeutschen Raum erfolgen. Im sonnenreichen Süden bietet sich insbesondere Photovoltaik an – auch, weil sie im Vergleich zu Windraftprojekten wesentlich schneller umgesetzt werden kann. Zudem sind ihre Erzeugungskosten mit unter 5 Cent pro kWh bei einer Nutzungsdauer von weit über 20 Jahren konkurrenzlos günstig. Der Ausbauprozess dürfte über monetäre Anreize in Form von Bürgerbeteiligungsmodellen erheblich dynamisiert werden.

Im Zusammenhang mit Solarparks fällt gern das Schlagwort Flächenfraß. Jedoch: Die Erzeugung eines MWp benötigt 1,2 bis 1,4 Hektar Fläche, eine Terrawattstunde also 1.200 bis 1.400 Hektar. Im Vergleich dazu werden in Bayern jährlich rund 3.650 Hektar Fläche für Gewerbegebiete, Haus- oder Straßenbau versiegelt. Während diese Flächen für die Natur verloren sind, können und sollen Freiflächenanlagen die biologische Vielfalt erhalten und stärken.

Strom aus Nürnberg für die Region: Heizkraftwerk Nürnberg-Sandreuth. Bereits seit drei Jahren bietet die N-ERGIE Aktiengesellschaft Gewerbebetrieben in Nordbayern regional erzeugten Strom an. Seit diesem Jahr stammt STROM REGIONAL zu 100 Prozent aus dem hocheffizienten Heizkraftwerk der N-ERGIE in Nürnberg.

Kostenfaktor Energiewende

Der Ausbau der Übertragungsnetze wird oft als Voraussetzung für eine gelingende Energiewende diskutiert – zu Unrecht, da der lastnahe Ausbau erneuerbarer Energien den Bau von Gleichstromtrassen weitgehend obsolet macht. Überraschenderweise spielen bei der Diskussion über die Notwendigkeit von HGÜ-Trassen die damit verbundenen Kosten kaum eine Rolle. Dabei ist klar: Ihr Ausbau wird immer teurer. Belief sich die Kostenschätzung vor zwei Jahren noch auf rund 33 Mrd. Euro, so liegt sie aktuell bei gut 60 Mrd. und auch angesichts weiter steigender Tiefbaukosten darf für die um 2030 fertig gestellten Trassen von rund 100 Mrd. Euro ausgegangen werden.

Legen wir die Rechenmechanik der Bundesnetzagentur zugrunde und berücksichtigen jährlich 2,5 Mrd. Euro Abschreibungskosten, ergeben sich für die kommenden 40 Jahre jährliche Kosten in Höhe von über 5 Mrd. Euro – Kosten, die künftig insbesondere die Haushalte sowie den Mittelstand belasten. Dabei könnte in Bayern die Abschaltung des letzten AKWs durch wenige zusätzliche Gaskraftwerke kompensiert werden, deren Investitionskosten im unteren einstelligen Mrd. Euro-Bereich liegen.

Auch der Aspekt der Wirtschaftlichkeit spricht also klar für den dezentralen Ansatz der Energiewende, zumal Investitionen in die dezentrale Erzeugung regionale Wertschöpfung schaffen. Ich fordere die Regierung dringend auf, die bisherigen Festlegungen ergebnisund technologieoffen zu überprüfen und mit den richtigen Entscheidungen die Energiewende so voranzubringen, dass sie der Zieltrias Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit wieder gerecht wird.

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