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Klimaschutz und Klimafolgenanpassung: Zentrale Herausforderung für Städte und Gemeinden
Wenn Deutschland bis 2030 tatsächlich – wie von der Ampelkoalition geplant – 80 Prozent seines Stromes aus Wind, Sonne und anderen erneuerbaren Energieträgern produzieren will, brauchen wir einen gewaltigen Kraftakt. Und die aktuelle Zeitenwende in der Politik verlangt eine deutliche Beschleunigung des Ausbaus von alternativen Energien. Ein Gastbeitrag von Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB).
„Nun kommt es darauf an, dass die erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen zügig und praxisgerecht umgesetzt werden. Ohne eine enge Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen sind die Ziele nicht erreichbar.“ Dr. Gerd Landsberg
Erneuerbare Energien zügig ausbauen – Planungsverfahren beschleunigen
Mit Blick auf den Ausbau Erneuerbarer Energien wird es vor allem darauf ankommen, für eine Akzeptanzsteigerung zu sorgen und die erforderlichen Flächen bereitzustellen. Die Absicht der neuen Bundesregierung, in diesem Zusammenhang schnellere Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu etablieren, ist daher zu unterstützen. Im Rahmen eines Klimaschutzbeschleunigungsgesetzes müssen insbesondere digitale Genehmigungsverfahren verstärkt ermöglicht werden.
Der Verzicht auf naturschutzrechtliche Ausgleichsregelungen – wenn eine Maßnahme dem Klimaschutz oder der Klimaanpassung dient – eine Verkürzung von Gerichtswegen und Präklusions- und Stichtagsregelungen, um Gerichtsverfahren zu beschleunigen, sind weitere wichtige Punkte, die es umzusetzen gilt. Zudem könnte auch ein 100.000-Dächer-Solar-Sofortprogramm für kommunale Liegenschaften zur Beschleunigung der Energiewende beitragen.
Klimagerechte Stadtentwicklung – das Gebot der Stunde
Geht es um die klimagerechte Entwicklung unserer Städte und Gemeinden, kommt der Stadtentwicklung und dem Städtebau eine entscheidende Rolle zu. Nur, wenn Klimaschutz und Klimaanpassung bei der Planung und dem Bau von Anfang an mitgedacht werden, können sinnvolle Lösungen gefunden werden. So bieten Maßnahmen der Innenentwicklung regelmäßig die Chance, über städtebauliche Lösungen einen wirkungsvollen Klimaschutz zu betreiben. Kürzere Wege, erhöhte Energieeffizienz durch eine kompaktere Bauweise und gut erschlossene Zentren und Ortskerne mit öffentlichen Räumen sowie mehr „Grün und Blau“ sind nur einige der Synergieeffekte, die in einer Kommune aus Klimaschutzsicht besonders wichtig sind.
Energetische Gebäudesanierung forcieren
Insbesondere bedarf es innovativer Konzepte im Bereich der energetischen Sanierung von Gebäuden. In Deutschland entfallen rund 35 Prozent des Energieverbrauchs und etwa 30 Prozent der Treibhausgasemissionen auf diesen Sektor. Die dabei aktuell anfallende Jahresemissionsmenge von 119 Mio. Tonnen CO2 soll bis zum Jahr 2030 auf 67 Mio. Tonnen gesenkt werden. Ein Mehr an Energieeffizienz erfordert neben konsequenten Vorgaben für den Neubaubereich dringend Fortschritte im Bereich des Gebäudebestandes. Dessen Energiebedarf ist durchschnittlich bis zu fünfmal höher als der von Neubauten.
Zur Erreichung der ambitionierten Klimaziele müssen dreiviertel der rund 22 Mio. Bestandsgebäude in Deutschland bis zum Jahr 2050 energetisch saniert werden. Mit einem Bestand von über 176.000 Gebäuden sind auch die Kommunen in besonderem Maße betroffen. Städte und Gemeinden zahlen jährlich rund 3,8 Mrd. Euro für die Strom- und Wärmeversorgung ihrer Liegenschaften. Hier ergeben sich umfassende Möglichkeiten zur Kosteneinsparung, indem Gebäude wie Schulen, Rathäuser und Kindergärten aber auch der kommunale Wohnungsbestand mit über 1,2 Millionen Wohnungen nachhaltig modernisiert werden.
Quartierskonzepte und kommunale Wärmeplanung
Zukünftig sollte sowohl beim Neubau als auch im Bestand ein Quartiersansatz verfolgt werden. Dies gilt sowohl im Bereich einer energiesparenden Wasser- und Abwasserversorgung als auch im Bereich der Wärmeplanung. Sanierungsmaßnahmen und die Wärme- und Energieversorgung müssen zusammen gedacht werden. Im Ergebnis muss die Förderung durch das BEG finanziell aufgestockt und zugleich die Förderung durch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) verbessert werden. Dies ist mit Blick auf das hohe CO2 -Einsparpotenzial bei der Wärmeversorgung im Gebäudebereich wichtig. Regionale Besonderheiten müssen indes bei der Wärme auch in Zukunft Berücksichtigung finden können und es bedarf einer technologieoffenen Wärmewende. Hierzu gehört, die bestehende Gasnetz-Infrastruktur für den Einsatz von Wasserstoff im Bereich der Wärmeversorgung zu nutzen und hierfür erforderliche Investitionen langfristig zu fördern.
Klimaanpassung bleibt Daueraufgabe
Nicht nur der Klimaschutz, sondern auch die Klimaanpassung ist und bleibt ein zentrales und wichtiges kommunales Handlungsfeld. Es handelt sich hierbei um zwei Seiten einer Medaille. Das haben die Hitzeund Dürreperioden der vergangenen Jahre und nicht zuletzt die Flutkatastrophe im Juli 2021 in NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz verdeutlicht. Diese Entwicklung beeinflusst nicht nur die Infrastruktur unserer Städte und Gemeinden, sondern die Umwelt, die Wirtschaft und nicht zuletzt das Leben und die Gesundheit eines jeden Einzelnen. Es gilt, nachhaltige Konzepte für mehr Resilienz zu entwickeln. Hierzu gehört ein aktives kommunales Wassermanagement, das eine Starkregen- und Dürrevorsorge bspw. durch die Anpassung von Kanalisationen, die Schaffung von Retentionsflächen, das Anlegen von Zisternen und die Verringerung von Bodenversiegelung in innerstädtischen Räumen beinhaltet. Neben investiven Maßnahmen sind auch Schulung und Beratung, gerade kleinerer Gemeinden, wichtig. Klimaanpassungsmanager/-innen können hier eine wichtige Hilfestellung bieten. Der Drei-Punkte-Plan der Bundesregierung, den das Bundesumweltministerium mit den kommunalen Spitzenverbänden im März 2021 vorgestellt hat, ist insoweit ein erster richtiger Schritt für ein verbessertes
Ausbau der Windkraft (blau) an Land seit 2014, notwendiger Ausbau der Windkraft an Land bis 2030 nach den Plänen der Bundesregierung.
Quelle: DStGB
Klimaanpassungsmanagement. Notwendig bleiben jedoch weiterführende Maßnahmen wie insbesondere Langfriststrategien für ein Notfallmanagement, die Förderung von Frühwarnsystemen und damit verbunden eine kontinuierliche finanzielle Unterstützung der Städte und Gemeinden.
Die Menschen werden nur dann mitmachen, wenn sie erleben, dass Klimaschutz kein Verzicht, sondern ein Mehr an Lebensqualität bedeutet.
Städte und Gemeinden als Schlüsselakteure stärken
Städte und Gemeinden sind die Schlüsselakteure, weil Klimaschutz und Klimaanpassung immer „vor Ort“ stattfindet:
- Städte und Gemeinden haben maßgeblichen Einfluss auf eine nachhaltige und klimagerechte Stadtentwicklung. Dazu gehören insbesondere innovative Konzepte im Bereich der Mobilität, des klimaangepassten Planen und Bauens und auch der Vorsorge vor Extremwetterereignissen.
- Zugleich haben sie Vorbildwirkung, indem sie die energetische Sanierung ihrer eigenen Liegenschaften, wie Schulen, Kindergärten, Wohnungen oder Rathäuser stetig vorantreiben. Die kommunale Beschaffung von Bau, Liefer- und Dienstleistungen berücksichtigt zudem Aspekte der Nachhaltigkeit, der Energieeffizienz sowie der Klimaneutralität.
- Städte und Gemeinden tragen Sorge für einen umfassenden Natur- und Artenschutz und tragen als Waldbesitzer zur Stärkung der Biodiversität bei.
- Als Planungsträger tragen sie wesentlich zur Flächenbereitstellung und weiteren Realisierung von Erneuerbare Energie Projekten bei.