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13.11.2020 16:33 Alter: 4 yrs

Klimaschutz und Industriepolitik zusammendenken

Die EU-Kommission will die EU-weiten CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent senken. Das Europäische Parlament fordert sogar eine Verschärfung auf 60 Prozent. EU-Kommission und -Parlament zeigen jedoch noch keine Wege auf, wie diese Ziele realistisch erreicht werden können. Impact Assessment ist nun entscheidend, fordert Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA).


Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes

„Eine zu schnelle, politisch vorgegebene Transformation kann zu industriellen und strukturellen Brüchen führen, die mit enormen Kosten für Wirtschaft, Wachstum und Beschäftigung - und damit auch für die jeweils betroffenen Regionen - verbunden sind.“

Frau Müller, wie bewertet die Automobilbranche das Votum des EU-Parlaments?

Die deutsche Automobilindustrie steht momentan vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte. Hersteller und Zulieferer bekennen sich zu ambitionierten Klimaschutzzielen und treiben die Transformation der Branche hin zur Klimaneutralität bis 2050 massiv voran, müssen aber gleichzeitig die verheerenden Folgen der Coronakrise bewältigen. Dafür benötigen wir eine technologieoffene, dem Klimaschutz verpflichtete Industriepolitik, die den Standort Europa stärkt und klimaschonende Technologien zum Exporterfolg macht. Klimaschutz und Industriepolitik müssen zusammengedacht werden. Die Vorschläge von Kommission und Parlament lassen dies jedoch vermissen. Vor allem werden keine Wege aufgezeigt, wie diese noch schärferen Ziele realistisch erreicht werden können. Diese Aufgabe hat auch die EU-Kommission zu leisten. Ein Beispiel dafür ist der Aufbau einer flächendeckenden europaweiten Ladeinfrastruktur, ohne die die Verbraucher kein Vertrauen in die Elektromobilität aufbauen werden.

Welche Forderungen stellen Sie an die EU-Kommission?

Entscheidend ist ein Impact Assessment. Dieses wurde von der Kommission immer wieder angekündigt, aber bisher nicht umgesetzt. Jede Zielverschärfung sollte mit einer Abschätzung der damit verbundenen Folgen einhergehen. Das betrifft nicht nur das Volumen der tatsächlich realisierbaren CO2-Senkung, sondern auch die wirtschaftlichen, sozialen und beschäftigungsrelevanten Auswirkungen. Hierzu muss nun rasch eine intensive Prüfung stattfinden, deren Ergebnisse transparent zu diskutieren sind. Die geplante massive Verschärfung der CO2-Ziele - ohne eine begleitende Industriepolitik – gefährdet Wachstum, Innovation und Beschäftigung in Europa.

Reicht der Schwerpunkt Elektromobilität allein aus?

Wir sollten entschlossen den Marktanteil von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben steigern. Dazu gehört vor allem die Elektromobilität – als rein batterieelektrischer Antrieb oder Plug-in-Hybrid. Dafür investieren deutsche Hersteller bis 2024 immerhin rund 50 Milliarden Euro.

Gleichzeitig legen wir den Fokus auch auf andere Technologien. Nicht die Antriebsart sollte dekarbonisiert werden, sondern der Energieträger. Wasserstoff - ob als Verbrenner oder Brennstoffzelle - wird eine wichtige Rolle in der Zukunft spielen. Auch der Einsatz regenerativer Kraftstoffe, wie Biofuels der 2. und 3. Generation sowie E-Fuels sind wichtig, um die Klimaziele bis 2050 zu erreichen. Selbst wenn der Hochlauf der Elektromobilität wie von der Politik geplant erfolgen sollte, werden wir auch in 10 oder 20 Jahren noch viele Millionen Pkw auf Europas Straßen haben, die mit Verbrennungsmotoren angetrieben werden. Der Einsatz von E-Fuels kann hier einen großen Hebel zur CO2- Senkung darstellen - und gleichzeitig individuelle Mobilität für Millionen von Menschen weiterhin gewährleisten. Deshalb setzen wir uns hier für ein gezieltes Markteinführungsprogramm auf EU-Ebene ein.

Wir danken für das Gespräch.
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