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Klimaneutralität – Strombedarf – Versorgungssicherheit
Der Handelsblatt Energie-Gipfel des Jahres 2021, aufgrund der aktuellen Lage rein digital durchgefuhrt, zeigte sich auch unter diesen veranderten Bedingungen erneut als der Treffpunkt der Energiewirtschaft zur Diskussion aktueller Themen und zum Dialog mit der Politik. Wir sprachen mit Klaus Stratmann, Handelsblatt, zu ersten Ergebnissen des Gipfels
"Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat beim Energie-Gipfel deutlich gemacht, der Weg zur Klimaneutralität ist für die Industrie nicht einfach. Er hat erkannt, wo die Probleme liegen und ist auch bereit, eine Menge Geld zur Verfügung zu stellen. Ob das aber reichen wird, um den Transformationsprozess über viele Jahre konsequent zu unterstützen, muss man leider bezweifeln." Klaus Stratmann
Welche energiepolitischen Schwerpunkte haben sich beim diesjährigen Energie-Gipfel des Handelsblatts herausgestellt?
Natürlich drehten sich viele Debatten um das Thema Wasserstoff. Außerdem zog sich eine Frage wie ein roter Faden durch viele Diskussionen und Präsentationen: Wie hoch wird der Strombedarf in Deutschland im Jahr 2030 sein? Mit ihrer Annahme, der Bedarf werde sich in neun Jahren auf 580 Terrawattstunden (TWh) belaufen, steht die Bundesregierung ziemlich allein da.
Ob Erneuerbaren-Branche, Netzbetreiber oder große Stromverbraucher aus der Industrie – sie alle gehen davon aus, dass der Bedarf wesentlich höher sein wird. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Produktion von grünem Wasserstoff, die Digitalisierung, der steigende Einsatz von Strom auch im Wärmesektor und auch die Elektromobilität sorgen für wachsenden Bedarf. Die Bundesregierung wird ihre Annahmen überdenken müssen.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität?
Wer beim Energie-Gipfel Industrievertretern wie Evonik- CEO Christian Kullmann zugehört hat, kann sich der Erkenntnis nicht erwehren, dass es für energieintensive Branchen schwer wird, klimaneutral zu werden. Sie brauchen gigantische Mengen an Strom aus erneuerbaren Quellen zu Preisen von drei oder höchstens vier Cent je Kilowattstunde.
Wer sollte der Industrie dabei helfen?
Die Politik hat auf europäischer und auf deutscher Ebene die Weichen in Richtung Klimaneutralität gestellt. Vor drei Jahren war noch von einem Treibhausgasreduktionsziel von 80 bis 95 Prozent bis 2050 die Rede. Unter diesen Vorzeichen hätte die Industrie möglicherweise noch die Chance gehabt, mit Investitionen in bestehende Anlagen ihre Pflichten zu erfüllen. Doch die Klimaneutralität erfordert ein komplettes Umsteuern. Neue Verfahren, die im Wesentlichen auf dem Einsatz von klimaneutralem Wasserstoff basieren, erfordern massive Investitionen. Die Produkte werden teurer. Die Politik ist in der Pflicht, den Unternehmen eine Brücke zu bauen. Das wird die öffentliche Hand viele Milliarden Euro kosten.
Wie sehen andere Länder auf die energie- und klimapolitische Entwicklung?
Sie verfolgen einen pragmatischeren Ansatz als wir Deutschen. Das hat zum Beispiel Anders Opedal beim Energie- Gipfel deutlich gemacht. Der CEO des norwegischen Equinor- Konzerns treibt das Northern-Lights-Projekt voran und wird dabei vom norwegischen Staat unterstützt. Ziel ist es, CO2 aus europäischen Industrieanlagen vor der norwegischen Küste unter dem Meeresboden zu speichern. Die Norweger beherrschen die erforderliche Technik seit deutlich über 20 Jahren. Außerdem will Equinor blauen Wasserstoff liefern. Das bei der Herstellung freiwerdende CO2 soll ebenfalls unter dem Meeresboden gespeichert werden. In Deutschland sehen das viele Menschen skeptisch. www.handelsblatt-energiegipfel.de