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< Grüne Gase sind für Energiewende unverzichtbar
05.12.2018 16:24 Alter: 6 yrs

Internationale Aspekte einer Power-to-X Roadmap

In 2018 hat der Weltenergierat, unterstützt von 17 Mitgliedsunternehmen und Partnern, die Studie „Internationale Aspekte einer Power-to-X Roadmap“ bei Frontier Economics in Auftrag gegeben und zum Energietag am 18. Oktober 2018 veröffentlicht. Ausgangspunkt ist die Diskussion um die Sektorenkopplung in Deutschland und die Frage, ob Deutschland seine Dekarbonisierungsziele ohne den Import von grünen Treibstoffen/Gasen erreichen kann.


Zu Kernaussagen der Studie informiert exklusiv Dr. Uwe Franke, Präsident Weltenergierat-Deutschland.

Foto: Florian Weisker

Die Energiewende in Deutschland wird langfristig erhebliche Importe synthetischer Kraftstoffe aus dem Ausland erfordern, die aus erneuerbaren Energien erzeugt werden – sogenannten Power-to-X Produkten (PtX). Diese lassen sich in vielen Regionen der Welt aufgrund der besseren Standortbedingungen für erneuerbare Energien deutlich günstiger produzieren als hierzulande und anschließend exportieren.

Herr Dr. Franke, welchen Anstoß gab es für diese Studie?

Ambitionierte Klimaziele sind nur erreichbar, wenn erneuerbare Energien nicht allein direkt als Strom genutzt werden, sondern auch als Gas oder flüssiger Brennstoff speicherbar sind. Deshalb müssen wir uns viel systematischer mit der Entwicklung synthetischer Kraftstoffe beschäftigen, sie werden die zweite Säule der Nutzung erneuerbarer Energien. Um internationale Zusammenarbeit anzustoßen, müssen wir aber mit diesen Ländern sprechen.
Bislang sind unsere Erwartungen an die Rolle von PtX im Ausland zu wenig bekannt. PtX braucht eine langfristige politische Strategie und eine schrittweise Skalierung. Dazu sollen die vom Weltenergierat entwickelten Elemente einer Power-to X Roadmap beitragen. Ziel ist es, für die nächsten Jahrzehnte einen dezidierten Fahrplan zur Schaffung einer globalen PtX Industrie zu entwickeln.

Warum liegt der Fokus auf PtX?

Auf erneuerbaren Energien basierende PtX Technologie wird ein integraler Bestandteil auf dem Weg hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung sein. PtX stellt dabei in vielen Ländern eine sinnvolle Ergänzung dar, um die anderen zentralen Elemente einer Energiewende, z. B. die direkte Nutzung erneuerbarer Energien und den direkten Einsatz erneuerbaren Stroms zu flankieren.

Für den Einsatz von PtX als ergänzende Technologie gibt es zahlreiche Gründe. Zum einen sind es fehlende Alternativen, denn in einigen Sektoren werden aus logistischen Gründen Brenn- und Kraftstoffe mit hoher Energiedichte benötigt. Dies trifft insbesondere auf die Luftfahrt und den Schiffsverkehr zu, aber auch auf spezifische industrielle oder chemische Prozesse mit hohem Temperaturbedarf. PtX Brenn- und Kraftstoffe in Kombination mit Biobrennstoffen und -Kraftstoffen stellen daher oft die einzig technisch machbaren Möglichkeiten dar, die notwendigen CO2-Reduktionen zu realisieren.

Welche Schwerpunkte umfasst die Studie?

Die Studie gibt einen Überblick, wie groß die deutsche bzw. globale Power-to-X-Nachfrage in Abhängigkeit definierter Annahmen sein könnte. Sie identifiziert einen Kriterienkatalog, der für Investitionsentscheidungen für Power-to-X-Anlagen und den Export der Produkte relevant ist (Wind-/Sonnenverfügbarkeit, vorhandene Transportinfrastruktur von Gas/Öl, Häfen, Zinssätze/Länderrisiko- Exposition, Wasserverfügbarkeit etc.). Beispielhaft werden mögliche Lieferländer dargestellt und über einen Kriterienkatalog die Ergebnisse mit Experten aus diesen Ländern im Rahmen des World Energy Council Netzwerkes validiert. Über die Roadmap werden Standorte eruiert, die im Rahmen einer zukünftig kohlenstoffarmen Welt CO2-neutrale Energie nach Deutschland exportieren. Auch werden Ansatzpunkte für eine wirtschaftliche Kooperation zur Entwicklung der erforderlichen Infrastruktur aufgezeigt und geeignete Adressaten genannt.

Sehen Sie auch eine industriepolitische Chance?

Neben verbesserter Energieeffizienz wird der zunehmende Einsatz erneuerbarer Energien einer der Hauptbestandteile der globalen Transformation der Energiesysteme sein. Dabei kann dieser Einsatz auf vielfältigem Wege erfolgen. Z. B. durch direkten Einsatz bei Endverbrauchern (Biomasse, Solaranlagen, Erdwärmeheizung etc.), durch eine zunehmende Elektrifizierung (z. B. Elektroautos, Wärmepumpen etc.) oder in Form von synthetischen Brenn- und Kraftstoffen, die aus erneuerbarem Strom gewonnen werden. Die Entwicklung eines globalen Marktes für Power-to-X aus Deutschland heraus ist eine industriepolitische Chance sowie klimapolitisch ein Schlüsselfaktor für ein CO2-freies Energiesystem. Der Bedarf an synthetischen Kraftstoffen kann langfristig sehr groß werden. Die hierfür benötigten Kapazitäten für Wasserstoffelektrolyseanlagen etwa können bis zu 3.000 bzw. 6.000 GW weltweit betragen. Bisher sind Elektrolyseanlagen mit einer Kapazität von lediglich rund 20 GW installiert.

Wie steht es um Nachfragepotenzial und Akzeptanz?

Unmittelbares Nachfragepotenzial ist ausreichend gegeben. Die Mehrheit der synthetischen Brenn- und Kraftstoffe, einschließlich synthetischen Methans, Diesels, Benzins, Kerosins und anderer, lassen sich unmittelbar in bestehenden Systemen und existierender Infrastruktur einsetzen. CO2-Reduktionen können daher innerhalb eines kurzen Zeitraums realisiert werden, ohne auf einen langwierigen Ersatz von Endnutzeranwendungen durch andere Technologien angewiesen zu sein. Dies gilt z. B. für den Wärmesektor in Bestandsgebäuden oder für den Transportsektor und den Einsatz von Verbrennungsmotoren.

Neue Infrastrukturmaßnahmen mit Einfluss auf Umwelt und Landschaft haben oft eine geringe öffentliche Akzeptanz. Erneuerbare Brenn- und Kraftstoffe bringen in vielen Fällen Kosteneinsparungen, da sie in bestehenden Infrastrukturen wie Gaspipelines, Tankstellen und Speichereinrichtungen zum Einsatz zu kommen. Und mit der Nutzung bestehender und kostengünstiger Endverbraucheranwendungen (z. B. Brennwertkessel), wird der Bedarf an Infrastrukturinvestitionen reduziert. Somit gibt es auch eine Verbindung zwischen Kostenüberlegungen und Akzeptanz.

Welche abschließenden Empfehlungen gibt die Studie?

Für den PtX Fahrplan werden drei wichtige Säulen adressiert. Das sind die Verbesserung und die Förderung des Ausbaus von PtX Technologien und Anlagen, um erhebliche Kosteneinsparungen zu realisieren und damit den Weg für den internationalen Handel zu ebnen. Ebenso die Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen für PtX und konventionelle Brenn- und Kraftstoffe durch eine Vergütung der Klimavorteile grüner synthetischer Brenn- und Kraftstoffe. So würden zuverlässige Nachfragestrukturen gewährleistet und ein Wachstum des globalen PtX Marktes gefördert. Und drittens die Verbesserung eines angemessenen Investitionsrahmens durch bindende als auch nicht bindende politische Maßnahmen, wie internationale Kooperationen und Handelsstandards.

Die komplexen Interdependenzen zwischen diesen Säulen und den begleitenden Empfehlungen erfordern dabei einen koordinierten Ansatz zur Entwicklung eines globalen PtX Marktes. Mit einer Roadmap für grüne synthetische Kraftstoffe sieht der Weltenergierat industrie- und klimapolitisch deshalb eine große Chance für internationale Zusammenarbeit – diese muss aber strategischer aus Deutschland heraus entwickelt werden.

Zur Studie unter: Opens external link in new windowhttps://www.weltenergierat.de/ptxstudie