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Kategorie: Nachhaltigkeit
Herausforderungen im deutschen Stromsektor
Das Gelingen der Energiewende ist für Deutschland Pflicht. Denn: Energiewende erfolgt nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA (Schiefergas) und Schwellenländer steigern ihre Energieproduktion. Die deutsche bzw. europäische Energiewende muss wegen wirtschaftlicher Standortkonkurrenz ohne Einbußen bei Versorgungssicherheit und Preiswürdigkeit gelingen. Herausforderungen nennt Dr. Ingo Luge, Vorsitzender der Geschäftsführung von E.ON Deutschland.
In Deutschland war der quantitative Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) - durch das EEG getrieben - tatsächlich sehr erfolgreich. In 2012wurden rund 22 % Anteil an der Stromproduktion erreicht, 2013 sind circa 25 % prognostiziert - damit ist dies der höchste Anteil eines Energieträgers. Das heißt aber auch: Erneuerbare sind erwachsen geworden - und an Erwachsene kann und muss man andere Anforderungenrichten als an Heranwachsende. Wenn Erneuerbare die wichtigste Erzeugungsart sind, müssen sie auch Verantwortung für das ganze Energiesystem übernehmen, das heißt ihren Beitrag für eine ausgewogene Erreichung der Ziele im energiepolitischen Dreieck aus Klimaschutz, Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit leisten.
Großbaustellen am Zieldreieck
Gegenwärtig erleben wir die deutsche Energiewende mit Großbaustellen an allen Dimensionen des Zieldreiecks: Bei der Bezahlbarkeit verzeichnen wir einen Anstieg der EEG-Umlage auf voraussichtlich über 6 Cent pro Kilowattstunde in 2013. Und die NettoFörderung der Erneuerbaren Energien in Höhe von 16,2 Mrd. Euro führt zu einer höheren Belastung der Stromkunden, obwohl gleichzeitig der Börsenpreis sinkt. Dabei sind die Ursachen für die Defizite in der Umsetzung der Energiewende vielschichtig. Sie liegen aber vor allem in der Verwechslung von Zielen und Instrumenten: Die Ziele finden sich im Zieldreieck, die Instrumente kennen wir beispielsweise als ETS, EE-Förderung, KWK-Förderung, Kapazitätsmechanismen. Auch eine unzureichende Beachtung von Widersprüchen und Spannungsverhältnissen, etwa zwischen Subventionierung von Erneuerbaren und der Wirtschaftlichkeit von konventionellen Kraftwerken, zwischen nationaler Regulierung und europäischem Binnenmarkt oder zwischen europäischen Klimaschutz und nationalem Ausbau Erneuerbarer Energien sind hier anzuführen. Schauen wir auf die Versorgungssicherheit zeigt sich eine obskure Situation: Ein sinkender Börsenpreis führt zur Unwirtschaftlichkeit von konventionellen Anlagen, insbesondere Gaskraftwerken, die aber als Backup-Kapazitäten für die Versorgungssicherheit dringend gebraucht werden. Denn noch so viel Wind und PV können die Versorgungssicherheit nicht gewährleisten. Deshalb sind konventionelle Kraftwerke weiter nötig – zumindest solange Speicher oder auch smarte Technologien nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Jedoch macht sich hier der sogenannte „Merit Order“-Effekt der Erneuerbaren bemerkbar: Die installierten Überkapazitäten drücken den Großhandelspreis, so dass die konventionellen Kraftwerke nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können. Neubauten rentieren sich gar nicht mehr.
Die Realisierbarkeit des Netzausbaus ist fraglich und erfolgt weiterhin mit Zeitverzögerung. In Süddeutschland ist die Situation bereits kritisch. Steht die Thüringer Strombrücke nicht rechtzeitig zur Verfügung, wird sich die Situation weiter dramatisch verschärfen. Mittelfristig kann eine sichere Versorgung wohl nur über ein Kapazitätsmarktsystem gewährleistet werden. Der Branchenverband BDEW hat dazu Ende September konkrete Ansätze aufgezeigt, die zudem zu volkswirtschaftlich niedrigen Kosten realisiert werden können. Letztlich leidet unter der aktuellen energiepolitischen Situation auch der Klimaschutz. So hatten wir 2012 mehr CO2-Ausstoß bei der Stromproduktion in Deutschland als im Jahr 2011, eine Steigerung um + 2 %. Der Preisverfall von CO2 -Zertifikaten begünstigt Braunkohle in Relation zu Steinkohle und Gas. Die Gründe dafür liegen nicht allein in der Wirtschaftsentwicklung, sondern auch in der mangelnden Verknüpfung von Treibhausgas-Emissionen mit der Förderung der Erneuerbaren Energien. Dauerhaft niedrige CO 2 -Preise – als Folge der Wirtschaftskrise, aber auch der nationalen Förderung der Erneuerbaren – verhindern so Investitionen in klimafreundliche Technologien.
Systemintegration und neues Marktdesign
Nötig ist ein neues Marktdesign, zu dem ein grundlegend reformiertes EEG mit einer verstärkten Integration der Erneuerbaren in das Gesamtsystem, ein revitalisierter europäischer Emissionshandel als Leitsystem der europäischen Klimapolitik und eine wirtschaftliche Sicherung für den Erhalt und Neubau von konventionellen Kraftwerkskapazitäten gehören muss. Die von politischen Lagern betriebene Fokussierung der Bezahlbarkeits-Debatte auf die Industriebefreiungen bei der EEG-Umlage ist im Kern ein Ablenkungsmanöver, weil nur die Verteilung der Kosten für die Erneuerbare Energien-Förderung diskutiert wird und nicht die Frage, wie die Kosten generell in den Griff zu bekommen sind. Bei einer EEG-Reform ist – auch angesichts der EU-beihilferechtlichen Problematik sicherzustellen, dass insbesondere die Industrie keine EEG-Belastung erfährt, die sie im internationalen Wettbewerb diskriminiert. Denn die Industrie bildet das Rückgrat des Wirtschaftsstandorts Deutschland.
Systemintegration und Bezahlbarkeit müssen Hand in Hand gehen – und das können sie auch:
Die effiziente Zubausteuerung entlang eines nationalen EE-Ausbaupfades, Verpflichtung zur Eigenvermarktung bei Neuanlagen, wettbewerbliche Festlegung der Förderhöhe durch Auktionen, Verhinderung der Entsolidarisierung durch sinnvolle Ausgestaltung des Eigenverbrauchs, marktkompatible Synchronisierung zwischen EE-Ausbau und Netzausbau sowie Vereinfachungen bei der administrativen Abwicklung seien hier genannt. Das sind die Handlungsfelder, für welche die Politik in Gestalt der neuen Bundesregierung den Rahmen schaffen muss. Berechnungen von Wirtschaftsinstituten haben ergeben, dass an dieser Stelle jährliche Einsparungen bis zu 3 Mrd. Euro möglich sind! www.eon.com